37.

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Mein Kopf schmerzte. Ich wusste aber nicht ob vor Kopfschmerzen oder einfach vor Stress. Die Fahrt zu meinem Onkel zog sich wie Gummi und war nur mit einer eisernen Stille gefüllt. Nach unserem Versprechen legte sich eine Nervosität über uns. Aaron neben mir klebte mit seinem Gesicht auf dem Handy und Manuel, der betrachtete die vorbeiziehende Landschaft. Auch ich widmete mich wieder dem Beobachten des Fahrtverlaufes. Ich bemerkte nun, dass sich das Auto immer mehr verlangsamte und schlussendlich in ein kleines abseits liegendes Dorf abbog. Ich stöhnte leise auf. Weit weg von der Zivilisation war eine sehr gute Voraussetzung für ein ,,neues Leben". Auch Manuel schien der gleichen Ansicht zu sein. Denn er drehte seinen Kopf Augenrollend nach vorne. ,,Macht euch bereit. Wir sind gleich da.", trällerte der Polizist. Der Polizist schien als Einziger nicht die angespannte Stimmung zu bemerken. Immer wieder trällerte er sie Charts aus seiner Playlist mit. Sein Kollege stupste ihn ein paar mal an, dies ignorierte er unbewusst oder er machte es bewusst und wollte die Stimmung auflockern.

Aaron stellte sich der Aussage des Beamten entgegen. Jetzt stöpselte er sich sogar noch Kopfhörer in die Ohren. Ich musste schon zugeben, dass ich ihn für seine coolness beneidete und vor allem um seine Kopfhörer, denn jetzt fing der Fahrer wieder laut an den Songtext mit zu singen. Aaron war glücklicherweise von dem Trällern ausgeschlossen. Der Beifahrer stupste seinen Kollegen leicht an und deutete auf ein Haus. Sofort schnellte mein Blick zu dem Haus. Es war auf der rechten Seite, sodass mir durch Manuel die Sicht beeinträchtigt wurde. Jedoch sah ich deutlich, dass sich unser zukünftiges Haus sehr stark von unserem alten Wohnort unterschied.

Sofort schoss mir in den Kopf, dass es sich hier um ein reelles Bild eines typisch amerikanischen Wohnorts handelte. Die Gärten groß, die Nachbarn so dicht an einem dran, dass sie jedes Gespräch mithörten. Die Privatsphäre könnte ich mir schon einmal abschreiben. Das Klischee entsprach genau, wie meine Brüder ihn beschrieben haben. Ihm war das amerikanische Leben als Bürger sehr wichtig. Niemals war er davon überzeugt jemand mit deutschen Wurzeln zu heiraten. Deswegen war der Kontakt zu meinen Eltern mit ihm abgebrochen.

Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen als wir vor der Einfahrt anhielten und sich die Vordertüren öffneten und mit einem lauten Knall schlossen. Nervös strich ich mir eine meiner losen Strähnen hinter mein Ohr. Dabei zitterte meine Hand. Ich war mehr als nur offensichtlich nervös auf mein neues Leben. Mein neues Leben ohne meine Familie. Die kalte Luft traf mich wie ein Schlag ins Gesicht und ich realisiertet, dass ich den ersten Schritt jetzt wagen musste. Ich wagte einen kurzen Blick zu Manuel. Dieser saß aber nur vor geöffneter Türe mit verschränkten Armen und stürme Blick da und schien sich keinen Zentimeter bewegen zu wollen. Aaron starrte immer noch wie ein Verrückter auf sein Handy. Also musste ich wohl oder übel die Erwachsene sein.

Mein Beine schwang ich auf den grauen Asphalt und stütze mich auf. Der Polizist schaute mich aufmunternd und erleichternd an. Ein klacken von Schuhen verriet mir, dass die Frau sich vom Jugendamt näherte. Ihr Blick streng und undurchschaubar. ,,Na gut. Manuel und Aaron aus dem Auto!", ihre Stimme war wie ihr Gesicht harsch und fahl. ,,Nein, kein Bock.", antworte Aaron nur genervt während Manuel zögernd aufstand. ,,Aaron River. Hier wird nicht diskutiert!". ,,Ich habe aber keine Lust. Gehen Sie mir nicht auf die Nerven!", schüttelte Aaron sie ab. Sie räusperte sich kurz und einer der beiden Polizisten setze sich neben Aaron, auf meinen ehemaligen Platz. Er stupste ihn kumpelhaft an und sprach leise mit ihm. ,,Ich glaube wir machen uns dann schon einmal auf den Weg. Ihr werdet schon sehnlichst erwartet.". Ich ersparte mir jegliches Kommentar. Manuel und ich sahen uns nur wissend an. Wir freuten uns auf jeden Fall mit einer hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit nichts auf unseren Onkel. Manuel machte nur eine Grimasse, die so aussah als würde er jeden Moment sich übergeben müssen. Ich unterdrückte nur mein Lachen, musste mich aber krampfhaft zusammenreißen.

Big BrothersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt