Kapitel 13

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Der kalte Nieselregen tropfte auf den Asphalt. Ein paar vereinzelte Blätter in den herbstlichsten Farben wurden vom Wind aufgewirbelt und flogen mir entgegen.

Während ich die Straße überquerte, beobachtete ich, wie sich das Farbenspiel auch am Wegesrand fortsetzte. Kastanien und Eicheln fielen hinunter, rollten über den Kantstein auf die regennasse Straße, wo sie mit einem dumpfen Geräusch aufkamen oder platschend in einer Pfütze landeten.

Ich dachte daran, wie ich früher Kastanien gesammelt hatte. Im Kindergarten hatten wir daraus kleine Männchen gebastelt. Streichhölzer hatten als Arme und Beine gedient, danach hatten wir Gesichter auf die Kastanien malen dürfen. Damals war alles so einfach und unbeschwert gewesen. Man hatte nicht gewusst, dass sich alles irgendwann so stark verändern würde, und wäre das Erwachsenwerden nicht schleichend gekommen, hätte ich es auch nicht verkraftet.

Der Himmel war bewölkt, wodurch er noch dunkler wirkte. Die Dämmerung brach über die Stadt herein. Ich blickte mich um. Wie von selbst war ich mit dem Bus einige Haltestellen zu weit gefahren, bis mich die Busfahrerin darauf hingewiesen hatte, dass diese Linie hier endete. In einem Viertel mit schicken Villen und Bäumen, die die Straßen säumten. Alles erschien mir übertrieben. Imposante Treppenaufgänge mit Löwenköpfen auf den Pfosten, pompöse Gärten mit Buchsbäumen - aufs Feinste zurecht getrimmt - und Autos, die ich schon fast als Limousinen bezeichnen würde.

Ohne nachzudenken steuerte ich auf eine der Villen zu. Sie stand ein wenig abseits und hatte ein elektrisches Tor. Dort klingelte ich, bis sich die Stimme von Jasmins Mutter aus der Gegensprechanlage meldete. Glücklicherweise fragte sie nicht weiter nach, sondern öffnete mir sofort das Tor. Mir war Jasmins Mutter schon immer sympathisch gewesen, ebenso Jasmins Vater, obwohl ich ihn in der letzten Zeit seltener gesehen hatte. Er musste in seinem neuen Job häufiger Überstunden machen, hieß es, sonst könnte er die Kosten für das Haus nicht bezahlen und Jasmins Familie müsste ausziehen. Jasmin schwieg diese Probleme tot, obwohl sie sich in der schwierigsten Phase sogar einen Nebenjob an der Tankstelle gesucht hatte. Dabei war sie sonst eine derjenigen gewesen, die einen Tankstellenmitarbeiter nicht eines Blickes gewürdigt hatten. Sobald es ihren Eltern finanziell besser gegangen war, hatte Jasmin den Job jedoch schnell wieder an den Nagel gehängt.

»Elena« Jasmin trat hinaus auf das Podest mit dem weißen Treppenaufgang. Ringsherum wuchsen im Sommer tiefrote Rosen mit stark duftenden Blüten. Heute sah ich nur blattlose, teils verholzte Stämme mit spitzen Dornen.

»Wir müssen reden, Jasmin. Kannst du runterkommen?« Man hörte mir meine Erschöpfung an.

Ich konnte nicht ertragen, dieses beschwerende Gefühl zu haben, zerstritten zu sein. Es erdrückte mich und nahm mir die Luft zum Atmen.

Jasmin ging die Treppenstufen hinunter. Ihr Kleid flatterte im aufkommenden Wind, ebenso ihre honigblonden Haare, und wären die kahlen Bäume nicht gewesen, hätte ich augenblicklich gedacht, es wäre schon Frühjahr.

»Geht es dir gut?«, fragte ich. Noch nie war mir so unwohl bei einem Gespräch mit meiner besten Freundin gewesen.

Jasmin reckte ihr Kinn. »Alles ist super. Wieso fragst du mich das?«

»Ich habe mir Sorgen gemacht, weil es mir so vorkam, als hätten wir uns ... ziemlich heftig gestritten.«, gab ich ehrlich zu.

»Wieso kam es dir so vor?« Sie kniff ihre Lippen zusammen, »Bestehen denn Zweifel daran, dass wir uns gestritten haben könnten?«

Es war, als hätte mir Jasmin eine schallende Ohrfeige verpasst. Vor meinen Augen blitzten Sterne und mir wurde schlagartig schwindelig. »Ich habe nicht bemerkt, dass es einen triftigen Grund gab, sich zu streiten. Es war vielleicht eher eine Meinungsverschiedenheit, also habe ich mich gefragt, weshalb du mich ignorierst.«

Elena - Dem Bösen so nahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt