*~18~*

501 60 10
                                    

Wir fuhren jetzt schon geschlagene zwei Stunden. Vor einer war Ben bei einem benachbartem Nachbarn angehalten und hatte darum gebeten, dass er vielleicht mal nach den Feldern sah. Ich war im Auto geblieben mit Sissi, sonst hätte mich der Bauer wohlmöglich noch erkannt.
"Mach dich bereit, wir sind gleich in Brookeswill", sagte Benjamin nun nach hinten.
Ich nickte und versuchte mir ungeschickt ein Tuch um den Kopf zu wickeln, durch das man nicht erkannte, wer ich war. Es war auch nicht komisch, dass ich eins trug, denn es war ja draußen noch sehr kalt und ein paar ärmere Menschen trugen ähnliche zum Schutt gegen den Wind. Sissi half mir schnell. Ich sah in den Spiegel, um zu gucken, ob man mich auch wirklich nicht so schnell erkannte.
"Deine Augen sind noch viel zu markant, die fallen doch jedem auf...", meinte sie nun niedergeschlagen. Sie hatte recht. Meine Augen schienen einem gerade zu entgegen zu strahlen, gerade in dieser grauen Winterlandschaft.
"Haben wir eine Sonnenbrille?", fragte ich deshalb.
"Nein, und selbst wenn, wäre es komisch eine Sonnenbrille zu tragen, bei der Dunkelheit draußen", meinte sie. Da hatte sie recht, wieder einmal.
"Hier", der Mann warf uns etwas nach hinten.
"Was ist das?", fragte Sissi staunend.
Ich klappte die Schachtel auf. "Kontaktlinsen", stellte ich fest.
Odette trug manchmal welche, aber keine farbigen so wie diese hier, sondern welche, die ihre Augen verbesserten. Ich hatte noch nie welche getragen. In meinem Kleiderschrank hatte ich welche in grellem Pink, strahlendem Blau, sonnigem Orange und noch vielen anderen Farben, jedoch hatte Odette mir nie welche mit rausgelegt, weil sie meinte, sie liebe meine Augenfarbe.
Ich hatte irgendwie Angst, sie in meine Augen einzusetzen, doch dann tat ich es einfach. Es fühlte sich komisch an, aber nach einer Zeit ging es. Ich sah in den Spiegel. Jetzt waren meine Augen grau.
Es gab noch Flüssigkeiten mit denen man Augen einfärben könnte, doch diese waren oft von niedriger Qualität und wenn man jemandem direkt in die Augen sah, erkannte man sofort, dass die Augenfarbe falsch war. Bei Kontaktlinsen fiel es fast gar nicht auf.
"Graue Augen sehen an dir auch echt super aus", sagte das Mädchen neben mir.
Ich wurde rot und lächelte auch ein wenig. "Was wollen wir eigentlich in Brookeswill?", fragte ich den Mann am Steuer.
"Wir müssen ein paar Lebensmittel einkaufen, wie Salz und Zucker und dann muss ich noch mit jemandem persönlich reden", erklärte er.
"Können wir auch etwas süßes kaufen? Schokoladen?", bettelte die kleine nun ein wenig.
Benjamin verdrehte die Augen. "Mal sehen."
Sissi rieb sich die Hände, anscheinend war sie sich ihrem Sieg sicher.
Ich starrte wieder aus dem Fenster und versuchte nicht über Mark nachzudenken. Was war eigentlich mit Odette passiert? Ich wusste, dass irgendetwas mit ihr gewesen war... Fragte sich nur was.
Ich hörte das Dröhnen eines Hubschraubers über uns. Ob sie mich noch immer so intensiv suchten? Wieso gab sich mein Vater eigentlich solche Mühe damit, mich zu finden? Er konnte mich doch nichtmal leiden, oder etwa doch?
Schlag es dir aus dem Kopf, Harmonia! Er denkt nur an sich und seine Machtverhältnisse! Ermahnte ich mich.
Doch nun durchzuckte mich wieder der Gedanke an Mark. Irgendwie hatte ich noch nicht realisiert, dass er wirklich weg war, tot. Es war wie bei all der anderen Zeiten, die wir getrennt gewesen waren. Als ob, wir einfach irgendwann einfach wieder zueinander fanden. Und da ich mir nicht erlaubte zu weinen, würde das wohl immer so bleiben. Ich würde es wohl nie realisieren.
"Siehst du? Das ist Brookesvill", unterbrach Sissi nun meine Gedanken und zeigte aus dem Fenster.
Ich sah hinaus. Dort war eine Skyline. Viel kleiner, als die der Hauptstadt, aber dann waren da die Schienen. Sie schlängelten sich um die Wolkenkratzer. An ihnen hingen Züge, die an manchen Stockwerken an Bahnhöfen hielten, die dafür eingelassen waren. Von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer zogen sich riesige Brücken, über die Fußgänger liefen. Am Boden der Stadt war fast nichts los, denn dort liefen Kanäle entlang. Manchmal waren es nur schmale Streifen, doch oft nahmen sie auch die gesamte Straße ein.
"Jetzt müssen wir aussteigen", sagte Ben während er das Auto von der Straße herunter fuhr, die hier sowieso endete und das Auto einfach abstellte.
Ich kletterte nach draußen. Mir tat immer noch jeder Muskel weh, aber ich streckte mich dennoch ein wenig. Auch meine Füße waren ein wenig aufgescheuert von den viel zu großen Schuhen und taten vom langen, eiskalten Marsch weh. Für mich klang es gar nicht verlockend, bis zur Stadt zu laufen.
Sissi hakte sich bei mir unter. "Das schaffst du schon. Ich helf dir." Sie hatte wohl meinen besorgten Blick bemerkt.
"Ich muss wohl", meinte ich achselzuckend.
Wir gingen los in Richtung Stadt.

Gezüchtet - Die VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt