Kapitel 64

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In der Dunkelheit konnte ich eine Silhouette erkennen. Ich hielt mir die Hand an die Stirn, um besser sehen zu können. Die Umrisse einer Frau wurden deutlich. Es war Luise in ihrem Pullunder.

Sie lächelte mich sanft an. »Dir geht es gut?«

Ich zögerte. »Ja.«

Mit meinen Sorgen brauchte ich Luise nicht zu belästigen. Sie war alt und es war eine kalte Winternacht. Wir froren beide.

Die Flammen züngelten, der See rauschte, und die nächtlichen Geräusche des Waldes ließen uns in eine düstere Atmosphäre eintauchen. Erst die Polizeisirenen holten uns zurück in die Wirklichkeit. Das blaue Blinken des Polizeiwagens blendete mich, sodass ich mir zuerst die dreckigen Hände vor die Augen halten musste.

Adrians Augen wurden groß, doch sein ständiges Husten hinderte ihn daran, so schnell zu fliehen wie er wollte. An seinen Handflächen klebte frisches Blut, welches er hustend ausspuckte. Ich hielt mich bedeckt, als er keuchend zu laufen begann. Er ruderte mit den Armen, dann taumelte er und fiel schweratmend auf die Knie. Ich verharrte in meiner Bewegung und beobachtete das Schauspiel. Einer der Polizisten lief im Eilschritt auf den röchelnden Adrian zu. »Geben Sie auf, es hat keinen Zweck mehr.«, sagte er und wirkte durch seine Körpergröße sehr bedrohlich.

Aber Adrian kämpfte. Er rappelte sich auf. Der Polizist stürzte sich auf den um sich schlagenden Adrian und presste dessen Hände auf den Rücken. »Ich verhafte Sie hiermit wegen dringenden Tatverdachts zwei Menschen ermordet und eine Minderjährige entführt zu haben.«

Die Sirenen der Feuerwehr heulten auf. Der Polizist legte Adrian Handschellen an. Er führte den Mörder zu dem blaublinkenden Polizeiwagen. Sein Kollege öffnete die hintere Autotür. Vorsichtig drückte der Polizist Adrians Kopf ein wenig herunter und zwängte ihn gekonnt auf den Rücksitz des Autos. Ich blickte mich unbehaglich um. Luise stand noch immer neben mir. Als der große, schlanke Polizist auf uns zusteuerte, lächelte sie warmherzig. Er klopfte sich die Hände ab und lächelte ebenfalls.

»Danke, Schatz, dass du sofort gekommen bist.«, sagte Luise.

Meine Augen weiteten sich. Da fiel Luise dem mittelalten Polizisten auch schon in die Arme.

»Was machst du nur für Sachen ...«, murmelte er. Seine Uniform reflektierte das Licht der Flammen und seine Gesichtszüge entspannten sich langsam wieder.

»Luise, was können wir jetzt tun?«, fragte ich ängstlich.

Die alte Frau löste sich aus der Umarmung und drehte sich zu mir um. »Wir gehen nach Hause.«

»Und das Haus?« Ich drehte mich hilflos zu dem brennenden Haus um.

»Darum kümmern sich Polizei und Feuerwehr« Luise winkte mich zu sich, »Komm, wir machen uns auf den Heimweg.«

Ein wenig verzweifelt blieb ich stehen. Grelle Funken stiegen knisternd in den Nachthimmel auf, Nebelschwaden hingen über dem See. Das Boot dümpelte noch immer am Ufer, so, wie wir es vor einigen Wochen hinterlassen hatten. Das alles schien mittlerweile so weit weg. Ich gab mir einen Ruck, und kehrte dem Feuer den Rücken zu. Luise drückte ihren Sohn noch einmal an sich, danach lief sie an dem Polizeiwagen vorbei. Ich folgte ihr schweigend. Als ich im Gehen einen Blick zum Fenster des Autos riskierte, kniff Adrian seine Lippen fest zusammen. Sein eisiger Blick verfolgte mich noch einige Meter durch den Wald, bis die Motorengeräusche der Hauptstraße lauter, und das Lodern der Flammen leiser wurde.

Es verging noch eine weitere Minute, da rückte die Feuerwehr an. Mehrere Einsatzfahrzeuge bogen mit grellen Lichtern und kreischender Sirene in den Waldweg ein. Ich beobachtete sie, während ich am Wegesrand hinter Luise herlief.

Elena - Dem Bösen so nahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt