Kapitel 16

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(Pov. Harry)

Gleichmäßiges Piepen, entfernte Stimmen, leises Schluchzen. Wo war ich? Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch meine Lider waren zu schwer. Was ist passiert? Ich versuchte mich zu erinnern, was mir jedoch nicht gelang. Meine Gedanken waren träge und meine Glieder fühlten sich steif an. Ich spürte einen Druck an meiner Hand. Louis? War er hier? Ich musste mit ihm sprechen. Ich wollte ihn ansehen und ihn berühren.

Ich brachte meine gesamte Willenskraft auf und schaffte es mit viel Anstrengung schließlich doch, meine Augen zu öffnen. Das Erste was ich erblickte, war die dreckig-weiße Decke eines Krankenhauszimmers. „Louis?“ krächzte ich. Mein Hals war völlig ausgetrocknet. „Harry, du bist wach. Ich bin ja so froh.“ erklang die besorgte aber auch erleichterte Stimme meiner Mum. Vorsichtig half sie mir, mich aufzusetzen und reichte mir dann ein Glas Wasser. Dankbar nahm ich es entgegen und trank es in kleinen Schlucken aus. Angenehm rann die kühle Flüssigkeit meinen Hals herunter.

Das leere Glas stellte ich auf ein kleines Tischchen neben dem Bett. Erst jetzt sah ich mich wirklich um. Die Wände des Zimmers waren weiß, ebenso wie die Bettwäsche und das hässliche Krankenhaushemd das ich trug. In meiner Hand steckte eine Kanüle, an der ein Tropf angeschlossen war und piepsende Geräte standen um mich herum. Eines davon zeigte blinkend meinen Puls an, ein anderes meine Herzfrequenz.

„Was ist passiert?“ wollte ich unsicher wissen. Ich war in der Schule, dann waren da Louis Arme die mich umschlossen und ein Krankenwagen. „Du hattest einen Herzaussetzer. Du hattest Glück so schnell ärztliche Hilfe zu bekommen. Ich bin so froh, dass es dir gut geht, Harry.“ berichtete Mum, während Tränen in ihren Augen glitzerten. Sie war immer stark geblieben, um mir zur Seite zu stehen, also musste es wirklich verdammt knapp gewesen sein. Als ich das realisierte wurde mir einen kurzen Moment schwindelig.

Langsam setzten sich meine Erinnerungsfetzen zusammen. Louis war da gewesen, als ich zusammengebrochen war und auch später im Krankenwagen. Er hatte meine Hand gehalten, die ganze Zeit über. „Wo ist Louis?“ hauchte ich. Ich musste wissen wie es ihm ging. Ich musste ihm sagen, dass es mir gut ging. „Ich habe Louis nach Hause geschickt. Er zieht sich um und hoffentlich isst er auch etwas. Die letzten Stunden ist er kein einziges Mal von deiner Seite gewichen.“ erzählte Mum. Ich fühlte mich schrecklich. Er musste sich furchtbare Sorgen um mich gemacht haben.

Plötzlich klopfte es an der Zimmertür. War Louis schon zurück? Doch meine Hoffnungen erstarben, als nur zwei Ärzte in weißen Kitteln den Raum betraten. Einen von ihnen erkannte ich sofort wieder, Dr. Carter. Der andere hingegen war mir unbekannt. „Hallo Harry, wie fühlst du dich?“ begrüßte mich Dr. Carter höflich lächelnd. „Mir geht es gut, wirklich. Wann kann ich denn entlassen werden?“ Ich konnte es nicht erwarten, endlich dieses mir verhasste Krankenhaus zu verlassen.

„Da muss ich dich leider enttäuschen. Bis zu deiner Entlassung wird es noch ein wenig dauern. Wir konnten deinen Zustand zwar stabilisieren, doch das wird nicht lange halten. Wirst du jetzt Stress ausgesetzt, dann kann dein Herz jeder Zeit wieder aussetzen. Die einzige Möglichkeit auf eine Genesung liegt bei einer komplizierten Operation. Ich brauche die Einverständniserklärung von dir und einem Erziehungsberechtigten, da bei diesem gefährlichen Eingriff viele Komplikationen eintreten können.“

Ich schluckte. Diese Nachricht hatte mich vollkommen überrumpelt. Ich fühlte mich taub. Nur am Rande nahm ich wahr, wie meine Mum hektisch und verzweifelt auf die beiden Ärzte einredete, während sie das Zimmer verließen. Mein Blick schweifte abwesend durch den Raum. Ich musste hier raus. Das alles war so erdrückend, dass ich das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Der einzige klare Gedanke, der noch in meinem Kopf herumschwirrte, war der Gedanke an den Tod, der sich mir unaufhaltsam näherte.

Auf einmal war da eine warme Hand die meine tröstend umschloss. Meine verschwommene Sicht hinderte mich kurz daran zu sehen, wer dort neben mir war. Doch als mein Blick schließlich wieder klar wurde, erkannte ich Louis neben mir. Seit wann war er hier? Hatte er das Gespräch mit den Ärzten mitgehört? Anscheinend ja, denn er umklammerte mich, als könnte ich jeden Moment verschwinden. Tränen standen in seinen Augen und ich wünschte mir nur, dass das ganze Drama endlich ein Ende hatte und wir einfach glücklich sein konnten.

Er ließ sich von mir herunterziehen, so dass er nun halb auf mir lag. Jedoch immer noch darauf bedacht, mir nicht wehzutun. Wir hielten uns in den Armen und genossen die Wärme und Vertrautheit, die wir uns gegenseitig spendeten. Die ganze Zeit mit Louis konnte jetzt auf einen Schlag zu Ende sein. Mein Leben konnte mit einem Schlag zu Ende sein. Es war unfair. Die ganze Welt war so verdammt unfair. Seit Louis in mein Leben getreten war, hatte sich alles verändert. Er hatte mir so viel gezeigt und ermöglicht. Er hatte mir klargemacht, wie sich echte, aufrichtige Liebe anfühlte. Denn genau das tat ich. Ich liebte Louis mit meinem ganzen, kaputten Herzen.

„Louis, ich möchte dir noch etwas sagen, bevor es zu spät ist.“ begann ich zögerlich, wurde jedoch sofort von meinem Freund unterbrochen. „Sag das nicht, ich weiß das du es schaffen wirst.“ Ich ging nicht darauf ein, da ich wusste wie unwahrscheinlich das war. Stattdessen fuhr ich fort „Ich wollte mich bedanken für die tolle Zeit und alles was du für mich getan hast. Du hast mir die schönste Zeit meines Lebens geschenkt und dafür bin ich dir so unendlich dankbar. Ich weiß, dass wir noch nicht lange zusammen sind, aber ich war mir nie sicherer als bei dir. Liebe war etwas, dass ich nur aus Büchern kannte, doch du hast mir gezeigt, wie es sich anfühlt aufrichtig zu lieben und geliebt zu werden. Ich liebe dich, Louis.“

Heiße Tränen flossen in Strömen über mein Gesicht und auch Louis ging es nicht anders. Wir waren beide nicht in der Lage zu sprechen, also nahm ich sanft sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn. Ich wusste nicht, ob ich seine Lippen je wieder auf meinen spüren würde. Deshalb legte ich alle meine Gefühle in diesen einzigen Kuss. Meine Liebe für ihn und meine Dankbarkeit für die wunderschöne gemeinsame Zeit. Ich versuchte ihm zu vermitteln, wie viel er mir bedeutete und wie sehr es mir leid tat, mein Versprechen an seiner Seite zu bleiben und ihm beizustehen, nicht halten zu können.

Als wir uns voneinander lösten, hob ich meine Hand und fuhr ihm sanft über die Wange. Ein trauriges Lächeln auf meinen Lippen. Ich versuchte mir sein Gesicht einzuprägen. Jeden einzelnen Gesichtszug. Von seinen wunderschönen blauen Augen, über seine süße Stupsnase, bis hin zu seinen schmalen Lippen, die zum Küssen einluden. „Ich liebe dich, Louis.“ hauchte ich mit zitternder Stimme. „Ich liebe dich auch, Harry.“

Heal my Heart (l.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt