Stunde 13

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Kaito seufzte, als er sich fallen ließ und sich auf den Boden setzte. Sich gegen die Wand lehnend legte er den Kopf zurück und sah an die Decke. 
Shin’ichi würde bestimmt rausfinden, wo sie waren. Immerhin konnte man sich auf seine kleinen grauen Zellen verlassen. Schließlich war er ihm früher bei seinen Raubzügen schon mehrfach in die Quere gekommen. Und auch teilweise so, dass Kaito mehr als nur eine Sekunde gebraucht hatte, um sich etwas Neues auszudenken.  
Nachdenklich legte er die Stirn in Falten. Sein Magen schlug immer noch Purzelbäume. Das machte einen wahnsinnig. 
„Und? Wie wirst du dich entscheiden?“, fragte Vermouth ihn und blickte auf Kaito hinunter ehe sie sich ebenfalls hinsetzte. Ihm gegenüber. 
Kaitos Kopf beugte sich wieder nach vorne und er starrte sie verwirrt an. 
Vermouth lächelte leicht.
„Ich meine wegen seinem Geständnis im Krankenzimmer“, klärte sie ihn auf, da sie anscheinend bemerkt hatte, dass Kaito kurz auf dem Schlauch stand. „Immerhin wartet er schon ziemlich lange auf eine Antwort.“
Sein Magen spielte verrückt. Darauf spielte sie also an. Er biss sich kurz auf die Lippe und das Blut schoss ihm in die Wangen. Dann schluckte er und versuchte einigermaßen gefasst zu klingen. 
„Warum sollte ich mit Ihnen darüber reden?“, fragte Kaito sie leicht genervt, auch, wenn seine Stimme etwas brüchig klang.
Verdammt, jetzt hatte er es doch verpatzt. Na hoffentlich fiel ihr nichts auf. 
„Hey, ich hab euch doch vorhin geholfen“, meinte sie nur.
„Aber nur, weil du wusstest, wo sich in etwa das Haus befindet.“
„Auf Kosten meiner Freiheit.“
„Daran sind Sie aber auch selber Schuld.“
„Nana, das stimmt nicht ganz.“
„Ach nein?“
„Nein. Und außerdem kann ich mich, wenn ich mich nun kooperativ verhalte, vielleicht noch etwas retten.“
„Sie haben früher ziemlich viele Menschen getötet. Und uns jetzt abgehört.“
„Aber ich habe nicht die relevanten Informationen weitergegeben.“
„Trotzdem sitzen wir beide nun in der Gefängniszelle.“
„Das war Pech.“
„Pech also?!“ Kaito zog herausfordernd eine Augenbraue hoch. Er hätte über Gott und die Welt reden können, aber hoffentlich fing Vermouth nicht wieder von Shin’ichis Liebesgeständnis an. Es war einfach zu… persönlich. 
„Ja, Pech“, meinte sie. „Immerhin hätten sie dich nie gefunden, hätten sie mich nicht abgehört. Ich hab ihnen nichts über deinen Aufenthaltsort gesagt.“
Überrascht musterte der ehemalige Dieb die Verbrecherin. 
„Warum eigentlich nicht?“
„Ich erzähle dir mein Geheimnis, wenn du mir verrätst, welche Antwort zu Shin’ichi geben wirst“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Herausfordernd grinsend sah sie ihn an. 
Kaito seufzte innerlich. Aber die Neugier war zu groß. Und sie hatte ja Recht. Irgendwann musste er sich entscheiden. Und wahrscheinlich schneller als ihm lieb war.
„Also?“, fragte sie.
Er seufzte. Diesmal konnte auch Vermouth es hören. Dann senkte er den Kopf und vergrub diesen zwischen seinen angezogenen Beinen.
„Ich… habe keine Ahnung“, antwortete er wahrheitsgemäß. Ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Am liebsten würde ich sagen wollen, dass alles gut wird und er sich keine Sorgen machen soll. Aber… wenn das, was jetzt passiert ist, öfters vorkommen wird, glaube ich nicht, dass ich das mitmachen kann.“
Er blickte auf.
Irgendwie war es erleichternd, sich einmal ausgesprochen zu haben. Aber er hatte keine Ahnung, warum er es ausgerechnet einer Verbrecherin erzählte. 
Vermouth starrte gedankenversunken auf den Boden. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie anfing zu sprechen. 
„Das Risiko musst du eingehen.“
„Wie?“
„Nun ja, selbst, wenn du ihn schützen willst, wird es irgendwann wieder so sein wie jetzt. Ihr lebt beide gefährlich, das habt ihr euch selber ausgesucht. Die Frage ist, ob ihr das gemeinsam oder alleine durchsteht.“
Kaito öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch er schloss ihn wieder. Sie hatte nicht ganz Unrecht. 
„Und was ist mit dir?“, lenkte Kaito sich ab. „Warum hast du uns nicht verraten?“
Vermouth lächelte.
„Weil Shin’ichi und seine Kindheitsfreundin nun einmal Cool Guy und Angel sind“, sagte Vermouth. „Sie beschützen sogar die, die es nicht verdient haben.“
Kaito wurde aus dieser Antwort so gar nicht schlau. Er runzelte kurz die Stirn. 
Hatten die beiden sie früher einmal gerettet.
„Und deswegen haben sie beschlossen, nichts mehr gegen sie zu unternehmen?“, hakte Kaito nach. 
„Tja, so ist das nun mal“, meinte sie.
„Und warum ich? Mich hätten sie doch verraten können.“
Ein stummer Blick, dann kam ihre Antwort.
„Glaubst du wirklich, das hätte ich nach dem, was ich im Krankenhaus gehört habe, noch machen können?“
Kaito bekam große Augen. 
Er hatte nie gewusst, wie sehr Vermouth sich um Shin’ichi Sorgen machen würde. Und wahrscheinlich wusste Shin’ichi es selber nicht einmal. 
Unwillkürlich musste der Dieb schmunzeln. Hoffentlich kamen sie bald.

24 Stunden ohne Kaito KIDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt