Kapitel 19

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Dumpfes Stimmengewirr drang an ihre Ohren, doch sie konnte der Konversation nicht mehr richtig folgen. Jinora bemerke, wie Meelo etwas sagte, aber seine Worte ergaben keinen Sinn.
Kai.
Kai hatte sie geküsst.
Es war ein Abschiedskuss gewesen.
Plötzlich ergab Alles einen Sinn.
Er war ein Friedenskämpfer gewesen, geübt im Kampf, aber vor Allem im Entwickeln von Strategien.
Und er war eine Zeit lang, ein Teil des Sandvolkes  gewesen, dem er sich bis heute tief verbunden fühlt. Maes Blick verriet ihr, dass sie das Selbe dachte.
Ihm war klar gewesen, dass die Sandvölker ein Anführer brauchen würden, der aus ihren eigenen Reihen stammte. Kai hatte die Situation schneller erfasst als jeder von Ihnen und gehandelt, bevor jemand ihm widersprechen hatte können.
Jinora fasste sich unterbewusst an ihre Lippen, auf denen sie immer noch den Druck seines Kusses spürte.
,,Wie genau ist der Austausch abgelaufen?"
Es war die erste von so vielen Fragen, die sie stellen wollte und die Zeit lief ihnen davon. Jinoras Hände zitterten so stark, dass sie sie unter ihre Oberschenkeln schob, denn Blick an einen Punkt neben Meelos Kopf gerichtet. Sie konnte für einen kurzen Augenblick keinen von Ihnen in die Augen sehen, ohne in Tränen auszubrechen.
,,Rina hat ihr Lager innerhalb der Mauern aufgeschlagen, auf den Trümmern unserer Stadt", begann Askanio, ,,Ich dachte, mir würde der Anblick durch den Tod erspart bleiben, aber sie ließ mich leben und die Belagerung mit eigenen Augen sehen.
Für jemand Fremdes, sind diese verkohlten Zelte mit ihren rußbedeckten Habseligkeiten ein kleiner Verlust, für uns Sandnomaden war es das einzige Zuhause, das wir hatten."
Langsam senkte Jinora den Blick um Maes aufzufangen, doch anstelle der erwarteten Traurigkeit, sah sie nur unbändigen Zorn.
,,Man hatte mich an einen Holzpfeil gekettet, der wie durch ein Wunder die Explosion überstanden hat. Soldaten kamen zu mir, schlugen mir ins Gesicht, traten mir in den Oberkörper und spukten auf mein Haupt und wenn sie mich grinsen sahen, schlugen sie noch härter zu, aber nie hart genug um mich umzubringen."
Askanio legte so wenig Gefühl in seine Schilderung, dass man fast den Eindruck bekam es wäre nicht ihm, sondern jemand Anderem passiert. Sein Kopf hatte er leicht nach vorne geneigt und sein braunes Haar war mittlerweile so lang, dass es seine haselnussbraunen Augen überschattete, fast so als wolle er verhindern, dass man in seinem Gesicht las.
,,Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, als man mich losband und zum Tor führte.
Mir war mittlerweile egal, was nun passieren würde, doch zu meiner Überraschung ließ man mich frei. Es waren hunderte Soldaten in und um die Mauern verteilt, aber niemand würdigte mich eines Blickes, so als wüssten sie, dass ich gehen durfte... immerhin flüsterten sie laut genug, damit ich verstand was geschehen war."
Ein lautes Gähnen unterbrach Askanios Erzählung und Meelo hob entschuldigend die Hände.
,,Ich bin schwerverletzt und mein Körper verlangt nach Regeneration", brummte er halb im Scherz, woraufhin Tenzin lautlos aufstand um neue Verbände zu besorgen.
,,Wie dem auch sei", fuhr Askanio fort, ,, aus ihren Unterhaltungen ergab sich, dass sich ein Luftbändiger mit gewellten dunklem Haar und grünen Augen zum Tausch angeboten hatte und die Feuerprinzessin, so nannten sie sie jedenfalls, erklärte sich sofort einverstanden."
Es entstand eine kurze Stille, als jeder von ihnen seinen Gedanken nachhing.
,,Wieso hat sie euch nicht einfach beide festgenommen?", fragte Mae schliesslich sichtlich verwirrt.
,,Weil Rina ihn liebt", murmelte Jinora mehr zu sich selbst und sie war sich nicht sicher, ob sie jemand gehört hatte.
Ein Mädchen, vom Aussehen her zu urteilen vielleicht sechszehn Jahre alt, stürmte plötzlich herein und zog die gesamte Aufmerksamkeit auf sich.
Ihre Augen waren randvoll mit Tränen gefüllt, die drohten über ihr von Sommersprossen übersätes Gesicht zu rollen.
,,Er hat dich gerettet", schrie sie, während sie den Abstand zwischen der provisorischen Tür und ihnen überwand.
,,Er hat gesagt, Ich soll mir keine Sorgen machen, er würde dich retten und er hat sich daran gehalten."
Dunkles strähniges Haar umrahmte ihr schmales Gesicht und ihre braunen mandelförmigen Augen blickten nun überrascht Askanio an. Sie trug eine ihr viel zu lange Leinenhose, in die sie in ein ärmelloses weißes Top gesteckt hatte. Die Enden der Hose hatte sie mehrmals überschlagen müssen, was an ihrer Gestalt lag, die im Gegensatz zu der anmutigen und großgewachsenen Mae, klein und zierlich war.
Askanios Augen blitzen kurz auf, als hätte er etwas verstanden, was ihnen verborgen geblieben war.
,,Du hast Kai geholfen die Oberfläche zu erreichen", stellte er nüchtern fest. ,,Du weißt, dass das verboten ist, Yema."
Das Mädchen legte einen schmollenden Ausdruck auf ihr Gesicht, was sie jünger erscheinen ließ und bei jedem Anderen wohl dazu geführt hätte, ihr alles Mögliche zu verzeihen.
Askanio aber rieb sich mit einer Hand die Schläfe und seufzte.
,,Du musst uns Alles erzählen", erklang Maes Stimme und das Mädchen schien sich erst jetzt der Anwesenheit der Prinzessin bewusst zu werden. ,,Hast du verstanden Yema?"
Yema presste ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und verbeugte sich.
,,Natürlich."
Ihr Auftreten schien sie beschämt zu haben, denn sie nahm nicht neben Askanio Platz, obwohl sie ihm immer wieder sehnsüchtige Blicke zuwarf.
Meelo hielt sich gänzlich aus der Situation heraus und beobachteten das Geschehnis mit einer gewissen Neugier.
Ein unvernünftiger Gedanke nach dem Anderen durchfluteten Jinoras Gedaken.
Sie wusste, dass das Wichtigste nun war, die Situation zu analysieren und den Kampf der ihnen Morgen bevorstand zu planen, aber alles in ihr schrie danach an die Oberfläche zu gehen und Kai zu befreien.
,,Ich hab an dem Kampftraining teilgenommen, ihr wisst schon, dass Kai für uns", Yema stolperte über das Wort Kinder und warf ein raschen Blick in Askanios Richtung, der sich Mühe gab unbeteiligt zu wirken. Sie seufzte schließlich und fuhr fort.
,,Ich redete mit ihm über Askanio und dass ich ihn retten würde...Ich verstehe warum so viele meiner Freundinnen ihn heiß finden, denn er hörte mir als erste Person in diesem gottverlassenen Gefängnis zu...Ich weiß wir sind erst wenige Tage hier, aber Mika meinte auch, dass es sich eher wie Wochen anfühlt", sie bemerkte, dass sie vom Thema abkam und räusperte sich.
,,Vor einigen Stunden kam er zu mir und sagte, dass er Askanio zurückbringen würde, ich ihm dafür aber helfen muss an die Oberfläche zu gelangen."
Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Natürlich, er hatte einen Sandbändiger gebraucht um aus den Tunneln zu fliehen.
Jinora ballte die Hände zu Fäusten, sodass ihre Nägel kleine Halbmonde in ihre Handinnenfläche ritzen. Der Schmerz befreite sie aus dem dumpfen schmerzvollen Ort an den sich ihr Geist zurückziehen wollte.
Es war das Beste für Alle gewesen, dass Kai diesen Schritt unternommen hatte und doch er hatte sie wieder einmal verlassen.
,,Ich durfte ihn leider nicht begleiten, obwohl ich alles versucht habe um ihn umzustimmen...Hm und dann sagte er mir, ich solle in ein paar Stunden in der Krankenstation vorbeischauen, da würde Askanio dann auf mich warten."
Es sollte ein Witz sein, aber niemand von ihnen lachte. Unbehaglich stand Yema auf und trat nun von dem einen auf den anderen Fuß. Sie hatte anscheinend keine Ahnung welche Konsequenzen ihr Handeln mit sich gebracht hatte und Jinora bekam schließlich Mitleid mit ihr.
,,Ok ‚warten' hat er jetzt nicht direkt gesagt, aber...Wo ist Kai eigentlich?"

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 02, 2021 ⏰

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Luft und Sand- Eine Geschichte über Jinora und KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt