noch nicht am Ende

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Überall sind Stimme, nicht die gewohnten aus der Tiefe, sondern Echte von realen Menschen. Sie sind nah, vertraut und doch so gedämpft, als halte ihr jemand die Ohren zu. Langsam spürt sie die Sehnen und Muskeln ihres Körpers, wie sie sich aus der schwarzen Masse von klebriger Flüssigkeit ziehen und zurück zu neuem Leben erwachen. Alles wirkt so unwirklich und sie hat sich lange nicht mehr so schwach gefühlt. Was ist passiert? Oh, ja. Ihr Vater hat sie verprügelt und sie hat ihn verprügelt. Amüsant irgendwie. Vorsichtig zucken ihre Finger und sie bewegt prüfend jeden spürbaren Muskel. Das Stimmengewirr wird lauter, die Taubheit im Kopf lässt nach und sie beißt die Zähne energisch aufeinander. Kann doch nicht wahr sein!

"Bei allen Göttern... seid doch mal etwas leiser..." ihre Zunge ist schwer, der Mund staub trocken und ihre Laune durch die Schmerzen ziemlich im Keller. Ihr Schädel brummt und allein das Anheben ihrer Hand kostet sie jegliche Kraft. Die Stimmen verstummen sofort und alle Augen richten sich auf sie, die dem Tode mal wieder so unfassbar nah war. Jason stürzt zu ihr, umfasst ihre Hand und streicht ihr ungläubig über die Wange. Diese Reaktion bringt sie zum Kichern und mit brüchiger Stimme neckt sie ihn:"Na, bist du jetzt doch weich geworden?" Er lacht und küsst ihren Handrücken, doch etwas verwirrt sie. Warum ist er so übel zugerichtet? Ihr Blick gleitet durch den Raum und erkennt Bruce, Tim und Dick. Sogar der kleine Damian. Neben ihrem Bett stehen Harley und Ivy, doch jeder von ihnen hat viele Wunden, Verbände und andere Verletzungen. "Was ist mit euch passiert?" Fragt sie und versucht sich aufzurichten, aber ohne Hilfe schafft sie das kaum. Jason stützt sie vorsichtig. Alfred schmunzelt und reicht ihr einen Tee:"Wie schön, sie machen sich mal wieder Sorgen um die anderen. Dabei sind Sie uns doch fast auf dem OP-Tisch weggestorben." Sie ist was? Hier gehen seltsame Dinge vor.

Harley drückt sie etwas zu grob an sich und wimmert entschuldigend, während Rue der heiße Tee über die Haut läuft:"Ich hatte solche Angst um dich! Wieso machst du solche Dummheiten?" Dummheiten? Wann hat Rue jemals keine Dummheiten gemacht? Langsam zieht Ivy ihre Freundin zurück und Bruce, in vollem Batmanaufzug, gesellt sich nun neben sie, setzt sich auf einen Stuhl und wirft einen prüfenden Blick über ihre Verletzungen:"Nachdem ihr auf dem Schlachtfeld zusammengebrochen seid, ist das Chaos ausgebrochen. Joker wollte dich mitnehmen und hat deshalb allen eingebläut sich bereitzuhalten und euch beide zu verschleppen." Er muss nicht weitersprechen, denn ihr wird klar was dann wohl geschehen sein muss. Die Helden haben sie nicht im Stich gelassen. Nein, sie haben alles getan, um dieses kaputte Mädchen zu retten und in ihre Obhut zu bringen. "Hey, alles gut, Kleine?" Tim tritt erschrocken ans Bett und alle sind verwundert über diese neue Reaktion. Die junge Frau sitzt auf dem Bett, mit einem extrem breiten Lächeln und weint plötzlich los. Ein Schwall dicker Tränen rinnt über ihr Gesicht und scheint gar nicht mehr versiegen zu wollen, dann beginnt sie auch noch zu lachen und wischt sich mit schwachen Gliedern über die Wangen. Es will jedoch nicht aufhören und als alle Versammelten sanft lächeln, weiß auch sie wie erwünscht sie doch in dieser Welt ist. Es werden viele Narben bleiben und sicher noch mehr hinzukommen, doch diese Wärme in ihrem Herzen, die heilt andere Narben und lässt sie verblassen.

Harley und Ivy verabschieden sich, weil es für sie doch seltsam ist von so vielen Helden umgeben zu sein. Sie befinden sich nicht im Wayne Anwesen, das würde Bruce auch niemals zu lassen. Jedoch erkennt Rue das es sich wohl um den zweiten Unterschlupf von ihm handelt, ein Gebäude neben seinem eigentlichen Arbeitsplatz. Sie kann die Gebäude im Licht der Sonne erstrahlen sehen und fühlt sich seltsam in dieser edlen Wohnung. Dick und Bruce haben sich in ein Gespräch vertieft, über einen Laptop gebeugt und von Alfred umsorgt, während sie noch immer nicht ganz begreifen kann was geschehen ist. Langsam erkennt sie Tim neben sich. Der Junge, der ihr einst den Weg zu Batman eröffnet hat, der Junge, den sie geliebt hat und dem sie eigentlich noch so viel schuldet, doch in seinen Augen glänzt ein ebenso verzwicktes Gefühlschaos. Sie haben wirklich viel falsch gemacht und dennoch spüren sie eine Verbindung zueinander.

Tim streicht ihr über die Wange und drückt ihr einen zarten, scheuen Kuss auf die Schläfe, dann flüstert er:"Es tut mir leid." Sie lächelt traurig und stupst seine Nase mit dem Zeigefinger an:"Wir sind beide Schuld... es sollte nicht sein. Jedoch habe ich dich zu einem guten Anführer herangezogen, oder nicht?" er kichert und will etwas erwidern, doch da kommt ihm das bösartige Knurren von Jason in den Weg. Als die Blicke, der beiden sich treffen scheint der Raum in Flammen zu stehen und für einen Moment wird sogar den anderen Anwesenden unwohl zumute. "Verletz sie und ich bring dich um.", flüstert Tim mit tödlichem Blick, während Jason ihre Hand noch besitzergreifender umfasst:"Komm ihr nochmal so nah und ich erwürge dich mit deinem süßen Umhang!" diese animalische Seite hat sie auch noch nicht an ihm gesehen und genervt seufzt sie auf:"Wenn ihr mir auf die Nerven geht werde ich euch beide lebendig einmauern!" Bruce erstickt fast an seinem Getränk, während Dick lauthals losbrüllt vorlachen.

Langsam verlassen alle den Raum, um ihr Ruhe zu gönnen und sogar Jason verschwindet, damit sie genesen kann und nicht bei jeder Berührung unter Schmerzen leidet. Sie rollt sich langsam zur Seite und wirft einen Blick durch das große Fenster des sicher höchsten Gebäudes in Gotham und denkt über die Bruchstücke in ihrem Kopf nach. Stück für Stück fügen sie sich zusammen und langsam versteht sie was geschehen ist. Sie hat gewonnen! Wer hätte einen solchen Ausgang erwartet? Dabei hatte sie so viele Zweifel und Ängste und hat wirklich für den Bruchteil einer Sekunde darüber nachgedacht ihm die Hand zu reichen, doch die Hände ihrer neuen Freunde und Familien haben sie aus diesem Sumpf heraus geholt. Ein Kichern entgleitet ihrer Kehle, verstohlen und sanft, wie das leise Lachen eines Kindes. Bevor sie einnickt fällt ihr ein seltsames Bild neben ihrem Bett auf. Noch ganz in Gedanken versunken bringt sie alle Kraft und Energie auf um nach dem Rahmen zu greife und es sich vor die geschwollenen Augen zu halten. es dauert bis sie es richtig hält und dann auch noch genau erkennt, doch was sie erblickt überrascht sie. "Mum!" haucht sie erstickt und ein schräges Lächeln legt sich auf ihre Lippen. Da ist wirklich ihre Mutter, die einen etwas jüngeren Bruce an sich drückt und ihm wohl den schicken Anzug zerknittert. Der jungen Frau wurde oft erzählt, dass ihre Mutter ein ziemlicher Partycrasher war und jede edle Feier oder Gala aufgemischt hat. So hat sich Rue diese Fremde schon immer vorgestellt. Jedoch wird ihn nun auch noch etwas anderes bewusst. Batman hat sie sehr schnell aufgenommen, kaum Fragen gestellt und oft viel mehr über Rue gewusst als sie erwartet hat. Natürlich hat er keine Fragen gestellt, wenn er ihre Mutter und somit ihr Schicksal kannte. Er ist nicht dumm, doch all diese Zufälle waren vielleicht nicht immer so zufällig. Hat sie ihn gebeten ein Auge auf ihre Tochter zu haben?

"Du bist schon immer hier gewesen, oder? Du hast mich nie verlassen..." flüstert Rue und erneut wird ihre Sicht glasig, doch genau dadurch kann sie eine verschwommene Gestalt auf dem Sessel vor dem Fenster erkennen. In einem weißen Kittel, eine Brille auf der Nase und völlig auf ihr Schreiben fokussiert sitzt die Frau dort und füllt den Raum mit harten Geräuschen, sobald sie den Stift auf das Blatt setzt. "Ich verlasse dich nie." spricht die Frau, doch ihre Stimme scheint so weit weg zu sein. Das ist nicht ihre wahre Mutter, nur ein Hirngespinst ihres von Schmerzmittel betäubten Kopfes, und doch ihr Anblick so heilend wie eine Medizin. Ihre zarten Finger berühren kaum die haut der Verletzten und doch drückt sie sie leicht nach hinten in die Kissen und gibt ihr einen hauchfeinen Kuss auf den Scheitel:"Ich liebe dich, mein kleines Chaos." Bevor Rue die Augen vollkommen schließt, drückt sie das Bild an ihre Brust und sieht wie sich die Flügeltür des Zimmers öffnet und die große Frau ihr den Rücken zuwendet. Sie streckt die Hand zur Seite und plötzlich tritt ein kleines Mädchen mit einer Puppe im Arm zu ihr und ergreift diese Hand. Beide schauen zurück zum Bett und lächeln ihr ermutigend zu, bevor sie für immer verschwinden und alles mit sich nehmen.

Sie hat mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen, sie nun losgelassen und wird sie nun vergessen. Nun darf sie endlich einen eigenen, neuen Weg einschlagen und als eigenes Monster diese Welt aufmischen.

He called me daughter - She returnedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt