Kapitel 2

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Die Sonne ging unter und die Luftnomaden versammelten sich in der großen Halle.
Die Musiker flöteten eine ruhige, aber aufheiternde Melodie, die wie eine sanfte Aufforderung, jegliche Konversation verstummen ließ.
Sie stand ganz vorne auf dem Podest, wie die Oberhäupte des Tempels und Familienmitglieder von Rohan.
Rohan war in einen Umhang gehüllt, der seinen Körper und sein Gesicht bedeckte, ihr Vater Tenzin stand hinter ihm.
Die Musik wurde langsamer bis sie gänzlich verstummte und Tenzin die Stimme erhob.
,,Liebe Brüder und Schwestern...
Heute heißen wir Rohan in den Reihen der Luftbändigermeister willkommen! Er absolvierte jede Prüfung mit Bravour und wird ein starkes Mitglied in unseren Reihen sein..."
Tenzin verstummte, musterte die versammelten Menschen, die einen Teil seiner Nation darstellten und schüttelte ungläubig den Kopf.
,,Als ich damals von meinem Vater, Avatar Aang, meine Tattoowierung bekam, dachte ich, ich wäre vielleicht irgendwann der letzte Luftbändiger...umso schöner ist es, zu sehen, dass ihr Alle die Zukunft der Luftbändiger seid..."
Neben ihr schniefte jemand lautstark und Jinora war sich sicher, dass es sich dabei um Ikki handeln musste.
,,...Ihr Alle seid, ob Meister oder nicht, ob Nomade oder nicht, Teil unserer Nation..."
Die Luftbändiger stapften im Takt mit ihren Füßen auf den Boden.
,,...Also lasst uns Rohan zusammen zum Meister ernennen."
Die jüngeren Luftbändiger grölten Jubelrufe, ließen Windböen durch die Halle fliegen, die an ihrer aller Kleidung rissen, während die Älteren ihre Gleiter im Takt auf den Boden stapften, die Mienen verschlossen, doch die Brust vor stolz geschwellt.
Es war eine so atemberaubend Stimmung, dass Jinora die Tränen kamen, obwohl sie geglaubt hatte, die Fähigkeit zu weinen verloren zu haben.
Rohan zog seine Kapuze zurück und ließ seinen Mantel auf den Boden gleiten. Die Haut um die Tattowierung war wund, aber die Pfeile waren so sauber und gerade über seinen Körper geschwungen, dass sie sich gar nicht vorstellen konnte, dass er vor ein paar Stunden noch keine besessen hatte.
So ging es ihr meistens, wenn jemand eine Zeremonie vollzog, das Tattoo war irgendwie ein Teil von Ihnen.
Es war kein Schmuck, sondern etwas viel Tieferes-
Ein Teil ihrer Selbst.

Rohan strahlte über das ganze Gesicht, musterte die Leute, als würde er sie zum ersten Mal sehen.
Als sie damals noch die Luftbändiger ausbildete, war es für sie als Lehrerin eine mehr als stolze Angelegenheit ihre Schüler bei ihrer Zeremonie zu begleiten, auch wenn Sie sie nicht tattöwierte, das war Tenzin vorbehalten. Er hatte sich so lange eine Nation von Luftbändigern gewünscht und nun seit sie, seit nunmehr zwölf Jahren, wieder auferstanden waren, tattoowierte er jeden Luftnomaden der die Prüfungen ablegte selbst.
Sie erblickte Kai in der Menge, der verschmitzt übers ganze Gesicht lächelte und laut in die Jubelrufe mit einstimmte.
Seine Luftnomadenkleidung wirkte wie eine zweite Haut an ihm, der jugendhafte Ausdruck in seinem Gesicht war jedoch verschwunden und hinter seinem Lächeln verbarg sich nun eine reifere und ernstere Mimik.
Das Gelb seiner Kleidung brachte seine gebräunte Haut zur Geltung und seine grünen Augen stachen sich mit dem feurigen Rot.
Neben ihm entdeckte sie eine Frau, deren pechschwarze Haare ihr bis zum Kinn reichten, das Gesicht herzförmig, mit eisblauen Augen, die wie Eiszapfen im Sonnenlicht reflektieren.
Jinora bemerkte wie die Frau scheinbar unabsichtlich dicht an Kais Seite gedrängt war.
Ihre rosigen Wangen deuteten aber daraufhin, dass sie sich sehr wohl bewusst war wie nah sie ihm war.
Jinora wandte den Blick ab.
Ein kleiner Stich durchfuhr ihr Herz, als sie sich zwang ihren Blick wieder auf Rohan zu richten.

Die Zeremonie wurde in den Speisesaal verlegt und traditionsgemäß führte Rohan die Leute an.
Er verließ den Saal durch die Mitte,  gefolgt von den Oberhäuptern des Tempels und der Familie, während die anderen Gäste sich ihnen langsamen Schrittes anschlossen.
Ikki kniff ihr in den Arm und grinste übers ganze Gesicht.
,,Hast du Fahir gesehen?", fragte sie atemlos.
Sie bändigte die Luft und erzeugte mit ihrer Hand einen kleinen Wirbelsturm um ihn gleich wieder in ihrer Hand zerpuffen zu lassen.
,,Ich glaube er hat mir zugezwinkert", fügte sie flüsternd hinzu und Jinora gab ein gequältes stöhnen von sich.
,,Ikki wenn deine Schüler mitbekommen wie du wie ein Schulmädchen Fahir anhimmelst, kannst du dich auf mehr als nur Luftböenstreiche einstellen."
Ikki schob beleidigt ihr Kinn hervor.
,,Ich bin schon zweiundzwanzig Jahre Jinora...
In deinem Alter will ich schon verheiratet sein! Opa Aang ist mit Oma Katara zusammen gekommen, da war er dreizehn! Ich bin jetzt schon fast 10 Jahre älter und meine Erfahrungen mit Jungs kann ich an einer Hand abzählen."
Sie hob allen Ernstes die Hand und fing an zu zählen.
,,Da war einmal Toquin, er war mein erster Kuss. Dann war da Aran, mit dem hatte ich auch mein erstes... naja du weißt schon was ich meine..."
Meelo unterbrach Ikki indem er sich zwischen sie schob.
,,Könntest du vielleicht so nett sein und vor deinem Bruder nicht deine Liebschaften ausbreiten! Ich arbeite zufällig mit einigen von Ihnen bei den Friedenswächtern", sagte er zerknirscht und
Ikki hatte wenigsten den Anstand ein wenig rot anzulaufen.
,,Keiner hat gesagt dass du zuhören sollst!" erwiderte sie patzig.
Jinora schmunzelte.
Im Speisesaal gab es viele kleine runde Tische und jeder Platz war mit gemütlichen Kissen auf dem Boden ausgestattet.
Rohan setze sich an den Tisch, an dem auch seine versammelten Freunde saßen, die ihm allesamt auf die Schultern klopften.
Ihre Eltern saßen mit den älteren Luftbändigern an einem Tisch links von Ihnen. Manchmal fragte sie sich, ob die älteren Luftbändiger es bedauerten, dass sie erst so spät von ihren Fähigkeiten erfahren hatten.
Ikki, Meelo und sie setzen sich an einen Tisch mit sechs Plätzen, jeder von ihnen konnte es kaum erwarten die Köstlichkeiten, die auf ihrem Tisch serviert waren zu probieren.
An ihrem Tisch gab es zusätzlich noch drei große Flaschen Traubenwein, die Jinora nach dem heutigen Tag zu gerne kosten würde.
Ikki und sie blickten gleichzeitig hoch,
als sich drei weitere Personen zu Ihnen gesellten.
Fahir, Kai und das unbekannte Mädchen sahen freundlich in die Runde.
Obwohl Fahir groß war überragte ihn Kai um einen halben Kopf.
,,Hallo die Damen dürften wir euch heute Gesellschaft leisten?"erklang Fahir's samtige Stimme, während seine blauen Augen scheu zu Ikki blickten.
Meelo erwiederte in seiner höchstmöglichen Stimme:,, Natürlich mein Herr" und klimperte ihn mit seinen Augen an.
Jinora fing lauthals an zu lachen.
Die Anderen stimmten mit ein und das Eis schien vorerst gebrochen.
Die unbekannte Frau ergriff als erstes das Wort.
,,Ich bin übrigens Rina. Ich stamme von den Feuerinseln."
Sie lächelte und Jinora musste zugeben, dass sie hinreißend aussah. Auch Kai schien das zu bemerken und legte ihr eine Hand aufs Knie.
,,Von den Feuerinseln! Bist du eine Bändigerin?", fragte Meelo und riss Jinora aus ihrer Trance.
Rina errötete und nickte.
,,Das ist ja mal sowas von cool!" Meelo zwinkerte Kai mehrmals zu.
,,Woher bekommst du denn immer so schöne Frauen her?"
Kai fing anstelle einer Antwort zu essen an.
,,Ich habe dich noch nie in der Luftbändigermontur gesehen", säuselte Rina leise in Kai's Ohr, doch
Alle am Tisch vernahmen laut und deutlich ihre melodische Stimme.
Fahir räusperte sich.
,,Jemand Wein?"

Die Stunden vergingen und Jinora sagte keinen Ton. Fahir und Ikki unterhielten sich mit jedem Glas Wein angeregter und Meelo löcherte Rina mit Fragen über die Feuernation.
Manchmal erwischte Kai sie, wie sie ihn musterte. Er grinste sie dann steht's an und ihr wurde wieder schmerzlich bewusst wie weit sie sich voneinander entfernt hatten.
Früher hatte er sie mit so viel Begehren angesehen, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.
Heute vernahm sie sein freundschaftliches Grinsen mit einem kleinen Stich im Herzen.
Sie trank ihr Glas Traubenwein aus und richtete sich wacklig auf.
,,Ikki ich werde jetzt..." Jinora hickste laut auf.
,,Mmh.. Ich werd jetzt auf mein Zimmer gehen."
Ikki sah besorgt zu ihr hoch.
,,Soll ich dich begleiten?", fragte sie offensichtlich besorgt.
,,Nein nein!"
Jinora hob abwehrend die Hände und drehte sich hastig um, bevor sich jemand Anderes anbieten konnte.
Sie schlenderte zur Tür und trat hinaus in den eisigen Hof.
,Wie es Zinzin jetzt wohl geht?' schoß es ihr durch den Kopf.
Letzte Nacht hatte sie ihn sehr vermisst.
Sie hatten die letzten drei Jahre immer aufeinander aufgepasst und sein flauschiges Fell fehlte ihr sehr.
Sie wollte ihren Gleiter vom Rücken nehmen und stellte fest, dass sie zur Zeremonie keinen dabei gehabt hatte. Jinora seufzte.
Sie befand sich einen Schritt vom Abgrund entfernt und blickte hinab, als hinter ihr Kais raue Stimme ertönte.
Jinora erschrack, verlor das Gleichgewicht und stürzte mitten in die Tiefe.

Alles um sie herum drehte sich, als plötzlich eine Hand von hinten nach ihr griff. Sie spürte wie seine Hand sich um ihre Hüften legte und wie er versuchte im Fall die Luft zu bändigen.
Da er aber die Hand mit der er sie hielt nicht zum bändigen nutzen konnten rasten sie immer noch dem Abgrund entgegen.
Plötzlich tauchte Zinzin unter ihnen auf und fing sie kurz vor dem Aufprall ab.
Zinzin flog im großen Bogen nach oben und Jinora nahm nur noch das verwackelte Sternenbild über Ihnen wahr. Das Adrenalin strömte durch ihren Körper und das Blut rauschte in ihrem Ohren.
Kai lag neben ihr im Sattel und erhob sich.
,,Du hättest uns umbringen können!", sagte er tadelnd, aber nicht aufgebracht.
Sie erhob sich langsam und die Welt drehte sich vor ihren Augen. Sie bemerkte, dass Zinzin vom Lufttempel wegflog und richtete dann ihren Blick auf Kai.
,,Wieso uns?Du bist mir doch nachgesprungen! Ich wäre alleine schon klargekommen."
Kai presste die Lippen zusammen und stieg auf den Kopf ihres Bisons. Er nahm die Zügel in die Hand und versuchte den Bison zurück zum Lufttempel zu lenken, aber Zinzin wich keinen Zentimeter von seiner Spur ab.
,,Jinora sag deinem Bison er soll uns zurück bringen!", sagte er, nun eine Spur von Zorn in seiner Stimme.
Jinora schüttelte den Kopf, alles schien surreal.
Der Traubenwein vernebelte ihre Sinne und sie glaubte langsam zu träumen.
,,Ich liebe die Sterne", hauchte Jinora, unfähig den Blick von ihnen zu lösen.
Kais Miene verschloss sich.
,,Wie du willst. Morgen bist du wieder etwas klarer und dann bringt dein Bison uns wieder zum Lufttempel."
Er blieb auf Zinzins Kopf sitzen und sagte gar nichts mehr.
,,Sie ist hübsch Kai. Ich war dir doch immer schon zu durchschnittlich."
Jinora hickste abermals.
,,Weißt du noch unseren ersten Kuss in den Baumwipfeln?", seufzte sie und schloss die Augen.
Ganz leise, als sie schon fast eingeschlafen war flüsterte Kai seine Antwort.
,,Ich weiß es noch. Ich bin aber nicht mehr die Person, die ich damals war Jinora."

Luft und Sand- Eine Geschichte über Jinora und KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt