Kapitel 18

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Jinoras Kopf ruhte auf ihren Händen, die sie am Fußende von Meelo zusammegefaltet hatte. Es waren zwei ganze Tage vergangen, in denen die Zeit kein bisschen vergangen zu sein schien. Die Menschen in den Tunneln waren unruhig angesichts der Ausweglosigkeit und viele hatten schon versucht an die Oberfläche zu gelangen. Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Im Grunde warteten sie darauf, dass das Wasser zu Neige geht und der Tod sie mit offenen Armen empfing.
Tenzin legte seine Hand auf ihren Kopf.
,,Du solltest mehr schlafen Jinora."
Sie hatte seit dem Beginn des Krieges höchstens ein paar wenige Stunden geschlafen und war jedes Mal schweißgebadet aufgewacht.
,,Hm."
Ihr Blick glitt zu Mae, sie hatte in den letzten beiden Tagen versucht in ihrem Geist vorzudringen, aber war jedes Mal gescheitert.
,,Kam eine Nachricht von Ikki?", fragte sie vorsichtig.
Ihr Vater schüttelte den Kopf.
Es sah Jinora nicht ähnlich, aber das Bedürfnis vor lauter Frustration aufzuschreien, übernahm
fast die Oberhand.
Sie konnte dem Sandvolk nicht einmal in die Augen sehen, so groß war der Kummer, der sich in ihren Gesichtern spiegelte.
Manche griffen sogar nach ihrer Kleidung und fragten sie nach dem Zustand der Prinzessin.
Die Wahrheit wog so schwer, dass sie die meiste Zeit aus Feigheit log. Nur die Verwundeten, die sich mit im provisorischen Krankenlager befanden, kannten die Wahrheit, aber auch sie schwiegen, wenn sie zu den Anderen zurückkehrten.
Die Füße vor ihr bewegten sich leicht und sie sprang auf.
Meelo der immer noch auf dem Bauch lag, drehte ihnen den Kopf zu.
,,Was zieht ihr denn für Gesichter", krächzte er.
Ein Bartschatten zierte seine untere Gesichtshälfte und ein Grinsen legte sich auf seine Lippen.
,,Meelo", sagte ihr Vater erstickt.
Tränen füllten seine Augen, als er sich vor das Bett seines Sohnes kniete.
,,Ich dachte ich hätte dich für immer verloren."
Jinora schluchzte und legte eine Hand auf die Schultern ihres Vaters.
,,Hey...Es braucht schon mehr um mich umzubringen", flüsterte er. Es war eine Lüge, dessen waren sie sich bewusst, aber sie half ihnen die tief verwurzelte Panik in ihrem Inneren für eine kurze Zeit wegzuschieben.
,,Das stimmt. Solltest du mich noch einmal retten, werde ich dich nämlich eigenhändig umbringen."
Jinora drehte sich zu Mae um, die den Kopf in ihre Richtung gelegt hatte. Ihr Blick war immer noch etwas getrübt, aber sie konnte das erste Mal ein Fünkchen Klarheit in ihnen entdecken.
,,Keine Sorge, das hab ich auch nicht mehr vor", erwiderte Meelo lachend.
Das erste Mal seit sie die Tunnel erreicht hatten, verspürte Jinora so etwas wie Hoffnung.

Tenzin wich den Beiden nicht mehr von der Seite. Meelo hatte es sogar geschafft sich aufzusetzen, was ihr Vater mit einem strengen Blick quittiert hatte. Die Schmerzen mussten überwältigend sein, aber er beschwerte sich kein einziges Mal.
,,Ich werde Kai Bescheid geben."
Er war die meiste Zeit an ihrer Seite geblieben, während sie jede volle Stunde überprüft hatte ob ihr Bruder noch lebte oder Mae auf etwas reagierte. Er sollte einer der Ersten sein, der die Botschaft überbracht bekam.

Sie fand ihn in einem Raum, der so etwas wie ein Gemeinschaftsraum für die jungen Erwachsenen geworden war. Lauter pubertäre Kinder versammelten sich hier um dem seelischen Druck, dem sie ausgesetzt waren, Luft zu machen. Kai hatte sich ihrer angenommen und trainierte mit ihnen und ließ dabei seine Bändigerkräfte außen vor.
Es half ihnen ihre Rolle in dieser Situation zu finden.
Seine grünen Augen trafen ihre, als sie den nur durch Öllampen erhellten Raum betrat.
,,So Kameraden, ihr dürft euch nun ordentlich den Bauch vollschlagen", verkündete er und ein widerwilliges Raunen ging durch die Menge.
Es dauerte keine zwei Minuten da waren sie alleine in dem Raum.
,,Sie sind aufgewacht", flüsterte Jinora.
Kai entledigte sich gerade seines, vom Schweiß durchnässten, Hemd.
Sein Kiefer mahlte und es war ihm anzusehen, dass ihn die Nachricht aufrichtig berührte.
,,Danke, dass du mir Bescheid gegeben hast."
Sie sah ihn überrascht an.
,,Willst du denn gar nicht nach ihnen sehen?", fragte sie verwundert.
Kai schlenderte zu einer Ecke des Raumes und zog sich ein trockenes Hemden an, dass er dort positioniert haben musste, ehe er zu ihr herüberkam.
Das Licht in den Tunneln war so schwach, dass sie sich manchmal dauerhaft benommen fühlte, doch sie nahm mehr als deutlich Kais Präsenz im Raum wahr.
,,Es tut mit leid, aber ich werde jetzt etwas sehr egoistisches tun, was du mir später bestimmt übel nehmen wirst."
Jinora kniff die Augen zusammen, als er direkt vor ihr stehen blieb.
Seine eine Hand griff um ihre Hüfte und zog sie zu sich heran, die andere griff um ihren Nacken.
Ein elektrischer Schauer durchfuhr jeden Zentimeter ihres Körpers. Sein warmer Atem streifte ihre Nasenspitze, ehe er sich herunterbeugte und seine Lippen auf ihre legte. Jinora erholte sich von ihrem kurzzeitigen Schock und öffnete leicht den Mund. Seine Zunge traf auf ihre, spielte mit ihr, ließ sie vergessen in was für einer Situation sie sich befanden. Die dunklen Bartstoppeln kratzen über ihre Wangen und sie legte ihre Hände an seine Brust.
Seine Hand schob sich unter ihr loses Oberteil, ihren Rücken hinauf.
,,Ich liebe dich Jinora", murmelte er an ihren Lippen und sie löste sich etwas von ihm, aber nur so weit, dass sie sein ganzes Gesicht sehen konnte. Begierde und Wärme lag in seinem Blick und ein kleines Lächeln zierte seinen Mund.
Jahrelang hatte sie sich genau das gewünscht und nun war es direkt vor ihr.
,,Ich..."
Eine der Frauen die im Krankenlager aushalfen, kam hereingestürmt.
,,Jinora, dein Papa möchte dich..."
Sie verstummte, als sie, sie beide erblickte.
,,Oh störe ich?"
Kai fing an zu lachen, woraufhin Jinora errötete.
,,Nein, nein."
Sie löste sich widerwillig von Kai und drehte sich vollständig der Frau zu.
,,Was ist passiert?"
,,Wir haben eine Nachricht von den anderen Sandstämmen erhalten. Sie werden uns morgen erreichen."
Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen, was der Beweis dafür war, dass sie alle unter einem gewaltigen Druck standen.
Die Sandstämme waren drei Tage zu spät, drei Tage in denen ihre Hoffnung immer weiter gesunken war.
Aber jetzt...
Ihre Verstärkung würde kommen und mit ihr die neue Hoffnung.
,,Das sind wunderbare Neuigkeiten", sagte Jinora und blickte zu Kai, der ihr zunickte.
,,Ich komme sofort", sagte sie zu der Frau, die die stille Aufforderung verstand, sich umdrehte und wieder im Gang verschwand.
,,Es müssen einige Sachen besprochen werden, wir sollten uns auf den Weg zu meinem Vater machen."
Kai drehte sie zu sich, beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Stirn.
,,Geh du schon mal vor. Ich räume hier kurz auf, dann komme ich nach."
Sie sah sich um und entdeckte die vielen Holzstöcke, die ursprünglich nicht dafür gedacht gewesen waren mit ihnen Schwertkampf zu üben und jetzt kreuz und quer über den Raum verteilt lagen.
,,Soll ich dir helfen", bot sie an, doch Kai schüttelte den Kopf.
,,Du wirst woanders gebraucht."
Er vergrößerte die Lücke zwischen ihnen und sie fühlte sich wieder seltsam allein.

Luft und Sand- Eine Geschichte über Jinora und KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt