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Ich schloss die Tür hinter mir ab und ging den Flur herunter, fummelte an meiner Uhr, ich versuchte mich vergeblich mit der Technik vertraut zu machen. Aus Versehen kam ich auf irgendeinen Knopf und wählte wohl eine Nummer. "Heather Monroe hier. Wer ist da?", kam es aus irgendeinem versteckten Lautsprecher.
"Äh...", sagte ich.
"Hallo?", fragte sie genervt.
Einige Minuten vergingen. "Ich lege jetzt auf. Tschüss auch", murmelte sie verärgert.
"Warte Heather. Hier ist Harmonia. Tut mir leid wenn ich dich gestört habe, aber ich habe keine Ahnung von dieser Technik und ich sollte Joshua anrufen, wenn ich fertig bin und jetzt hab ich keine Ahnung wie ich das machen soll", erklärte ich ihr schnell.
"Ich schick ihn zu dir. Er hätte sich ja denken können, dass du das nicht hin kriegst." Sollte ich das letzte als Beleidigung auffassen? Ich glaube nicht, dass sie es so gemeint hat, eigentlich hat sie das auch eher zu sich selbst gesagt, als zu mir.
"Okay, danke. Man sieht sich bestimmt mal."
"Ja, tschüss Harmonia", erwiderte sie.
"Ach Heather, das in den Aufgaben tut mir leid", ich musste es einfach aussprechen,"Er liebt dich, ganz sicher, sonst hätte er mich nicht, wegen dir erstochen."
"Wer?", fragte sie leicht verwirrt.
"Na den Jungen den du magst. Du hast es mir erzählt", versuchte ich ihr einfach zu erklären.
"Was? Ich...ich...", meinte sie verständnislos. Wieso reagierte sie nur so? Ich glaube sie hatte Angst, dass das ihr den Respekt von anderen ihr gegenüber ändern würde, aber das war sicher nicht so. Sie schüchterte jeden durch ihre besondere Ausstrahlung ein.
"Ist schon gut ich behalte es für mich", wollte ich sie besänftigen. Sie legte einfach so auf. Kopfschüttelnd ging ich in den Raum mit den Spinden. Ich sah wie ein Mädchen mit einem langen dunklem Zopf sich gerade Sachen aus ihrem Spind nahm. Vorsichtig sagte ich:"Hi. Ich bin Harmonia." Langsam richtete sich das Mädchen auf und drehte sich ganz ruhig um, dann sah sie mich mit zusammen gekniffenen Augen an. Ich trat ein paar Schritte zurück. Dann reckte sie den Kopf und stolzierte an mir vorbei, aber nicht ohne mich anzurempeln. Ich stieß gegen einen der Spinde und sah verärgert zu der verschlossenen Tür, durch die sie verschwunden war. Die andere Tür, die zum Flur führte ging auf. Verängstigt sah ich hin.
"Was soll der Blick, Prinzessin?", fragte Joshua mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Nichts, ich hab nur jemanden kennen... getroffen", berichtigte ich ich mich und fuhr fort,"Ich glaube mich mögen die Leute hier nicht sonderlich." Er verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Stirn kraus.
"Nimm sie nicht ernst, nicht alle hier sind so. Ich will dich nicht anlügen, es sind nicht wenige, die dich verurteilen, eigentlich wahrscheinlich die Mehrheit hier, aber es gibt auch Leute, denen klar ist, dass auch du nur ein Opfer des Herrschers bist. Es gibt sogar so verrückte Leute, die mit dir befreundet sein wollen." Er lächelte mich schräg an. Er hatte nicht "deines Vaters" gesagt, das fiel mir ganz besonders auf.
"Na danke auch", meinte ich ironisch. "Ich weiß, ich hab schon Mona kennengelernt. Sie war wirklich freundlich."
"Oh ja, unser kleiner Wasserfall hat sich schon auf dich gefreut, seit sie davon erfahren hat, dass wir dich entführen wollen", murmelte er.
"Wasserfall?", fragte ich verwirrt.
"Sie redet wie ein Wasserfall, deshalb nenne ich sie gerne so", erklärt er.
"Stimmt das tut sie. Wo gehen wir jetzt hin?"
"In die Küche, es gibt bald Essen. Du siehst übrigens gut aus." Ich wurde rot. Das war doch nicht sein ernst?
"Na los, auf auf", meinte er und hielt mir die Tür auf, schnell schlüpfte ich hindurch. Dann lief ich langsam hinter ihm her. Ich versuchte mir den Weg ganz genau einzuprägen, aber das musste ich gar nicht, alles bestand nur aus einem Gang. "Also die Tür da rechts führt zur Turnhalle, der schmale Gang da links führt zu den Zimmern und die Tür geradeaus führt in die Küche, die daneben in den Essensraum, hinter uns liegen nur Büroräume und Beratungsräume und so was, ach ja neben Odettes Büro liegt das Klassenzimmer." Ich versuchte mich zu orientieren. Irgendwie war das alles kleiner als ich dachte, in diesem Bereich gab es nur wenige Türen, die meisten lagen im Gang links neben mir, weil dort wohl ziemlich viele Schlafzimmer lagen und die anderen Räume eher größer waren. Eigentlich war es gar nicht so schwer zu merken. "Ach ja, wenn du zu Odette willst, ruf sie vorher an, weil sie erstens viel zutun hat und zweitens, weil ihr Büro ein Fahrstuhl ist, nur von dort kommt man hier rein oder raus", fügte er an. "Interessant", murmelte ich nur.
Wir betraten die Küche, es war eine etwas größere Kantineküche. Mit matten, silbernen Metall Schränken und Tischen, drei Waschbecken, zwei Kochplatten, zwei Ofen und vielen anderen Geräten, die ich nicht erkannte, da ich eigentlich fast nie in einer Küche war. "Eigentlich ist das ganze Zeug hier einwenig überflüssig, wir kriegen immer Essen mit dem Speiseaufzug hochgeliefert und müssen es schlimmstenfalls nur noch auf den Herd oder in die Mikrowelle stellen", redete er weiter. Hier wurde also fast nie gekocht. "Eigenartig, sonst bin ich immer fast letzter und jetzt sind wir erster, das muss dein guter Einfluss sein." Ich sagte nichts, wie schon die ganze Zeit. Joshua war viel offener zu mir seit ich aus diesem Bad gekommen war. Man hörte fast keine Ironie in seiner Stimme, die sonst immer gegenwertig war. Er öffnete die Tür des kleinen Aufzuges und holte zwei Tablettes heraus. "Mmh, lecker Lasagne", murmelt er und sog den Duft des Essens ein. Er holte zwei Teller raus und Besteck, dann schnitt er uns jeweils ein Stück aus und reichte mir den Teller. "Hier wohnen nur die "jungen Leute" unserer Organisation, also die Dreizehn- bis Einundzwanzigjährigen", sagte er und ging durch eine weitere Tür in das Esszimmer. Es war ein runder großer Tisch mit ungefähr zwanzig Stühlen. Er setzte sich hinten in die Ecke und ich lies mich neben ihn fallen.
"Wir sind unterirdische oder?", fragte ich, während ich ein stück meiner Lasagne schnitt.
Er nickte. "Auf der Oberfläche sind nur die Räume für die Fahrzeuge und dieser große ungemütliche Versamlungsraum", erwiderte er. Mit dem Raum meinte er wohl die Halle, durch die ich rein gekommen war, in der mich alle so feindselig angestarrt hatten. Ich nickte nur.
"Hey!", rief jemand und ich zuckte zusammen und verschluckte mich. Ein starker Hustenanfall folgte. Noch im husten blickte ich auf. Mona stand erschrocken auf der anderen Seite des Tisches. Ich nahm einen Schluck aus der Flasche, die mir Joshua hin hielt. "Gehts wieder?", fragte er mich übertrieben sorgenvoll. Ich nickte wieder.
"Oh Mann, entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken", meinte Mona und ließ sich auf den Platz neben mir fallen.
"Ist schon okay, ich hab mich nur verschluckt", meinte ich en wenig mürrisch und wand mich wieder meinem Essen zu. Niemand fing ein Gespräch an, nach meiner Reaktion. Nach und nach tauchten weitere Jugendliche auf die meisten beäugten mich misstrauisch und feindselige, andere ignorierten mich und der kleinste Teil hob grüsend die Hand und lächelte mir zu. Als ich fertig mit essen war meinte ich:"Ich möchte jetzt bitte in mein Zimmer." Joshua wollte schon aufstehen, doch Mona war schneller. "Ich mach das, du wolltest doch noch was mit Heather erledigen. Wo ist die überhaupt? Naja auch egal. Bis nachher." Sie nahm mich an der Hand und wir schlängelten uns durch die Jugendlichen.
Wir bogen in den schmalen Gang ein, der nun rechts, statt links neben uns lag. Nach der dritten Tür blieb sie stehen. "Das ist deins", sie deutete auf deie Tür rechts neben uns, auf der eine siebzehn geschrieben stand,"Und das, ist meins", sie deutete auf die Tür gegenüber mit einer Fünf. dann hielt sie mir meine Tür auf. "Oh Mann, ist die schwer. Jetzt mach schon ich kann die nicht ewig festhalten. Bis später", sagte sie, ließ die Tür fallen, ich fing sie auf, sie war wirklich schwer und Mona verschwand in ihr Zimmer. Vorsichtig trat ich durch die Tür.
Der Raum sah ohne Fenster ziemlich kalt aus, an der linken hinteren Ecke stand ein einfaches Bett mit einem kleinen Nachttischchen, auf der rechten Seite stand ein schreibtisch und ein Schrank, zu meiner Freude stand vor dem Bett, gleich hinter der Tür, noch ein Bücherregal, das hatte sicher Odettte veranlasst. Der Raum war zwar ziemlich unpersönlich und hatte rein gar keine Deko und auch kein Fenster, aber ich fühlte mich trotzdem halbwegs wohl. Es war wenigstens kein Krankenzimmer. Ich ging zu dem Schreibtisch, bis auf eine Stehlampe, ein paar Blätter und Stifte war er leer. Ich ließ mich auf den Stuhl davor fallen und zog aus reiner Langeweile die erste Schublade auf und erblickte zu meiner überraschung das Alice im Wunderland Buch, dass eigentlich noch in der Kutsche liegen müsste, denn ich hatte bei dem Überfall an alles andere gedacht, nur nicht an das, aber es war das gleiche Exemplar. Vorsichtig nahm ich es heraus, als würde es gleich zerfallen. Dann hörte ich ein klacken der Tür, ließ es erschrocken auf den Boden fallen und drehte mich zur Tür um.
Ich sprang auf und ging auf sie zu und drückte die Klinke herunter, abgeschlossen. "Hey! Macht die Tür auf", schrie ich, doch nichts regte sich hinter der Tür. Langsam drehte ich mich wieder dem Raum zu, es kam mir vor als wäre er geschrumpft. Ich wünschte mir nur noch hier rauszukommen und kriegte totale Panik. Ich war hier eingeschlossen, vielleicht für immer. Ich schluchzte panisch auf. Eigentlich hatte ich nie klaustrophobische Anfälle gehabt, aber nun traf es mich mit einem Schlag und ich musste einfach an alles denken, dass mir hier unten zustoßen könnte. Ich war schon lange, die Tür hinunter, auf die Knie gesunken. Irgendwann schüttelte ich den Kopf und sagte mir:"Was machst du hier Harmonia? Reiß dich verdammt nochmal zusammen!" Ich stand auf und atmete ruhig ein und aus, um mich zu beruhigen. Dann blendete ich einfach alles aus, schnappte mir ein Buch, ließ mich aufs Bett fallen und ignorierte jegliches klaustrophobisches Gefühl, nach einiger Zeit war ich ganz in das Buch versunken und so ging mein Plan auf.
Nach einiger Zeit, ich hatte vielleicht fünfzig Seiten gelesen, roch ich etwas unangenehm beißendes. Ich kannte den Geruch nur zu gut, es war der Geruch von Rauch. Ich blickte zur Tür, wie Schatten krochen die Rauchwolken durch meinen Türschlitz. Plötzlich spürte ich auch diese unangenehme Hitze, die von der Tür ausging. Ich öffnete meinen Schrank und nahm das erst beste T-Shirt, das ich fand und hielt es mir vor den Mund, um mich vor den giftigen Dämpfen und Gasen zu schützen. Mit ausgestreckter Hand und geschlossenen Augen tastete ich nach dem Türgriff und drückte ihn erneut nach unten. Sie war immer noch verschlossen. Ich war schon wieder in einer Situation ohne Ausweg, dem Tode nahe.

Gezüchtet - Die VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt