Kapitel 19

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(Pov. Harry)

Schon am nächsten Tag konnte ich auf die normale Station des Krankenhauses verlegt werden. Zwischen den anstehenden Untersuchungen bekam ich jeden Tag Besuch von meiner Familie und Louis. Sie brachten Kartenspiele oder andere Beschäftigungen mit, damit mir ja nicht langweilig wurde. Besonders Dad bemühte sich wirklich und er verstand sich schon jetzt sehr gut mit Louis. Nichtsdestotrotz war ich froh, heute endlich entlassen zu werden. Auch wenn es sich entspannt anhörte, so war die Zeit im Krankenhaus doch anstrengend.

„Harry, bist du schon fertig mit packen?“ ertönte Louis Stimme aus dem kleinen Bad nebenan. Während ich nämlich meine Klamotten in meiner Reisetasche verstaute, sammelte er meine Sachen aus dem Bad ein. Mein Freund hatte die Aufgabe bekommen, mich aus dem Krankenhaus abzuholen, denn in der Zwischenzeit machte Dad seine Spezial-Pfannkuchen und Mum bereitete mein Zimmer für meine Ankunft vor. Naja, eigentlich war es auch schon Louis Zimmer. Ich seufzte auf. Das Einschlafen und Aufwachen neben Louis hatte ich in der letzten Wochen definitiv am meisten vermisst. Ich freute mich schon, das unbequeme Krankenhausbett, gegen die kuscheligen Umarmungen meines Freundes einzutauschen.

„Ist alles okay, Haz?“ wollte Louis wissen, während er seinen Kopf durch die Tür steckte und mich fragend ansah. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, dass ich ihm nicht geantwortet hatte. „Mhm alles gut.“ murmelte ich lächelnd. „Ich freue mich nur so auf Zuhause.“

Mit meinem fertig gepackten Kulturbeutel kam Louis aus dem Bad und überbrückte den letzten Abstand zwischen uns. Er schlang seine Arme um mich und zog mich ganz nah zu sich, bevor er flüsterte „Ja ich mich auch, dann kann ich nämlich wieder ganz ungestört das hier machen.“ Damit senkte er seine Lippen auf meine und küsste mich zärtlich. Wie von selbst fielen meine Augen zu, als ich den süßen Kuss erwiderte. Meine Hände glitten in seine weichen Haare und ich ließ meine Finger sanft hindurch gleiten, während sich unsere Lippen im Einklang übereinander bewegten.

Unsere gemeinsamen Momente hatten sich in letzter Zeit sehr beschränkt, da wir selten nur zu zweit gewesen waren. Umso mehr genoss ich in diesem Moment den Kuss. Er war nicht leidenschaftlich oder fordernd, sondern sanft und gefühlvoll. Die ganze Liebe, die wir füreinander empfanden lag in diesem Kuss, als wollten wir uns gegenseitig beweisen, wie wichtig uns der andere war. Und Louis war zweifelsohne einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben.

Doch wie jeder schöne Moment, so musste auch dieser enden. „Komm, wir sollten langsam gehen.“ meinte Louis, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten. Widerwillig ließ ich ihn los, um den Reißverschluss meiner Tasche zuzuziehen. Doch als ich diese schultern wollte, kam mir mein Freund zuvor. Mit einer Hand nahm er mir mein Gepäck ab, während er mit der anderen nach meiner Hand griff. Ein wohliges Gefühl durchströmte mich, als sich unsere Finger ineinander verschränkten. Jeder konnte nun sehen, dass wir beide zusammen gehörten.

Es dauerte nicht lange, bis wir den Infoschalter erreichten und ich mich abgemeldet hatte. Das breite Grinsen, das mein Gesicht zierte, war nicht zu übersehen, als ich schließlich durch die breite Tür ins Freie trat. Vogelgezwitscher begleitete uns auf dem Weg zum Parkplatz, wo Louis das Auto abgestellt hatte. Die Sonne schien sanft und eine herbstliche Brise wehte. Ich zog meine Jacke enger um mich, während ich die Bäume, deren Blätter in hübschen orange-roten Farben glänzten, betrachtete. All das erzeugte in mir das erleichternde Gefühl von Freiheit. Ab jetzt würde endlich wieder Normalität in mein Leben einkehren.

Die Fahrt nach Hause dauerte nicht lange und schon nach wenigen Minuten hielten wir vor dem Haus. Wir hatten noch nicht einmal geklingelt, da wurde die Tür schon von meiner Schwester aufgerissen. Sie zog erst mich und dann Louis in eine feste Umarmung, bevor sie einen Schritt zur Seite trat, um uns ins Haus zu lassen. Sofort stieg mir der Duft nach süßen Pfannkuchen in die Nase und wie auf Knopfdruck begann mein Magen zu knurren. Kein Wunder, nachdem ich mich eine Woche lange von Krankenhaus Essen ernähren musste.

Belustigt knuffte mich Louis in die Seite. „Da hat aber jemand Hunger.“ Gemma, der das ebenfalls nicht entgangen war, zog uns in die Küche. Der Tisch war schon gedeckt und mein Dad war gerade dabei, einen letzten goldgelben Pfannkuchen auf einen bereits vollen Teller zu laden. Auch Mum betrat kurz darauf den Raum. Als sie mich begrüßte, war es als würde eine Anspannung von ihr abfallen. Das ich hier war das Zeichen, dass es mir wieder vollständig gut ging und das erleichterte sie sehr.

Während wir uns alle über das wirklich leckere Essen hermachten, herrschte eine entspannte Stimmung. Wir unterhielten uns und lachten zusammen. Es war wundervoll hier zu sein, mit all den wichtigsten Menschen meines Lebens. Auch lange nachdem alle Pfannkuchen aufgegessen waren, saßen wir noch zusammen und ließen gemeinsam den Abend ausklingen. Einfach Zeit mit der ganzen Familie zu verbringen, hatte mir wirklich gefehlt.

Irgendwann bemerkte ich, wie Louis immer leiser wurde. Er beteiligte sich nicht mehr so sehr an den Gesprächen, sondern betrachtete uns anderen mit einem traurigen Blick. „Was ist los, Lou?“ flüsterte ich besorgt und griff unter dem Tisch nach seiner Hand. Doch er schüttelte nur langsam den Kopf und zog seine Hand weg. „Es ist alles okay, ich bin nur ziemlich müde. Ich glaube ich gehe jetzt schlafen.“ antwortete er und wich dabei meinem Blick aus. Es war mehr als offensichtlich, dass er log. Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er sich auch schon erhoben und war mit einem gemurmelten „Gute Nacht“ verschwunden.

Ich erklärte meinen Eltern, dass Louis und ich von dem anstrengenden Tag müde waren und wir jetzt schlafen gehen würden. Dann folgte ich, mir Sorgen machend, meinem Freund. Als ich unser Zimmer betrat, stellte ich fest, dass es komplett dunkel war. Das einzige Licht, dass in den Raum fiel, kam von dem geöffneten Fenster, vor dem Louis stand und gedankenversunken den Nachthimmel betrachtete. Er sah wunderschön aus, wie das sanfte Mondlicht die Hälfte seines Gesichtes beleuchtete. Das Einzige, was diesen Anblick trübte, war der sorgenvolle Ausdruck auf seinem Gesicht.

Ich schlang von hinten meine Arme um ihn und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Im ersten Moment zuckte er zusammen, doch dann schmiegte er sich näher an mich. Stille hüllte uns ein, während wir die weit entfernten, glitzernden Sterne betrachteten. „Willst du mit mir darüber reden?“ fragte ich schließlich vorsichtig und durchbrach damit unser Schweigen. Für einen kurzen Moment dachte ich, Louis würde nicht antworten. Aber dann drehte er sich in meinen Armen um, sodass er mich direkt ansah.

„Du weißt, dass das nicht ewig so weiter gehen kann. So gerne ich auch möchte, ich kann nicht für immer hier bei dir und deiner Familie wohnen. Versteh mich nicht falsch, deine Familie ist wirklich toll, aber ich kann hier nicht einfach einziehen und mich euch aufdrängen.“ Während Louis sprach, konnte ich in seinen Augen Traurigkeit erkennen. Er hatte ja auch niemanden, zu dem er gehen konnte und ich wollte auch nicht, dass er bei jemand anderem als bei mir war.

„Du drängst dich nicht auf. Mum sieht dich doch schon als ihren zweiten Sohn und auch wenn du meinen Dad noch nicht so lange kennst, weiß ich, dass er dich ebenso gerne hier hat. Von Gemma ganz zu schweigen. Aber von allen habe ich dich am liebsten hier. Ich liebe dich, Lou, und ich weiß selbst, dass das keine Dauerlösung ist. Stell dir doch mal vor wie es wäre, wenn wir beide nach unserem Schulabschluss in eine gemeinsame Wohnung ziehen würden. Aber bis es soweit ist, kannst du hier bleiben, denn ich liebe dich und ich möchte keinen Tag mehr ohne dich verbringen müssen.“

Völlig überrumpelt von meinen Worten sah Louis mich an. Doch dann fiel er mir überschwänglich um den Hals und drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange. „Du willst wirklich mit mir zusammenziehen? Ich liebe dich so sehr, Hazza.“ Vorsichtig drückte ich ihn ein Stückchen von mir weg, um ihm in die Augen sehen zu können. Aus seinem Augenwinkel kullerte eine kleine Träne, doch sein breites Lächeln verriet, dass es sich um eine Freudenträne handelte. Ich umfasste mit meinen Händen seine Wangen und strich sanft mit dem Daumen über seine weiche Haut.

Als Louis mich mit großen Augen ansah, in denen so viel Liebe lag, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich legte meine Lippen auf seinen weichen, verführerischen Mund. Es war ein langer zärtlicher Kuss, der doch so voller Leidenschaft war. Schwer atmend lösten wir uns schließlich voneinander, doch wir waren uns immer noch so verdammt nahe. Meine Stirn lehnte gegen seine, während draußen am Nachthimmel eine Sternschnuppe aufblitzte, als wollte sie unsere unerschütterliche Liebe besiegeln.

Heal my Heart (l.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt