Prolog - Wesley Adams

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Das grelle Licht der Scheinwerfer strahlt mir entgegen und lässt mich außer meinen Mitspielern und meinen Gegnern kaum etwas erkennen. Das Zuschauer in der großen Eishalle sind, weiß ich nur, weil ich ihre anfeuernden Rufe wahrnehme. Einen genauen Schlachtruf lässt sich nicht erkennen, ich ahne den Ruf der Huskys heraus. Ich meine einzelnen Worte heraus hören zu können. Nachdem ich mich einige Runden warmgelaufen habe, spüre ich die Kälte der Halle nicht mehr. Ich inhaliere den Geruch nach Kunsteis und dem leichten Schweißgeruch, der in der Luft hängt.
Früher fand ich diesen Geruch schrecklich. Als ich das erste Mal eine Eishalle betreten habe, war, dass das erste, was ich meinem besten Freund damals gesagt habe. Ich glaube, meine Worte waren, »Hier stinkts.« Er hatte damals nur gelacht. Mittlerweile könnte ich schwören, dass mein Amortentia, nach genau dieser Mischung aus Kunsteis und dem Schweißgeruch und der Geruch nach alten Büchern riecht. Vielleicht aber auch nach der Erde nach einem Regen. Da bin ich mir nicht so sicher.
Der Pfiff des Schiedsrichters ertönt und das Spiel beginnt. Ich habe nicht einmal mitbekommen, dass ich wohl die letzten paar Runden einfach so über das Eis geglitten bin. Der Griff um meinen Schläger wird fester und ich beginne langsam schneller zu laufen. Das Eis gibt mir dieses Gefühl von Freiheit. Vor allem heute. Heute ist das erste Spiel, wo ich vor meiner Mannschaft geoutet auf dem Feld stehe. Sie haben es erstaunlich gut aufgenommen. Klar, es gab den einen oder anderen dummen Kommentar, aber unser Kapitän hat deutlich zu verstehen gegeben, dass er in seiner Mannschaft keine Homophobie dulden wird. Für diese Unterstützung bin ich ihm zutiefst dankbar.
Ich sehe einen Spieler aus der gegnerischen Mannschaft direkt auf mich zu fahren, ich bin nicht schnell genug und er drängt mich gegen die Bande ab. Ich meine ihn etwas sagen zu hören wie »Schwuchtel.« Sicher bin ich mir nicht. Ich versuche den Kommentar an mir abprallen lassen, aber ich kann nicht verhindern, dass ich mich zu fragen beginne, woher er das weiß. Ich habe es nur meiner Mannschaft erzählt. Außer meiner Familie, die irgendwo oben auf der Tribüne sitzt, und meinen Freunden weiß niemand, dass ich schwul bin. Genau aus dem Grund, dass so etwas nicht passiert.
Zwei Gegenspieler kommen auf mich zu Gefahren und engen mich ein. Diese Enge reißt mich von den Beinen. Ich lande auf dem kühlen Eis. »Im Eishockey haben Schwuchteln nichts zu suchen!«, höre ich sie rufen, während ich mich mit meinem Schläger vom Boden abstütze. Das Spiel verläuft weiter so. Immer wieder werde ich von dem verschiedensten Spieler aus der Mannschaft von Boston beleidigt und ich muss mir mehr als ein Mal anhören, dass ich auf dem Eis nichts zu suchen habe. Das Eishockey, ja ein Männersport sei. Ich habe nicht die Kraft, mich dagegen zu wehren. Mit jeder weiteren Beleidigung verliere ich meine Konzentration weiter. Wer kommt mit so was bitte klar? Viel schlimmer sitzt allerdings der Gedanke, dass jemand aus meinem eigenen Team mich wohl verraten hatte. Ich bin so abgelenkt von meinen eigenen Gedanken, dass ich den Schläger, der über den Boden saust, nicht sehe und darüber stolpere. Ich spüre zwei starke Hände, welche mich für einen Moment auffangen, dann aber mit aller Kraft gegen die Bande schleudern. »Lass dir das eine Lehre sein! Schwuchtel haben auf dem Eis nichts zu suchen!«
Ich rutsche wie eine Fliege, die an der Scheibe erlegt worden ist, die Bande herunter und bleibe auf dem Boden liegen. Ich versuche mit aller Kraft aufzustehen und stemme mich mühsam in dem Vierfüßler stand. Mein Rücken schmerzt von dem Aufprall auf dem Boden. Jemand tritt mir die Hände und Füße weg. Ich lande erneut hart auf dem Bauch. Etwas Spitzes trifft immer wieder gegen meinen Rücken, meine Beine, meine Schultern. Unfassbarer Schmerz durchzuckt meinen Körper. Das letzte an was ich denke, bevor ich mein Bewusstsein verliere, ist der Geruch von alten Büchern.

...

Als ich meine Augen aufmache, blinzele ich erneut in helles Licht. Meine Augen brennen von der Helligkeit. Ich höre leises Schluchzen neben mir. Ich kann mir denken, wer weint. Die Frage ist nur, warum. Ich fühle wie meine beiden Hände festumklammert werden. Ich spüre alles. Alles bis auf meine Beine. Ich spürte noch mehr nicht. Alles unterhalb meines Bauchnabels.

Ich reiße meine Augen auf und sehe neben mich. Ich sehe drei Rotschöpfe. Ich atme tief durch, ich will stark sein. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann. »Mum?«, frage ich leise. Der Kopf meiner Mutter schießt nach oben. Ihre grünen Augen sind rot vom Weinen und ich schlucke.

»Du bist wach!« sie fällt mir um den Hals und ich schließe meine Augen, als mich ihr Geruch einhüllt. »Warren gehst du bitte Doktor Whittle holen?« Ich sehe, wie mein Vater, der aufsteht und bevor er den Raum verlässt mir die Schulter drückt.
Einige Minuten später kommt er mit einem hochgewachsenen Mann zurück in den Raum. »Es freut mich das Sie aufgewacht sind Mister Adams. Wie geht es Ihnen?« ich zucke mit den Schultern, ich weiß nicht, wie es mir geht. Der Doktor nickt und schreibt sich etwas auf, »Mister Adams ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie eine Contusio spinalis haben.« Mein Blick gleitet hilfesuchend zu meinen Eltern. Eine junge Frau tritt neben Doktor Whittle, ihre dunkelbraunen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. »Was er Ihnen eigentlich sagen wollte, Mister Adams, ist das sie eine Rückenmarksprellung haben.«

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