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Ihr Blick wurde wieder klar und sie beäugte mich misstrauisch, sie schien sich nicht daran zu erinnern, was sie eben gesagt hatte. Ich sah sie an. "Geht es dir gut Odette? Du warst eben ganz blass", meinte ich besorgt. Ich mochte es gar nicht sie anzulügen, aber ich wusste jetzt endlich was mit ihr los war, aber ich fühlte mich schlecht, weil sie es mir ja eigentlich nicht freiwillig gesagt hatte. Das war jetzt aber egal, es war nicht rückgängig zu machen, aber dadurch fühlte ich mich nicht weniger schuldig.
"Ja, ja ist schon gut. Ich glaube wir sollten erstmal eine Pause machen."
"Warte, noch eine Frage. Was ist mit Joshua? Geht es ihm gut?", fragte ich sie.
Sie lächelte verschmitzt und rief dann:"Komm mal rein Joshua und bring unseren Gast zu seinem Zimmer." Der Junge mit dem engelsgleichen Gesicht betrat den Raum. Ich verspürte einen Drang ihn zu drücken und nie wieder loszulassen, aber ich unterdrückte ihn. Jedoch schlich sich dafür ein Grinsen auf mein Gesicht.
"Da freut sich aber jemand." Ein herausforderndes Lächeln zierte seine Lippen.
"Na und, ich hab im momentan nicht sonderlich viel worüber ich mich freuen kann", erklärte ich und sein Lächeln wurde noch breiter, meins genauso. Ich stand von meinem Stuhl auf und ging auf ihn zu.
"Bis bald, Odette", ich winkte ihr zu und ging mit Joshua aus dem Raum. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er schien unsicher zu sein, ich musste schmunzeln.
"Was machen wir jetzt?", fragte ich ihn.
"Ehm, du bist sicher müde. Soll ich dir erstmal dein Zimmer zeigen?", schlug er vor.
Ich schüttelte Kopf:"Nein, nein, ich will jetzt eigentlich nicht alleine sein oder doch? Ich weiß nicht, aber müde bin ich nicht."
Er lachte und dann schüttelte er den Kopf:"dich muss man nicht verstehen oder, Prinzessin? Wie wäre es wenn ich dir unser Gelände hier zeige?" Da war er wieder, mein Spitzname, der nun gar nicht mehr so abgeneigt ausgesprochen wurde.
"Gute Idee", meinte ich.
"Oh warte noch kurz, vielleicht solltest du dich erst umziehen und ein bisschen frisch machen", meinte er, während er mich von oben bis unten musterte. Ich blickte an mir herunter, meine Strumpfhose war zerrissen, an meinen Kleidern klebte Dreck und... War das Blut? Wo kam das Blut her? Ich tastete meine Haut nach Verletzungen ab, aber ich fand nichts.
"Gute Idee, also als erstes zu den Waschräumen?"
"Genau zu den "Badezimmern", falls du es so nennen willst auch Waschräume", er grinste. Woher sollte ich denn bitte wissen, ob es hier richtige Badezimmer gab? Er ging den Flur rechts hinunter und ich folgte ihm. Dann begleitete er mich in einen Raum mit lauter Spinden.
"Welche Größe hast du?", fragte er mich. Meinte er meine Kleidergröße? Ich musste zugeben, die wusste ich nicht einmal.
"Ich, also... Äh. Ich weiß es nicht", sprach ich es dann aus.
"Mmh... Ich würde dich auf eine 34 schätzen", murmelte er, während er mich musterte mit gerunzelter Stirn. "Gib mir mal deinen Schuh", wies er mich an. Ich streifte meinen linken Stiefel ab und reichte ihn ihm. "Ungefähr eine 36, vielleicht auch 37, aber die sind noch gut, du kannst die erstmal weiter tragen." Dann ging er auf einen der Spinde zu und nahm ein paar Klamotten heraus. "Die kannst du anziehen und damit kannst du mich erreichen, auch Odettes und Heathers Nummern sind eingespeichert. Klingel mich einfach an, wenn du fertig bist. Hier hast du einen Schlüssel für Bad a6. Steht ganz groß dran. Und dann sehen wir uns wieder wenn du fertig bist. Ach ja, behalte die Uhr bitte immer um, damit du im Notfall jemanden erreichen kannst. Sie ist auch wasserfest", erklärte er mir während er mir Sachen zum Anziehen, einen Schlüssel und eine Uhr reichte. Die Uhr war eher ein Armband als eine Uhr. Ein dünnes goldenes Kettchen, hielt ein dünnes Display, dass die Uhr darstellte. Sie sah ganz anders aus, als die Uhr bei den Aufgaben, aber sie waren sich beide ähnlich. Das Bändchen schlang sich um mein linkes Handgelenk und verschloss sich von selbst in perfekter Länge um mein Handgelenk. "Das ist der neuste Stand der Technik. Mein Modell ist viel älter, aber du brauchst eins, das hübscher aussieht und ein paar technische Spielereien hat. Also klingel mich an, wenn du fertig bist", meinte Joshua und ging aus dem Raum.
Ich ging durch die gegenüberliegende Tür und suchte das Bad a6. Es war die dritte Tür rechts. Als ich gerade den Schlüssel in das Schloss steckte, trat ein Mädchen aus einem der anderen Bäder. "Wer bist du denn?", fragte sie. Sie hatte kräftige rote Haare, es war nicht das orangerot von Mark, sondern viel roter, war etwas größer als ich, aber nur ein wenig und somit wohl auch unter dem Durchschnitt, blaue Augen, viele Sommersprossen und eine Stupsnase. Ich fand sie ziemlich hübsch.
"Äh...", sie schien mich nicht zu erkennen, aber in der Halle hatten mich alle so feindselig angestarrt, dass es nicht lange dauern könnte, dass sie mich auch hassen würde. Spätestens wenn sie meinen Namen hörte. Aber was soll's? Sie wird es eh irgendwann erfahren. Ich ließ den Schlüssel in der Tür stecken, hielt meine Kleider in der linken Hand und streckte ihr mit einem Lächeln die Hand hin, auch wenn sie es nicht annehmen würde. Ich meinte freundlich:"Ich bin Harmonia Ronald, schön dich kennen zu lernen."
Sie verlor kurz die Fassung, aber lächelte dann auch und nahm meine Hand an. "Ich bin Mona. Ich kann es nicht fassen, dass ich dich mal treffe. Odette hat mir viel von dir erzählt. Sie haben es wirklich geschafft dich herzubringen, schade dass es nur kurz ist, aber soll ich dir was sagen? Ich komme auch mit aus dem Land, wenn du willst können wir uns ja dann zusammen schließen. "Bund der... Äh... Unterschätzten Mädchen" oder so was. Ich bin sicher wir werden uns super verstehen. Meine Mutter ist nämlich, Chloe Shields, sie ist die Leiterin, der Untergrund-Medien-Bewegung und steht zusammen mit Odette, Joshuas und Heathers Eltern und dem Sicherheits- und Kriegschef, von dem ich immer den Namen vergesse, ganz an der Spitze. Es ist total unfair, dass Heather und Joshua hier bleiben dürfen und wir nicht", ich kam fast nicht dazu ihren Redefluss zu unterbrechen.
"Du hasst mich nicht?", fragte ich sie irritiert, sie meinte sogar wir könnten Freunde werden. Doch ich würde ganz bestimmt nicht das Land verlassen, aber das wollte ich ihr noch nicht sagen.
"Nein, wieso sollte ich?", meinte sie genau so irritiert wie ich.
"Als ich ankam, hatte es den Anschein, dass mich alle hier hassen", erklärte ich ehrlich.
Mona schien Einsicht zu zeigen. "Oh, das tut mir leid für dich, durch Odettes Erzählungen, hatte ich ganz vergessen, dass du ja auch sozusagen die Prinzessin bist. Ich bin ein echter Hinterwäldler, ich bin mitten im Wald aufgewachsen bei meinem Vater und hab nichts mitgekriegt. Ich hab völlig hinterm Mond gelebt." Ich musste schmunzeln, ich verstand sie gut. Auch ich war ja hinter den Schlossmauern ziemlich isoliert gewesen und dann war ich dieses Jahr ins kalte Wasser geworfen worden und war völlig davon überwältigt, dass alle so viel über mich wussten. "Ich weiß was du meinst, aber ich muss jetzt mich frisch machen gehen. Man sieht sich", meine ich.
Als ich mich schon wieder dem Schlüssel zuwendete, rief sie mir noch zu:" Warte noch kurz. Ich gebe dir noch meine Nummer, dann können wir uns vielleicht bald treffen."
"Ich hab leider noch gar keine Ahnung, wie das Ding funktioniert. Ich hatte es noch nicht mal an", erklärte ich ihr.
"Schließ mal das Bad auf, dann kannst du deine Klamotten ablegen und ich mache dir das schnell." Ich schloss die Tür auf. Ich hätte nie gedacht hier so ein Bad vor zu finden, okay es war jetzt kein purer Luxus, aber es war alles sauber, ein paar Verzierungen an den Wänden, auf den Schränken standen Pflanzen und frische vanillefarbene Handtücher lagen bereit, sogar waren in der Dusche einige Spielereien, so dass die Frage nach dem Shampoo schon einmal geklärt war. Ich legte meine Klamotten auf dem Wannenrand ab.
"Okay, dann zeig mal her", forderte ich sie auf.
"Also du drückst diesen Knopf, dann wählst du das hier aus und... Oh, sieh nur, ich bin schon eingespeichert, Mona Shields. Na dann bis bald", verabschiedete sich. Ich hatte überhaupt nicht verstanden was sie mir da gerade gezeigt hatte, denn ihre Finger waren viel zu schnell über den Bildschirm gehuscht.
Ich ging zur Tür, zog den Schlüssel ab und schloss dann von innen ab. Ich überlegte kurz, ob ich baden oder duschen sollte, entschied mich dann aber für die Dusche, weil ich Joshua nicht ewig warten lassen wollte. Also streifte ich meine Klamotten ab und besah mich erst einmal noch im Spiegel, ich musste wissen woher das Blut kam. Ich hatte viele Blaueflecken, aber nichts dramatisches. Doch dann sah ich es, das Blut kam einfach nur von einem aufgeschrabten Knie und Ellenbogen. Mein Blick fiel auf meine Wade. Ich erblickte die feinen hellen, dickeren Hautstellen, die sich am Narben identifizieren ließen. Eine panische Angst überkam mich, als ich daran zurück dachte, dieses Gefühl zu ersticken überkam mich von neuem und ich keuchte auf. Dann erinnerte ich mich an die Zeit danach, Joshua und Mark hatten sich so nett um mich gekümmert. Mark... Unser beinahe Kuss... Die Abneigung, nein, Abstoßung von letztens, die mir mein Herz zerrissen hatte, aber ich steckte es dafür erstaunlich gut weg. Ich blickte in meine Augen, in ihnen hatten sich Tränen gebildet, aber jetzt schüttelte ich sie ab und mein Blick verschloss sich. Mir fiel auf, dass ich ganz schön dünn war, meine Rippen zeichneten sich schon ab und meine Wangen waren eingefallen. Ich sollte mehr essen. Auch kurz unter meiner Brust entdeckte ich eine kleine Narbe. Die Ereignisse von damals waren irgendwie unscharf und verschleiert, doch da war dieser Junge und Heather, ein Messer, ein perfekter Wurf und mein Tod. Ich weiß kaum noch etwas von diesem Ereignis, nur das Heather und ich uns seit dem nicht mehr gesehen hatten und wir uns dort wirklich gut verstanden hatten, aber vielleicht lag das auch nur an ihrem gestörten Verhalten von damals. Wenigstens wusste ich jetzt in welchen Jungen sie verliebt war, dem Jungen, der mich für sie umgebracht hatte. Wenigstens konnte ich ihr jetzt sagen, dass er sie auch mochte, wenn sie sich nicht ganz sicher war, aber zu diesem Gespräch würde es zwischen uns beiden wohl nie wieder kommen.
Ich stieg in die Dusche und stellte den Regler auf leichten Sommerregen, wählte danach irgendein Duschgel und Shampoo aus und musste den Duschstrahl etwas stärker einstellen, als ich fertig war verzichtete ich auf das von alleine Trockenföhnen und Band mir die Haare zu einem geflochtenem Zopf. Ich sah mir die Klamotten an, schwarze Hose, enganliegender schwarzer Pulli und Unterwäsche. Ich wollte meine alten Klamotten gerade in den Wäschetrog räumen, da fiel mir der Taschenspiegel herunter, den ich abgenommen hatte. Schnell hing ich ihn mir wieder um den Hals, er durfte auf gar keinen Fall verloren gehen. Ich besah mich im Spiegel, ich sah ganz akzeptabel aus, wenn man mal von den Stressauswirkungen auf meinen Körper und Gesicht absah. Zwar passten meine Stiefel nicht wirklich zum Rest meines Outfits, aber es gab schlimmeres, als mein Aussehen. Zum Beispiel, wie sollte ich Odettes Schwester finden und sie töten, wenn ich hier fest saß und mich wohl niemand gehen lassen würde und ich vielleicht sogar aus dem Land verschleppt werden würde? Ich war mir im Klaren, dass ich Odette mit allen Mitteln zu retten versuchen würde.

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Ich hoffe das Kapitel gefällt euch <3
Kommentare, Votes und Leser freuen mich, sowie Follower, Leute die mich anschreiben, Leselistehinzufüger, Coveranfrager und Werbung in euren Büchern. Äh ja, keine Ahnung warum ich das jetzt aufgelistet habe, aber na und? Das freut mich halt (stellt euch jetzt einen Schmollmund Smiley vor und so Glubschaugen, okay nein, das ist gruselig)
Bis bald
Julia

Gezüchtet - Die VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt