Robert mag vielleicht in der Lage sein, mich von der Außenwelt abzuschneiden, aber zumindest meinen iPod hat er mir gelassen.
Ich weiß, in unserer heutigen Zeit sind die Teile aus der Mode gekommen (der Wirtschaftsstudent in mir beginnt über Produktlebenszyklen und deren Verlängerung nachzudenken. Gott, hasse ich Wirtschaft!), aber ich stehe auf die Dinger.
Da habe ich all meine Musik gespeichert, die ich so zum Überleben brauche. Wenn man mit einem Vater wie Robert aufwächst, lernt man eben alle Eventualitäten einzuschätzen. So auch das Szenario, das ich aus irgendeinem Grund mein Handy nicht mehr bei mir habe, meine Musik aber brauche. Und so danke ich stumm dem Gott, an den ich nicht mehr glaube, dass mein Vater mir wenigstens den gelassen hat, während ich den Stimmen von David Bowie, Dolly Parton und Gloria Gaynor lausche.
Mein Blick liegt dabei wieder mal auf dem Fenster und ich sehe, wie die Schneeflocken fallen, fallen, fallen. Wie muss das sein, so ein Leben als Schneeflocke? Geboren, um zu fallen.
Sofort beuge ich mich rüber zum Nachttisch, in dessen oberste Schublade ich mein Notizbuch habe.
Das Ding ist völlig zerfleddert, zerknittert und es fallen einzelne Seiten heraus, weil der Buchrücken mehr als einmal gebrochen ist, es quillt über von Zetteln, alten Quittungen, Fotos und eingefügten Notizen. Mittlerweile dürfte das Notizbuch deshalb mehr als doppelt so dick sein. Ich sammle halt gern. Mit einem dieser Billigkugelschreiber, die Doktor Bloom für das Brieffreund-Projekt hiergelassen hatte, schreibe ich: Geboren, um zu fallen.
Ich schreibe dies auf meinen Friedhof ungesagter Dinge, wohl wissen, dass ich diesen Friedhof niemals jemandem zeigen werde. Es ist nur eine weitere Seite in meinem Notizbuch. Währenddessen wurde Gloria von Nick Cave und Oh Children abgelöst und ich komme in eine mehr als nur melancholische Stimmung.
Ich hasse mich dafür, weil es Vergangenheit ist. Ich habe schon vor langer Zeit diese Tür zu diesem Bereich meines Bewusstseins und meines Gehirns geschlossen. Und doch...
Egal, wie sehr ich jedes Mal versuche, diese Tür geschlossen zu halten, eigentlich öffnet sie sich jedes Mal, wenn ich schreibe, ein wenig. Nur kurz und nur so lange, bis ich mir dessen bewusst werde und sie in Gedanken wieder zu schlage. Und doch tauchen kurze Eindrücke auf. Nachmittage gefüllt mit dem Duft von Zitronenkuchen und Regen, feuchter Erde und alten Büchern. Ein kleiner Buchladen und der Mensch, der mir mein erstes Buch schenkte. Mein erstes Notizbuch. Und meine liebe für Worte.
Ich hasse mich immer noch dafür, dass ich immer noch nach all den Jahren, nach einem jeden ordentlichen Regenguss tief einatme und mir vorstelle, wie er sagt »Kommst du noch mit rein? Meine Mum hat Kuchen für uns gebacken?«.
Und auf diese Frage gab es nie ein Nein als Antwort, weil der Platz am Küchentisch neben ihm und mit einem Stück Kuchen vor mir mehr Zuhause war als alles andere seitdem und davor.
Gott, was fehlt mir Seattle.
Seattle war meine Heimat und Zuhause.
Ich hasse Boston. Ich hasse alles hier.
Meine Seele gäbe ich dafür, wieder dort zu sein, aber dies ist mir nicht vergönnt. Ich habe eine neue Seite aufgeschlagen, eine der wenigen, die noch leer sind. Auch wenn sie an den Rändern leicht vergilbt ist, nach all den Jahren, strahlt sie doch noch diese jungfräuliche Leere eines unbenutzten Blattes aus, dass darauf wartet, mit neuen Worten gefüttert zu werden.
Meine Fresse. Heute bin ich aber in Form! Könnte aber auch daran liegen, dass ich unter dem Einfluss starker Medikamente und Waltz #2 von Elliott Smith stehe.
Elliott Smith.
Mein Namensvetter mit dem zweiten t.
Mehr als einmal dachte ich daran, meinem Namen offiziell diese Änderung zu verpassen. Ein zweites t und ich glaube, ich könnte mehr sein, als ich es jetzt bin.
DU LIEST GERADE
Puck you!
Teen Fiction"Maybe we can fix each other." Seit acht Jahre schon sind Wesley und Elliot durch einen ganzen Kontinenten getrennt. Wes verlor bei Elliots Umzug an die Ostküste seinen besten Freund. Und Elliot verlor, alles was er je Zuhause genannt hatte. Dana...