Teil 37

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Drei Tage waren nun vergangen, seit Chris nach dem Streit aus dem Haus gestürmt und Tom ihm hinterhergeeilt war. Avas Bruder konnte allerdings nur noch die Rücklichter von Chris' Wagen in die nächste Straße abbiegen sehen. Er war zurück ins Haus gegangen, wo Emma ihn besorgt dreinblickend empfangen hatte, denn obwohl sie im Nebenzimmer telefoniert hatte, war auch ihr der Streit nicht entgangen. Die beiden umarmten sich kurz, ehe Emma sich ins Schlafzimmer zurückzog und Tom zu seiner Schwester ging. 

Die Geschwister kannten sich in- und auswendig und Tom ahnte bereits, dass Ava jetzt nicht zum Sprechen zu Muten sein würde. Dennoch hatte er die Hoffnung, dass sie sich vor ihm nicht verschließen würde. Er betrat das Wohnzimmer, wo sich Ava in der Zwischenzeit vom Essbereich hin zur Couch bewegt hatte und so ließ er sich neben ihr in die Polster fallen. „Vergiss es Tom, ich will nicht darüber reden."

„Deswegen habe ich mich auch nicht hier hingesetzt", log er und fügte scherzhaft hinzu: "Darf ich mich in meinem eigenen Haus nicht mehr da hinsetzten, wo ich will?" Er begann in einer Zeitschrift zu blättern, bis er den Blick seiner Schwester auf sich spürte. „Was hast du?"

„Sag, was du sagen willst", forderte sie ihn auf, in ihren Augen glitzerten Tränen. Doch er wusste nicht, was sie meinte. „Du willst mir doch bestimmt sagen, dass du mich gewarnt hast, dass das wieder passieren würde..."

Sofort legte Tom die Zeitschrift zur Seite und schnipste Ava mit dem Finger gegen die Stirn. 

„Aua! Was soll das?", beschwerte sie sich lautstark, aber an seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er sich keiner Schuld bewusst war. „Ich wollte dir nur helfen, den Film, den du gerade in deinem Kopf schiebst, schnellstmöglich zu vergessen. Ich kann mir vorstellen, dass sich das für dich gerade anfühlt wie beim letzten Mal, aber das heute war ein einfacher Streit. Gib ihm ein bisschen Zeit, lass dir selbst Zeit und du wirst sehen, alles ist wieder gut."

Ava schien noch nicht gänzlich überzeugt zu sein, weshalb er weitersprach. „Pulcino, dieser Mann ist mit dir mitten in der Nacht von Boston bis hierhergefahren, damit du das nicht allein machen musst. Und das alles wegen eines Traums! Ihr habt euch vielleicht gegenseitig ein paar gemeine Sachen an den Kopf geworfen, aber du wirst sehen: Wenn du in LA bist und ihr euch wiederseht, wird alles wieder gut sein." Avas Blick wurde etwas finsterer als sie sagte: "Im Moment ist mir aber gar nicht danach, nach LA zu fliegen..."

„Ich weiß, aber wenn du ein paar Nächte darüber schläfst, denkst du vielleicht schon wieder ganz anders darüber. Also fälle jetzt noch keine voreilige Entscheidung."

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Diesen Rat ihres Bruders hatte Ava befolgt und jetzt, es war Donnerstagabend, saß sie mit Emma und Tom in deren Wohnzimmer und starrte ihren gepackten Koffer an, den sie tags zuvor aus ihrem Apartment geholt hatte. „Worüber denkst du nach?", riss sie Emmas Frage aus den Gedanken. „Darüber, ob mich morgen einer von euch beiden an den Flughafen fahren soll oder nicht..." Emma und Tom wechselten einen Blick, der Ava allerdings entging. 

„Warum zweifelst du?", erkundigte sich Emma vorsichtig und die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Ich weiß gar nicht, ob er mich überhaupt dort haben will. Seit er verschwunden ist, hat er sich nicht ein einziges Mal gemeldet. Kein Anruf, keine Nachricht, nicht einmal eine Info, ob er gut angekommen ist." Tom schaltete den Fernseher stumm und sah Ava skeptisch an. „Hast du dich denn bei ihm gemeldet? Ihn angerufen, geschrieben oder gefragt, ob er gut angekommen ist?" Ava rümpfte die Nase, schwieg aber. „Na siehst du", sagte ihr Bruder und unterstrich damit seinen Punkt. Missmutig starrte Ava auf das stumme Geschehen auf dem Bildschirm des Fernsehers und bekam nur am Rande mit, dass Emma und Tom die Köpfe zusammensteckten, woraufhin Tom aufstand und das Zimmer verließ. 

„Woher wusstest du, dass er mir auf die Nerven geht?" fragte Ava leise und sah ihre beste Freundin an. 

„Wie lange kennen wir uns jetzt schon? Du kannst es nicht ausstehen, wenn er bei unliebsamen Themen recht hat. Aber das soll jetzt nicht wichtig sein. Verrate mir lieber, warum es dir so schwerfällt, deinen Stolz zu überwinden und dich einfach bei Chris zu melden?" Empört zog Ava die Luft ein. Aber genau wie ihr Bruder zuvor, hatte auch Emma recht, was die Situation für Ava allerdings nicht erleichterte. Doch anstatt nachzugeben, blieb Ava stur. „Warum soll ich denn den ersten Schritt machen, wenn er das genauso gut hätte tun können. Aber hat er es getan? Nein." Voller Unmut stieß Ava einen schweren Seufzer aus und zog sich die Decke über den Kopf, ehe sie leise sagte: „Ganz ehrlich... gerade hasse ich ihn ein bisschen..." 

Weiter kam sie nicht, denn Emma zog ihr ruckartig die Decke weg und sah sie tadelnd an. „Bullshit! Ava, du weißt ich liebe dich, aber manchmal redest du wirklich den größten Schwachsinn, den ich je gehört habe. Du liebst ihn und er liebt dich. Das ist das Einzige, was gerade wichtig sein sollte. Und ich sage dir eins: Wenn du dich morgen nicht in diesen gottverdammten Flieger setzt, dann werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass du mit der nächstbesten Maschine in LA landest." Emma hatte sich so sehr in Rage geredet, dass Ava ihr nur stumm gegenübersitzen und nicken konnte. „Wirklich, ich meine das Ernst. Und wenn ich dich ins Flugzeug schleifen muss. Vor ein oder zwei Wochen haben Tom und ich noch darüber gesprochen, dass wir dich schon sehr sehr lange nicht mehr so glücklich erlebt haben, wie mit Chris. Aber du legst dir so oft selbst Steine in den Weg... verstehe das nicht falsch, er hat schon auch seinen Teil dazu beizutragen und wenn er nicht bald mal lernt, dass man nicht einfach aus jedem Konflikt oder Streit abhauen kann, wenn man damit überfordert ist, dann muss ich wohl demnächst auch mit ihm ein ernstes Wörtchen reden. Mal davon abgesehen, dass er sich ruhig bei dir hätte melden können, aber da warst du keinen Deut besser. Ehrlich Ava, wir Außenstehenden sehen doch, wie glücklich ihr euch macht. Ich weiß, dass du das wegen der Vergangenheit, den Dingen, die in deinem Leben geschehen sind, gerne vergisst, aber du hast auch ein Recht drauf, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Also tu mir bitte den Gefallen: Gib dir einen Ruck und mach dich morgen auf den Weg nach Kalifornien. Auch wenn es dir gerade schwerfällt das wahrzuhaben, weil er so ziemlich genau das Gegenteil gesagt hat, weiß ich, dass Chris hofft, dass du genau das tun wirst."

Noch während Emma gesprochen hatte, waren Ava Tränen in die Augen gestiegen. Sie wusste, dass ihre beste Freundin recht hatte und insgeheim hatte sie auch gewusst, dass sie kaum etwas daran hätte hindern könnten, am nächsten Morgen in das Flugzeug zu steigen. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie Angst hatte. Angst vor dem morgigen Tag, davor, wie das Treffen mit Chris sein und wie er reagieren würde. Denn sie war sich nicht hundertprozentig sicher, dass er, nach allem, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte, wirklich noch wollte, dass sie nach LA kam und ihn begleitete.

Doch es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Eine Möglichkeit, für die sie ihren Stolz überwinden und an den Flughafen fahren musste.



 [Das Kapitel ist ein kleines bisschen kürzer geworden, aber dafür geht's übermorgen schon weiter 🙌🏻 ich freue mich über alle, die bis hierhin gelesen haben und weiterlesen werden und hoffe natürlich, dass euch meine Story immer noch gefällt 🙈❤️ ]

You would smile and that would be enough (Chris Evans ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt