[chapter 17]

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Es waren nun einige Wochen vergangen und ich war es leid, zu warten. Immerzu bekam ich zu hören „Harry, ich kann noch nicht nach Hause kommen. Ich muss arbeiten", „Harry, bald komme ich wieder, versprochen", „Harry, du weißt, ich liebe dich.". Harry dies, Harry das. War es denn zu viel verlangt einen Tag mit meinem Freund verbringen zu wollen?
Heute war einmal wieder ein Tag, an dem meine Gedanken immerzu nur um Louis kreisten. Da kam es gerade recht, dass Niall in mein Zimmer hereinplatzte und fragte, ob wir einen Spaziergang im Wald machen wollten. Natürlich stimmte ich zu. So schnell wie heute hatte ich mich schon lange nicht mehr angezogen, ich war endlich mal wieder ein wenig aufgeregt und freute mich auf die frische Luft. Und obwohl es mir Sorge bereitete, dass Louis noch immer nicht nach Hause zurückgekehrt war, da das bedeuten musste, dass etwas ernsthaft nicht stimmte, wollte ich mir nicht ausmalen, was ihm wohl alles zustoßen könnte. Ich war es leid, immerzu die gleichen Sorgen haben zu müssen, immer das gleiche Verlangen nach im zu haben. Also kam Ablenkung genau richtig. Im Flur stoßen sowohl Liam und Niall zu mir. Beide nahmen sich je eine Waffe und bemerkten meinen verwirrten Blick zunächst gar nicht. Wofür mussten die beiden Waffen tragen, wenn wir doch nur spazieren gingen? Außerdem lebte sowieso keine Menschenseele im Umkreis von mehreren Meilen. Mein Blick verweilte immer noch auf der Waffe, die er in der Hintertasche verstaut hatte, als könnte ich durch ihn hindurchsehen. Er runzelte die Stirn und fragte: „Was ist los?" 

„Wofür braucht ihr denn Waffen? Wir gehen nur spazieren.", eine tiefe Falte bildete sich zwischen meinen Augenbrauen. Einerseits die Sorge, doch auch die Wut darüber, nicht einmal wie normale Menschen spazieren gehen zu können, ließ sich von meinem Gesicht ablesen. Einige Locken fielen mir ins Gesicht und ich versuchte, sie wieder nach hinten zu streichen, doch sie waren in den letzten Wochen etwas lang geworden und daher kaum zu bändigen. Ich war einfach zu faul, sie abzuschneiden, und hatte gehofft, es würde Louis gefallen. Doch nun war er ja nicht einmal da. „Ja, das ist so ein Ding. Louis' neue Vorschrift...", Niall versuchte abzuschweifen, ich nickte nur. Was auch immer Louis' 'neue Vorschrift' war, ich hatte bei dieser Angelegenheit nichts zu sagen. Schon lange hatte ich aufgehört, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was Louis' Vorschriften betraf. Es brachte nichts und das hatte es auch noch nie, also warum sich die Mühe machen?
Und schon waren wir aus der Tür und die frische Frühlingsluft prallte mir entgegen. Es war ein unglaubliches Gefühl, befreiend auf eine kaum zu beschreibenede Weise. Es blühte an allen Ecken, der Duft der Natur so stark wie nie. Das Lächeln auf meinem Gesicht war kaum zu übersehen und so machten wir uns auf den Weg. Liam und Niall schienen genauso froh, endich mal wieder raus zu kommen. Eine Farbenpracht von unterschiedlichen Grüns und Gelbs und Rots, es waren unzählige Farben. Wenn ich zu Hause wäre, würde ich nun meine Kamera zücken und meinen Finger wund knipsen. Ein Paradis auf Erden. Und es war wie ein Wiedersehen mit etwas, das man kannte und vermisst hatte, doch es war für eine Zeit unerreichbar. Ein alter Freund, der beinahe ein Fremder geworden war. Doch nun hatte ich diesen fremden Freud wieder und in diesem Moment war ich so glücklich, wie ich seit Wochen nicht mehr war.

Ich konnte wieder lachen, wie ein Kind, das ich innerlich noch manchmal war. Doch in den letzten Wochen und Monaten, in denen ich hier in Schweden schon war, musste ich schnell erwachsen werden. Es hatte etwas Trauriges, wenn man es so betrachtete. Doch in keiner Sekunde hatte ich Louis die Schuld dafür gegeben, er war es, was ich gewonnen hatte. Und mit allem was man gewinnt, muss man etwas verlieren. So war es im Leben, das wusste ich und das war okay. Ich würde alles aufgeben, um mit Louis zusammen zu sein. „Du siehst richtig glücklich aus.", sagte Liam mit einem kleinen Lächeln und stieß seine Schulter spielerisch gegen meine. Niall sagte erstaunt: „Es ist wunderschön!"

Ich nickte lächelnd als Form der Zustimmung.

Es war als liefe die Zeit langsamer, als sei ich in einem Rausch. Ich schloss die Augen, atmete tief ein und genoss das Gefühl in genau diesem Moment. Lang war es her, dass ich mich so frei und selbstbestimmt gefühlt hatte. Die kalte Luft umschloss mich wie ein großer Mantel und kühlte meine Haut. Tiefe Atemzüge schienen erstmals wieder möglich zu sein. Ich konnte es fühlen, die Tränen. Sie stiegen mir langsam in die Augen und eine einzelne lief mir brennend über die Wange. Ob es nun aus Freude oder Trauer war, ich konnte es nicht sagen. Meine Haut war kalt, beinahe taub. Meine Gedanken waren verwachsen, ich entglitt der Realität. Ein normales Leben mit Louis...
Der Schwindel kam plötzlich und doch nicht unerwartet, also öffnete ich die Augen.

S T A Y « l.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt