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Der Raum in den ich getragen wurde, war mit beängstigenden Geräten ausgestattet, an einer Wand stand ein Schrank mit gefüllten Reagenzgläsern. Eine Liege aus Metall stand in der Mitte des Raums, mit ledernde Gurte, mit denen man sein Opfer festschnallen konnte. Mit Angst geweiteten Augen und Panik, die mir in den Gliedern steckte, wurde ich der Liege immer näher gebracht. Unsanft ließ man mich auf die Liege gleiten, ich schlug hart auf und würde wohl ein paar blaue Flecke haben. Ich sah erschrocken um mich. Was hatte man nur mit mir vor?
"Schauen Sie mich bitte nicht wie ein verletztes Reh an. Wir wissen beide, dass Sie der Untersuchung nicht entfliehen können", sagte er und drückte mich dann sanft herunter auf die Liege. Ich sah ihm mitten in die Augen, doch ich konnte rein gar nichts in ihnen lesen. Er war völlig emotionslos. Ich schloss die Augen und atmete einmal tief durch, dann ließ ich alles locker und legte mich vernünftig hin. Tom schnallte mich fest und ich versuchte abzuschalten, doch die Angst holte mich immer wieder ein. Wieder hörte ich einen Schrei auf dem Flur, wieder erkannte ich ihn als Marks Schrei. Mein Arzt ließ sich kurz ablenken, dann sagte er zu dem Wachmann:"Sehen Sie nach, was da los ist." Ich sah wie dieser nickte und auf den Flur verschwand und die Tür hinter sich schloss. Tom setzte seine Arbeit fort. Er ging zu einer Apparatur hinter ihm, es war eine Art Haube. Er setzte sie mir auf und zog Schrauben an meinem Kopf fest. Ein unangenehmer Druck breitete sich über meinen gesamten Kopf aus. Ich verzog mein Gesicht. "Glaub mir, es wird noch viel schlimmer." Meine Nägel trommelten unruhig auf dem Metall unter mir. Eine einsame Träne ran mir das Gesicht herunter. Mein Gesicht wandte sich noch einmal verzweifelt zur Tür, dahinter wäre ich der Freiheit einem Stück näher. Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich sah wie jemand in den Raum herein stürmte.
Er schrie:"Ich sage doch, ich kenne sie! Ich liebe sie! Ich Lüge nicht!" Mark... Er war hier... Trotz der Erschütterung rannen mir Freudentränen über die Wange. Nein, das war doch nicht gut. Dass er hier war, das war schrecklich und was er das letzte Mal gesagt hatte. Sein Blick wanderte zu mir. Er sah erschrocken aus. "Mister Werring, bitte gehen Sie zurück auf Ihr Zimmer. Bevor wir Sie dazu zwingen müssen", forderte mein Arzt ihn ganz ruhig und gesittet auf.
"Erst lassen, Sie sie gehen. Hören Sie? Lassen Sie sie gehen!", schrie er mit Tränen in den Augen. Der Wachmann zerrte ihn aus dem Raum. Ich wollte ihm etwas hinterher schreien, doch ich wusste nicht was und mein Mund war schon wieder gelähmt. Auch er war hier. Das hieß, man wollte mich wirklich nur manipulieren, denn ich wusste, er hatte mich gemeint, wir hatten uns geliebt, nein, ich liebte ihn immer noch. Oder nicht?
"Sie wollen mich nur manipulieren, ich sage wirklich die Wahrheit", meinte ich atemlos, meine Stimme hatte er mir zurückgegeben.
"Ich glaube, das kann ich nicht mehr verleugnen. Sie haben es wirklich schnell herausgefunden. Nichtsdestotrotz werden Sie am Ende der Behandlung nicht mehr darunter leiden. Danach werden Sie frei sein."
Ich stieß ein hohes Lachen aus, hier nach würde ich alles andere als frei sein.
"Jetzt beruhigen Sie sich wieder und lassen Sie uns beginnen", er nahm, während er das sagte, noch einige Änderungen, an meinem 'Helm' vor. Ich hielt mich ganz an der Erinnerung an Mark fest. Sein verwirrter Blick, seine blasse Haut, sein hageres auftreten und der Blick, als er mich ansah. Er schien verunsichert, doch etwas tief in ihm, schien mich zu erkennen und kämpfte sich nach vorne. Ich sank in alte Erinnerungen in der Vorbereitung. All die Zeit, die wir mit einander verbracht hatten.
"Ahhhh!", erschrocken schrie ich auf, ein Feuer war auf meinem, nein in meinem Kopf entfacht worden, der Schmerz ließ mich erzittern, schreien und meine Tränen fließen, ohne, dass ich sie zurück halten konnte. Meine Ohren standen unter unangenehmen, schmerzendem Druck. Ich konnte meine Schluchzer nicht unterdrücken, aber was sollte das alles nur? Was brachte das? Ich umklammerte mit meinem Geist, die Erinnerung, an das Rebellenversteck, an Odette, Joshua, Heather und Mona. Ich klammerte an ihnen, als hänge mein Leben an ihr. Plötzlich hörte es auf und ich ließ mich zurück auf die harte Liege sinken. Meine angespannten Glieder entspannten sich, aber der Druck auf meinen Ohren hörte nicht auf. Plötzlich hörte ich ganz leise ein Flüstern. Ich verstand es kaum, aber es wurde immer lauter und klarer. Nun verstand ich es klar und deutlich, es sagten:"Es gibt keine Rebellen, alles ist gut, alles ist gut, alles ist gut..." Sie flüsterten es immer weiter, es wuchs zu einem leichten Singsang an. Ich wollte, meine Ohren zu halten, doch die Gurte hielten mich fest und selbst wenn, es hätte bestimmt nichts gebracht. Ich dachte nun nur noch an diese Worte, alles ist gut, es gab keine Rebellen, alles ist gut. Ich trat in eine Art Trance und fand mich irgendwann in einem kahlen Zimmer wieder. Ich schlief dort ein, den Singsang immer weiter vor mich hin flüsternd.

~~*~~

Jemand schrie, verwirrt blickte ich mich um und schreckte einige Meter zurück. Vor mir standen drei große Raubkatzen. Ein Panter hatte sich mit seinen Vorderpfoten, auf die Brust eines Tigers gestellt, ein Löwe umrundete wachsam das Geschehen, sie beachteten mich nicht. Der Panter fauchte den Tiger an und blickte dann auf, der Tiger wimmerte leise. Der Blick des Panters richtete sich nun auf den Löwen und sie fletschten beide drohend die Zähne. Dann schien der Panter den Kopf zu schütteln und nahm die Pfoten von dem am Boden Liegenden. Blitzschnell hob er dann den Kopf und sah mich an. Mit einem Satz landete er auf mir und grub seine Finger in meine Brust, ich schrie auf, doch der Löwe war schon zur Stelle und stürzte sich auf meinen Angreifer. Ich kroch ganz weit von ihnen weg. Sie kämpften mit einander, bissen, kratzten und fauchten, wie wild. Der Tiger lag, geschwächte und zusammengekrümmt auf dem Boden. Plötzlich tauchte ein Spiegel hinter den kämpfenden auf. Ich blickte mir in meine Augen, meine grünen Augen, entlang an meinem weißen pelzigen Körper, ich war ein weißer Wolf. Ich wandte meinen Blick wieder zurück zu dem echten Geschehen und jaulte auf. Sie alle hatten sich nun in Menschen verwandelt. Nur ich war noch ein Wolf. Ich erkannte sie. Zusammen gekrümmt auf dem Boden lag Mark, und die beiden Kämpfenden waren Joshua und Tom Williams. Noch einmal schlug Joshua ordentlich zu und Tom ging zu Boden. Nun blickte er mich mit seinem Blut überströmten Gesicht an, direkt in die Augen. "Siehst du Harmonia, es gibt uns noch", sagte er mit seltsam verzerrter Stimme, als wüsste ich nicht mehr, wie sie sich anhörte. Er hatte recht. Es fiel mir wieder ein: Es gab Rebellen und deswegen war alles gut. Die Szene verschwamm vor meinen Augen.

~~*~~

Schweiß gebadet schreckte ich aus diesem Traum. Ich erinnerte mich noch glasklar an jedes Detail. Mein Unterbewusstsein hatte mich an die Wahrheit erinnert, doch eins erschreckte mich, ich hatte mich nicht an Joshuas Stimme erinnern können. Selbst jetzt, wenn ich versuchte sie mir ins Gedächtnis zu rufen, gelang es mir nicht. Sie war nicht mehr greifbar. Ich kletterte aus diesem Bett. Außer ihm stand nur noch ein Kleiderschrank in der Ecke und eine Deckenlampe, war so angebracht, dass ich sie nicht erreichen konnte. Als ich aufstand, hörte ich, wie ein Alarm draußen los ging. Schon nach ein paar Minuten stürmte mein Arzt Tom Williams in mein Zimmer und man brachte mich schon wieder aus dem Raum. Wieder verabreichte man mir irgendetwas.
"Das ist Wahrheitsserum. Es zwingt sie nicht die Wahrheit zu sagen, es verhindert nur, dass sie Lügen", erklärte er mir. Ich runzelte die Stirn, war das nicht genau das gleiche? "Nun möchte ich Sie etwas fragen: Wissen Sie irgendetwas über Rebellen?"
Ich sah ihn erschrocken an und tat so, als würde er mich in richtige Panik versetzen, als wüsste ich nichts. Er durfte nicht erfahren, dass ich es nicht vergessen hatte, wie sie es wollte. Also fragte ich erschrocken:"Es gibt Rebellen?!"
Er sah mich entschlossen und mit ruhigem Blick an. "Das frage ich Sie Harmonia, wissen Sie etwas über Rebellen?"
Ich durft nicht lügen, das würde er heraus finden, also sagte ich etwas das stimmte:" Ich habe von ihnen gelesen."
Er sah mich immer noch ganz genau an. "Das glaube ich Ihnen", sagt er nun lächelnd. Ich lächelte dämlich zurück, doch dann fügte er hinzu:" Aber erlauben Sie mir trotzdem weiter zu fragen. Haben Sie jemals mehr als hundert Rebellen gesehen? Ja oder Nein."
Darauf konnte ich nur die Wahrheit sagen, doch da dachte ich nicht dran, ich bereitete mich auf die best ausgeführteste Lüge ein, die mir je über die Lippen gekommen war. "Nein. Es gibt doch keine Rebellen, unser Land ist sicher", sagte ich und es passierte nichts, ein Gefühl des Triumphes breitete sich in mir aus.
"Wie schön, dann können Sie diesen Teil ihrer Erinnerungen doch sicher loslassen oder?", sagte er mit einem leichten Lächeln.
Ich sah ihn verwirrt an:"Was?"
"Sie sagten doch, dass es keine Rebellen gibt, deshalb können wir jetzt die Erinnerung an diesen Teil ihres Lebens lösche. Weil Sie sich jetzt immer daran erinnern können, wie Sie es selbst gesagt hatten." Nun sah er mich triumphierend an, er hatte ganz genau gewusst, dass ich mich noch ganz genau an die Zeit erinnere. Er hatte es mich bloß von selbst sagen lassen wollen. Ich konnte ihn nicht überlisten, denn er kannte mich besser, als ich mich selbst.

Gezüchtet - Die VeränderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt