Kapitel 12

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Lia

Ich war gerade dabei, die fünfte Runde zu gewinnen, als es an der Türe klopfte und obwohl das Geräusch nicht laut war, zuckte ich zusammen.
Mit jeder Minute des Wartens war ich angespannter geworden und letztendlich hatte ich es nicht mehr ausgehalten und hatte angefangen auf meinem Stuhl herum zu zappeln, wie ein kleines Kind, das keine Lust mehr hatte, brav am Tisch zu sitzen.
Die anfängliche Fröhlichkeit war ebenfalls längst verschwunden und jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach, während das Spiel nur noch als Nebenbeschäftigung diente.
Deshalb war es Segen und Fluch zugleich, dass dieser Finn nun endlich angekommen zu sein schien, denn einerseits rettete er mich so vor meinen immer wiederkehrenden Gedanken, aber andererseits bedeutete das, das wir nun endgültig gehen würden und dass es in den Sternen stand, ob wir jemals zurück kehren würden.
Sobald sie das Geräusch hörte, sprang Cathrin auf und eilte zur Tür, doch bevor sie sie öffnete, blickte sie durch ein kleines Guckloch hinaus, um ganz sicher zu sein, dass sie keine ungebetenen Gäste hereinließ.
Offenbar war sie zufrieden mit dem was sie sah, denn nur einen Augenblick später riss sie die Tür auf und zog einen Mann mit schwarzen Haaren und einer braunen Lederjacke in eine stürmische Umarmung.
Langsam standen Alina und ich ebenfalls auf und näherten uns den beiden. Dort warteten wir leise und mit gemischten Gefühlen, bis Cathrin ihn aus ihrer Umarmung frei gab und uns lächelnd anblickte.
"Mädels, das ist Finn.", sagte sie, dann wandte sie sich ihm zu und deutete zuerst auf Alina und dann auf mich und stellte uns ebenfalls vor.
Ich reichte Finn kurz die Hand. "Freut mich, dich kennenzulernen.", sagte ich und er nickte mir zu.
Dann wandte er sich an Alina und reichte ihr ebenfalls die Hand.
"Ja ähm, freut...freut mich auch, dich kennenzulernen.", stotterte sie und blickte schnell zu Boden, doch sie konnte die Röte nicht verbergen, die ihr ins Gesicht schoss.
Ich musste grinsen.
Zugegeben, der Typ sah mit seinen braunen Augen, den markanten Augenbrauen und den geschwungenen Lippen wirklich nicht schlecht aus und Alina schien das ganz genauso zu sehen, wie ich. Kopfschüttelnd, aber weiterhin grinsend folgte ich Finn zurück in die Küche, in der Cathrin bereits auf uns wartete. Er schien nichts bemerkt zu haben.
Gerade als ich den kleinen Raum betrat, verschwamm plötzlich mein Blickfeld und mir wurde schwindelig, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sackte zusammen.

Es war...metallisch, das war das erste, was mir hierzu einfiel. Das zweite war, dass es finster war. Nicht ganz finster, dafür sorgten die Sterne, die, wie mir jetzt klar wurde, durch eine große Scheibe in den Raum leuchteten und den Blick auf zwei Männer in Uniform und mit seltsamen Kappen auf dem Kopf ermöglichten, die an einer Schaltzentrale saßen und irgendwelche blinkenden Knöpfe drückten.
Da ich seitlich neben ihnen an der Wand stand, konnte ich den gesamten Raum überblicken und erkannte recht schnell, dass ich mich im Cockpit einer Raumfähre befand.
Während ich noch verwirrt zu verstehen versuchte, wie ich hierhergekommen war, und sich langsam Angst in mir ausbreitete, betrat ein großer Mann mit schwarzer Uniform und schwarzem Umhang, der einen krassen Gegensatz zu seinen roten Haaren bildete, das Cockpit und sagte mit schneidender, rechthaberischer Stimme, bei deren Klang die beiden Piloten zusammenzuckten: "Wie lange dauert das denn noch?"
"Nicht mehr lange, Sir, nur noch ein paar Minuten, der Planet ist schon auf dem Radar."
"Das sagten Sie vorhin schon.", erwiderte der Rothaarige mit finsterem Blick, während er den Kopf leicht zur Seite drehte, sodass ich sein Gesicht sehen konnte.
Es war der zweite Mann, der sich in meinem Traum zusammen mit Kylo Ren in dem dunklen Raum befunden hatte.
General Hux.
"Commander Ren wird nicht glücklich darüber sein, dass..."
"Ich kann selbst für mich sprechen, General.", erklang plötzlich eine monotone, tiefe, roboterartige Stimme hinter Hux, welcher blitzartig herumfuhr.
Es war er. Der Mann vor dem ich schon seit Stunden davonlaufen wollte, und doch nicht weiterkam und der die ganze Zeit über schon den Mittelpunkt meiner Gedanken gebildet hatte.
Es war Kylo Ren.
Er war einer dieser Personen, die die Menschen mit ihrer Präsenz verstummen ließen, wenn sie einen Raum betraten und das zeigte auch Wirkung auf den General, der dies jedoch zu verbergen versuchte.
"Sicher können Sie das, Commander, aber Sie befanden sich eben nicht hier, richtig?", giftete Hux.
Kylo Ren blickte den General eine Weile schweigend durch seine Maske hindurch an, dann machte er einen kurzen Schritt auf ihn zu und erhob einen Arm, wodurch seine ebenfalls schwarze Kutte in Wallung geriet.
Diese eine Bewegung, oder besser gesagt das, was sie auslöste, ließ Hux Gesichtsausdruck von selbstgefällig zu angestrengt zu gequält springen und ich schnappte entsetzt nach Luft. Es war ganz eindeutig, dass Ren ihm die Luft zum Atmen nahm. Ich hatte ganz vergessen, dass Kylo Ren auch noch ein Machtintensiver war, was unser Problem noch viel größer werden ließ und mir wieder einmal schmerzlich bewusst machte, wie wenig Zeit wir eigentlich noch hatten.
Während ich schon wieder in meine Gedanken abzudriften drohte, hörte ich plötzlich ein heiseres Luftschnappen und sofort war mein Kopf wieder ganz klar. Der Anführer der Ritter von Ren hatte keine Scheu davor, seine eigenen Leute zu verletzen, also wollte ich mir gar nicht ausmalen, wie es wäre, von ihm erwischt zu werden.
"Seien Sie vorsichtig, General, sonst...", ertönte wieder die heisere Roboterstimme, doch mitten im Satz brach sie ab und Rens Kopf fuhr herum, sodass er nun durch die Scheibe hinaus ins All sehen konnte.
"Wir sind fast da. Ich kann es fühlen. Ich kann...ich kann sie fühlen.", sagte er bedrohlich leise. Aber auch verwirrt.
Das ließ mich erschrocken nach Luft schnappen und augenblicklich wandte sich sein Kopf in meine Richtung und er ließ von General Hux ab, der sich kraftlos an der Wand abstützte.
Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu und streckte seine Hand aus.
"Was zum...?", murmelte er, während ich mich weiter an die Wand drückte und versuchte, ihm zu entkommen.
Genau in diesem Augenblick löste sich das Bild erneut auf...

...und ich öffnete die Augen. "Lia, Lia geht es dir gut?", fragte mich jemand, dessen Stimme ich nicht richtig zuordnen konnte.
"Ist sie verletzt?", fragte eine andere, tiefere, offenbar männliche Stimme. Finn. Eine Gestalt tauchte in meinem Blickfeld auf. Es war Cathrin.
"Nein, nein es scheint ihr gut zu gehen. Diesen Dickschädel bekommt nichts und niemand so leicht kaputt."
Sie lächelte leicht, doch ich schaffte es nicht, es zu erwidern, denn nun fiel mir alles, was gerade passiert war, wieder ein, und ich setzte mich schnell auf, was mein Kopf mit einem scharfen Schmerz quittierte.
Ich zuckte zusammen und stöhnte benommen.
"Komm, lass mich das mal ansehen.", schaltete sich jetzt auch Alina ein, aber ich war schon auf den Beinen, schüttelte die Hand meiner besten Freundin ab, die mich sachte zu einem der Stühle dirigieren wollte und sagte panisch aber mit Nachdruck in der Stimme: "Nein, nicht jetzt. Dafür ist keine Zeit. Sie sind hier!"

Kylo Ren

Ich stand wie versteinert da und niemand wagte es, das Wort zu erheben. Die Piloten taten, als hätten sie nichts bemerkt und Hux blickte mich zwar voller Verachtung und Wut an, war aber nicht dumm genug, den gleichen Fehler nochmals zu begehen.
Langsam ließ ich die Hand sinken und ein hinterlistiges Grinsen stahl sich auf mein Gesicht.
Ich konnte mir denken, wer für diese Präsenz verantwortlich war, die ich erneut gespürt hatte und ich wusste, dass dieses Mädchen, Lia, wusste, dass ich und dieser lächerliche General nach ihr suchten, was zwar ein wenig ärgerlich, aber nicht weiter schlimm war.
Allerdings konnte ich eines mit Sicherheit sagen: sie kannte meinen Namen und sie kannte meinen Ruf, das konnte ich spüren. Aber ich fühlte noch etwas: ihre Angst. Die Angst vor mir.
Mein Grinsen wurde diabolisch.

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