Das Wasser des Sees wurde in blutrotes Licht getaucht. Cassandra kaute nervös auf ihren Fingernägeln und beobachtete wie Jen und Medusa Fynn aus Jens Geländewagen hoben. In Medusas Käfer hatten sie zu dritt nicht hineingepasst. Cassandras Magen krampfte sich zusammen, als sie sah, wie schlaff und reglos Fynn in den Armen der beiden Frauen lag.
„Und ihr seid euch sicher, dass der Eingang hier ist?", fragte sie leise.
Jen nickte. „Ja, ganz sicher."
Cassandra schaute sich um. „Und wo bitteschön? Ich sehe nichts außer Gras und Wasser."
Medusa und Jen legten Fynn vorsichtig im Gras ab.
„Dann siehst du ja alles, was du sehen musst.", antwortete Medusa angespannt und deutete auf das Wasser, „Da ist das Tor."
„Im Wasser? Wie sollen wir Fynn ins Wasser kriegen?", fragte Cassandra verzweifelt.
Jen und Medusa wechselten einen Blick. Medusa holte tief Luft. „Wir schaffen das schon irgendwie."
Cassandra warf einen verzweifelten Blick auf Fynn, dessen Brust sich regelmäßig hob und senkte.
„Na schön.", murmelte sie und begann in das kalte Wasser zu waten. Als sie bis zu den Knöcheln im Wasser stand, drehte sie sich noch einmal zu ihren Freundinnen um. „Worauf wartet ihr denn noch? Ihm bleibt nicht mehr Zeit."
Jen nickte und bedeutete Medusa Fynns Arme zu nehmen. Zusammen trugen sie ihn ins Wasser, bis sie bis zu den Oberschenkeln im Wasser standen. Dann ließen sie Fynn langsam in die, vom Wind erzeugten, Wellen hinab.
„Wir müssen noch ein bisschen weiter.", flüsterte Jen angespannt und schob Fynn voran. Nun standen sie alle bis zur Hüfte in dem kalten Wasser. Jen schaute zum Himmel und blinzelte ein paar Mal, um die aufkommenden Tränen zu vertreiben.
„Du machst gleich genau das, was wir auch machen.", flüsterte Medusa Cassandra zu. Diese nickte.
„Öffne dich und lass uns ein, auf das wir deine Schönheit ehren können.", flüsterte Jen und griff nach Fynns Hand. „Alles wird wieder gut, das verspreche ich dir."
Mit diesen Worten umklammerte sie Fynns Körper und ließ sich mit ihm zusammen in die Wassermassen fallen. Der See schien sie zu verschlingen und schon bald war sie nicht mehr zu sehen.
Cassandra schnappte nach Luft. „Was-"
„Mach einfach, was sie auch gemacht hat.", sagte Medusa eindringlich und schloss die Augen. Mit einem kaum hörbaren Platschen ließ sie sich rücklings ins Wasser fallen.
Cassandra schaute sich um und holte dann tief Luft. Mit klopfenden Herzen ließ sie sich nach hinten überfallen und versank zwischen den leichten Wellen.
Sie hatte erwartet, dass ihr Körper sich gegen dieses Untergehen sträuben würde, doch so war es nicht. Er gab sich dem einfach hin. Plötzlich war es vorbei und sie spürte das frische Gras zwischen ihren Fingern und hörte das Gezwitscher von Vögeln.
Langsam erhob sie sich und drehte sich einmal im Kreis. Dass Medusa und Jen neben Fynn knieten, bereit ihn wieder zu tragen, nahm sie zunächst gar nicht wahr.
Sie drehte sich ein weiteres Mal um sich selbst und dann starrte sie plötzlich in zwei schmale, braune Augen. Sie keuchte auf und wich einen Schritt zurück. Nun konnte sie die junge Frau vollständig erkennen. Diese schenkte ihr hingegen keine Beachtung, sondern lief sofort auf Fynn zu.
„Oh nein, Fynn."
Cassandra betrachtete die Flügel, die aus dem Rücken der Frau ragten. Sie schimmerten lila und waren geformt wie die Flügel eines Schmetterlings. Sie glichen keines Falls denen von Fynn.
Die Frau beugte sich über Fynn und schloss die Augen. Langsam ließ sie eine Hand über seinen Körper gleiten, die warm zu leuchten begann.
„Ich habe geahnt, dass so etwas passieren wird.", flüsterte sie.
Medusa sah sie verwirrt an. „Du wusstest, dass es ihm schlecht ging Mara?"
Mara nickte. „Ja, das wusste ich.", gab sie kleinlaut zu, „Fynn war hier, nur kurz nachdem das Chi- Symbol auf seinem Handgelenk erschienen ist. Er wollte wissen, ob die Verbindung auch mit einem Menschen funktioniert."
„Und tut sie das?", mischte sich jetzt auch Cassandra ein.
Erst jetzt schien Mara sie zu bemerken. Langsam richtete sie sich auf. „Dann musst du Cassandra sein, seine Chi."
Cassandra nickte langsam. „Anscheinend."
Mara kam mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck auf sie zu und packte ihr Handgelenk.
„Autsch.", protestierte Cassandra.
Mara beachtete sie gar nicht, sondern schob ihren Ärmel hoch und fuhr über das Symbol auf ihrem Handgelenk. „Wenigstens ist es jetzt da.", murmelte sie und schaute Cassandra nachdenklich in die Augen. „Er hat mit dir kein Wort darüber gesprochen, oder?"
Cassandra schaute zu Boden und schüttelte den Kopf. „Nein, das hat er nicht. Ich wusste bis gerade nicht, dass so etwas überhaupt existiert."
Mara ließ ihr Handgelenk los. „Und doch bist du bereit diese Verbindung einzugehen?"
„Es ist seine einzige Chance.", erwiderte Cassandra mit brüchiger Stimme.
Mara nickte verstehend. „Und du bist dir über die Risiken bewusst?"
„Sie können nicht so groß sein, wie die Gewissheit, dass Fynn sterben könnte.", sagte Cassandra entschieden, „Was für Risiken könnten das schon sein?"
Mara wandte sich von ihr ab. „Nobel, nobel.", murmelte sie und schnippte mit den Fingern. Ein leicht glitzernder Schleier legte sich um Fynns Körper und hob ihn langsam in die Luft. Vielleicht wäre dies ein beeindruckender Moment gewesen, wenn es unter anderen Umständen zu diesem Zauber gekommen wäre, doch so glich dieser Schleier einem durchsichtigen Sarg.
Mara wandte sich an Jen und Medusa. „Wir sollten gehen. Ich kann seine Magie zwar noch spüren, aber wer weiß wie lange noch. Wenn sie erstmal vollständig erloschen ist, ist es zu spät."
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Medusa-Die Frau im Trenchcoat
FantasyWatty Gewinner 2022! *abgeschlossen!* Cassandra folgte Medusa weiter den Gang entlang. "Wie sind Sie zur Jägerin geworden? Und wie ist es möglich, dass Sie noch leben? Auf Wikipedia steht, dass Sie von Perseus getötet wurden." "Sehe ich für dich et...