Blut. Überall war hellrotes Blut. Es bahnte sich seinen Weg über die Dielen, es klebte an der Kommode neben der Tür und zierte die verblichenen Wände. Mir war schlecht. Ich rang um Luft. Immer wieder versuchte ich, den Sauerstoff in meine Lunge zu pumpen, doch ich war wie gelähmt. Die Umgebung verschwamm immer und immer wieder. Dunkle Schlieren tauchten vor meinen Augen auf.
Adrian lehnte an dem Türrahmen, in dem Nick zuvor gestanden hatte. Sein weißes Hemd war von Blut bespritzt, als befänden wir uns in einem Schlachthaus. Jasmin sank auf die Knie. Der Aufprall ihres Körpers auf dem Boden war dumpf und kräftig, sodass ich dachte, ihn unter meinen Schuhsohlen spüren zu können.
Mit ihrer rechten Hand tastete Jasmin nach dem Gegenstand, der tief in ihrem Fleisch, irgendwo zwischen dem Herzen und dem Bauch steckte. Sie stieß in unregelmäßigen Zügen ein leises Röcheln aus. Der Griff des Messers war blutverschmiert, und Jasmin packte ihn, als wollte sie das Messer gewaltvoll aus ihrem zierlichen Körper herausziehen. Ihre trüben Augen waren weit aufgerissen, die pinkfarbene Lippen waren leicht geöffnet, als wir ihren rasselnden Atem ein letztes Mal hörten. Sie sackte gegen den Türrahmen, direkt vor Nicks Füße, in ihre eigene Blutlache. Ihr Kopf prallte voller Wucht gegen die Wand. Ich konnte sehen, wie Adrian zusammenzuckte und sich über das Gesicht fuhr, immer und immer wieder, als müsste er nachdenken.
Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
Schlapp fiel Jasmins leblose Hand von dem Messergriff und landete platschend auf dem Dielenboden, wo sich das dünne Blut seinen Weg in die Ritzen und Poren des Holzes bahnte. Jedes Astloch in Jasmins Nähe füllte sich mit Blut, das ich mich unweigerlich fragte, wann es endlich stoppen würde. Irgendwann musste es doch gerinnen ... oder nicht? Wieso hörte es nicht mehr auf?
Mir war eiskalt.
Der Rosenduft von Jasmins teurem Parfüm drang in meine Nase.
Ich musste mich an dem Stoffsofa festhalten, bevor meine Beine so zittrig wurden, dass sie erneut unter meinem Körper nachgaben. Erschöpft sank ich auf dem Boden. Mit dem Rücken an der linken Sofaseite kauerte ich dort. Meine Finger krallten sich in den Teppich, und ich spürte, wie eine feuchtwarme Flüssigkeit meine Wangen benetzte. Ich fasste mir instinktiv ins Gesicht und erschrak. Ich weinte. Ich weinte wie ein kleines Kind.
Vor meinem geistigen Auge sah ich Jasmins flackernde Lider. In meinen Ohren hörte ich das zischende Geräusch des Messers, wie es durch die Luft sauste und sah, wie Nick reflexartig zur Seite sprang, sodass das Messer die Person traf, die hinter ihm stand, um eilig das Wohnzimmer zu betreten.
Es war haarscharf gewesen. Hätte Nick nur eine Millisekunde gezögert, wäre er jetzt tot. Bei dem Gedanken spürte ich wieder diesen heftigen Schmerz in mir, der sich rasant bis in jede Faser meines Körpers durchkämpfte und mich lähmte. Dieses Gefühl als höllisch zu beschreiben, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Es war, als wollte man mir das Herz herausreißen.
Da ertappte ich mich selbst, wie ich dachte, es wäre gut, dass es Jasmin getroffen hatte. Besser sie, als ihn. Und mich durchfuhr eine Welle an Scham. Die Tränen liefen stärker, während ich mied, Jasmins Körper anzusehen.
Eigentlich hätte ich Adrian nur die Antwort geben müssen, die er hatte hören wollen. Dann wäre Jasmin nicht tot. Dann gäbe es jetzt keinen Grund sich zu schämen und Schuldgefühle in sich zu tragen.
Vielleicht hätte uns der Mörder auch gehen lassen, obwohl ich das stark bezweifelte. Wahrscheinlich hätte er Nick sowieso getötet.
Ich blinzelte die Tränen weg und drehte mich zu Elena und Tobias um. Sie waren immer noch gefesselt und hatten vermutlich auch die Geräusche gehört, aber durch die Sofalehne war ihnen die Sicht verwehrt worden. Es war beneidenswert, dass sie keinen Platz in der ersten Reihe gehabt hatten, sondern ausschließlich die Geräusche hatten wahrnehmen müssen.
![](https://img.wattpad.com/cover/266428180-288-k204431.jpg)
DU LIEST GERADE
Elena - Dem Bösen so nah
Misterio / SuspensoElena quält das zerrüttete Verhältnis zu ihrer besten Freundin. Sie ahnt nicht, dass diese sie hintergeht. Noch scheint alles harmlos. Auch, wenn Elena einen Verdacht hat. Doch dann wird aus Verdacht Gewissheit. Und plötzlich steht nicht nur ihre Fr...