Kapitel 14

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(Pov. Harry)

Die letzten Tage war ich durchgehend bei Louis. Er war von der Schule freigestellt und ich schwänzte einfach, da ich es nicht übers Herz brachte ihn alleine zu lassen. Er sprach und aß nicht viel. Er hatte dunkle Augenringe und sein sonst so fröhliches Lächeln war verschwunden. Obwohl er sich anfangs gewehrt hatte, hatte ich ihn schließlich überreden können auch nachts bei mir zu übernachten. Doch statt Schlaf zu finden, weinte er meist leise in sein Kissen. Ich versuchte, ihm so gut es ging zu helfen und ihn abzulenken, aber um den Verlust der eigenen Mutter zu verarbeiten brauchte es Zeit.

Mittlerweile war über eine Woche vergangen, doch Louis seelische Verfassung hatte sich nur gering verbessert. Ich konnte ihn zwar dazu bewegen wieder genug zu essen, doch er bekam weiterhin wenig Schlaf. Meine Mum hatte sofort zugestimmt, dass Louis bis auf weiteres bei uns wohnen konnte. Sie tat ebenfalls ihr Bestes, um die Situation für ihn erträglicher zu machen. Ihn in eine Wohnung voller Erinnerungen an seine Mutter zu schicken, würde das ganz bestimmt nicht tun.

Die Beerdigung, die schon in wenigen Stunden stattfinden würde, hatten enge Verwandte von Louis organisiert. Es würde nur eine kleine Gedenkfeier mit wenigen Menschen geben, doch Louis war bereits jetzt sehr aufgewühlt. Auch wenn ich seine Mutter nie kennengelernt hatte, kam ich mit, um ihn zu unterstützen. Es würde ein schwieriger Tag werden, doch ich hoffte, dass das Abschied nehmen ihm helfen würde, mit ihrem Tod ein wenig besser klar zu kommen.

Während der Fahrt zum Friedhof hatte es angefangen zu regnen. Seufzend betrachtete ich die kleinen Tropfen, die das Autofenster hinunterrollten und nasse Spuren hinterließen. Sie passten perfekt zu der gedrückten Stimmung, die im Auto herrschte. Als der Wagen schließlich hielt, sprang Louis sofort heraus. Schnell verabschiedete ich mich noch von meiner Mum, die uns gefahren hatte, bevor ich mir den Regenschirm von der Rückbank schnappte und meinem Freund hinterher eilte.

Es dauerte nicht lange, bis ich ihn eingeholt hatte. Mit einer Hand hielt ich der Regenschirm über unsere Köpfe und mit der anderen griff ich nach Louis Hand, um ihm Kraft zu geben. Gemeinsam schlossen wir uns der schwarzgekleideten Trauergesellschaft an, die bereits vor dem kleinen Friedhofsgebäude wartete. Ich bemerkte, dass Louis sich sichtlich unwohl fühlte zwischen all den Menschen, die ihm mitfühlend auf die Schulter klopften und ihm ihr Beileid aussprachen. Ich konnte jedoch nichts dagegen tun, außer beruhigend über seinen Handrücken zu streichen.

Das Eintreffen des Pfarrers kündigte den Beginn der Trauerfeier an. Alle Anwesenden versammelten sich in einem Halbkreis vor dem Grab und Louis traten augenblicklich Tränen in die Augen. Ich legte meinen Arm um seine Schulter und er lehnte sich ohne zu zögern an mich, um sich von mir trösten zu lassen. Der Pastor hielt eine Rede, doch ich schaffte es nicht mich darauf zu konzentrieren, da mein Blick immer wieder besorgt zu meinem Freund glitt, der fest auf seine Lippe biss, um sich so vom Weinen abzuhalten.

Nachdem die Rede beendet war und eine mir unbekannte Frau ein kurzes, aber gefühlvolles Lied gesungen hatte, war es soweit, die Blumen auf das Grab zu legen. Louis hielt sich solange im Hintergrund, bis er der letzte war, der noch eine der hübschen Pflanzen in seiner Hand hielt. „Kannst du schon mal vorgehen?“ fragte Louis leise und ich nickte verständnisvoll. Noch einmal drückte ich seine Hand, um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da war, bevor ich ihn dann alleine ließ.

Aus einiger Entfernung betrachtete ich Louis, wie er alleine vor dem Grab stand. Seine dunkle Gestalt wirkte seltsam fehl am Platz zwischen den vielen Grabsteinen. Ich konnte sehen, wie er sich auf den matschigen Boden kniete und leise etwas in Richtung des Grabes sprach, während er eine hübsche Blume darauf legte. Noch ein letzter Blick, dann drehte ich mich um, um Louis ein wenig Privatsphäre zu geben. Ich hoffte wirklich, dass er sein fröhliches Lächeln, dass jeden mit guter Laune ansteckte, wiederfinden würde.

Dass ich durch die ständige Sorge um Louis meine eigene Gesundheit vernachlässigte und schon zu zwei Untersuchungen nicht im Krankenhaus aufgetaucht war, spielte für mich keine Rolle. Mein Freund brauchte mich im Moment und da war es für mich bedeutsamer, für ihn da zu sein.

Heal my Heart (l.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt