Kapitel 2

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Sherlock pov

Ich greife Johns Tasche und bringe sie mit meiner nach unten in den Wagen. Mycroft hat mir einen Wagen geliehen. Johns Militärtreffen findet auf dem Land, zwei Stunden von London entfährt auf einem alten Landgut statt. Ich verstehe immer noch nicht so richtig, warum John mich unbedingt mitnehmen will, aber es ist mir tatsächlich lieber, als ihn allein fahren zu lassen. Ich bin mir sicher, dass dieses Treffen für John eine unglaubliche Belastung darstellen wird.

Er hat nur einmal wirklich mit mir über seine Bekannten vom Militär gesprochen. Das war auch der Abend, an dem er im Wohnzimmer geschlafen hat, da ich wach geblieben bin. Er hatte gesagt, dass er nicht weiß, ob er sich etwas antut, wenn er allein ist. In dieser Nacht war ich keine Sekunde lang in meinem Gedächtnispalast, habe ihn einfach nur angesehen und auf ihn aufgepasst.

"Wollen wir los?" fragt John, der ebenfalls nach draußen kommt. "Ja, wir können." "Ich hab dir auch was zu Essen eingepackt. Nur für den Fall. Übrigens ist dieses Wochenende keine Ermittlungsreise, du kannst also sowohl essen, als auch schlafen." sagt John und legt eine Kühltasche auf die Rückbank. "Fährst du oder soll ich?" übergehe ich seine Aussage. "Ich fahre. Und ich suche die Musik aus. Du hast so oft abends Geige gespielt, dass es mittlerweile einschläfernd auf mich wirkt." "Meine Geige ist im Kofferraum." sage ich. "Ich weiß, aber du hörst ja trotzdem Geigenmusik." Ich zucke mit den Schultern. 

John steigt auf der Fahrerseite ein und ich setze mich auf den Beifahrersitz. John startet den Wagen und fährt los. Nach der Hälfte der Fahrt tauschen wir. John macht es sich halbwegs bequem und beschließt zu schlafen. 

Es bedeutet mir viel, dass John schläft, während ich fahre. Er weiß, wie schnell ich mich langweile und er weiß, dass ich auch mal ebenso aus Langeweile einem dummen Impuls folgend einen Unfall bauen würde - nur um zu sehen, was passiert. Und trotzdem vertraut er mir sein Leben damit an, dass er schläft, während ich das Auto fahre.

Ich greife auf die Rückbank und taste solange in der Tasche mit dem Essen, bis ich eine Tüte Gummibärchen zu fassen bekomme. Kurz lasse ich das Lenkrad los und reiße die Tüte auf. Dann lege ich sie in einen Getränkehalter zwischen den Vordersitzen und beginne beim Fahren Gummibärchen zu essen.

"Hey... Sind wir schon da?" murmelt John verschlafen, als er nach einer ganzen Weile wieder aufwacht, und richtet sich auf. Seine Haut weist rote Striemen von der Jacke, die er als Kissen benutzt hat, auf. "Zehn Minuten noch." sage ich  und stecke mir ein Gummibärchen in den Mund. John sieht mich mit offenem Mund an. "Was?" frage ich und sehe ihn kurz an. "Du isst Süßigkeiten!" stellt er verblüfft fest, "Du isst gefühlt nie irgendwas! Und jetzt isst du einfach so Gummibärchen?!" Ich sehe ihm genau in die Augen und stecke mir in Zeitlupe noch ein Gummibärchen in den Mund, was John zum Lachen bringt. "Augen auf die Straße!" sagt er dann und dreht mein Gesicht nach vorne. 

~*~*~

Ich steige aus dem Auto und sehe John abwartend an. Nachdem er einmal durchgeatmet hat, verlässt auch er den Wagen. Er kommt zu mir und holt etwas aus seiner Tasche. "Hier, falls du verloren gehst." sagt er und zeigt mir seine Erkennungsmarken. Er legt mir die Kette um den Hals und lässt dann die Marken in meinen Ausschnitt fallen, sodass sie von meinem Hemd verdeckt werden. "Ich bin doch kein Hund." beschwere ich mich.

"Nein, aber so kann dich jeder zuordnen. Und du hast ein Militär-Accessoire. Aber wenn du sie nicht willst, kannst du sie mir ja wiedergeben." Ich schüttle den Kopf: "Nö." John schmunzelt.

Ein Mann kommt in unsere Richtung gelaufen. Er ist ein wenig größer als John, aber kleiner als ich. Er hat braune Haare und braune Augen, trägt Jeans, T-Shirt und Turnschuhe. Auch sonst sieht er ziemlich durchschnittlich aus. "Arbeitet als Wachmann im Naturkundemuseum, verheiratet, zwei Kinder - einen Jungen und ein Mädchen, seine Frau ist Ärztin. Er hat eine Affäre mit einer 19-Jährigen, die auch mit hier ist, und spielt mit dem Geld seiner Frau für sie den Sugar Daddy." rattere ich schnell runter. "Hast du dir das ausgedacht?" "Sie ist 22, nicht 19, aber der Rest stimmt. Nur dachte ich, wenn schon Drama, dann richtig." "Das geht ja gut los..." murmelt John und klopft mir auf die Schulter.

"Benimm dich. Sei einfach..." Er zögert. "Nicht ich selbst." "Vergiss das Erste. Sei einfach du selbst." Ich grinse. "Ich hab seinen Namen vergessen." flüstert John, als der Mann näher kommt. "Marcus Stewart." flüstere ich. "Danke." erwidert er leise. Dann schüttelt er dem Mann, der in diesem Moment bei uns ankommt die Hand: "Marcus, hallo. Schön dich wieder zu sehen." "Guten Tag, John. Schön, dass du kommen konntest. Und du hast deinen Ehemann mitgebracht, toll. Hallo, ..." "Sherlock Holmes. Und ich bin nicht sein Ehemann." sage ich, greife aber nicht die Hand, die Marcus mir hinstreckt.

"Oh, noch nicht verheiratet also." "Nein, wir... Wir sind kein Paar, er ist mein bester Freund. Ich habe ihn quasi als moralische Unterstützung mitgebracht." "Wie geht's dem Sugar Baby?" frage ich und lächle unschuldig. Unsicher blickt der Mann zu John. Auch dieser lächelt nur. "Gut, in Ordnung. D-Dann geht doch einfach schonmal rein und fragt drinnen nach eurem Zimmer." John nickt und der Kerl verschwindet. "Nehmen wir die Taschen schon mit rein oder lassen wir sie noch im Wagen und holen sie später?" fragt er dann an mich gewendet.

"Lass sie uns gleich mitnehmen. Wir werden sicher bald etwas daraus brauchen und dann extra nochmal runterzulaufen wäre sinnlos, oder nicht?" "Ja, da hast du wohl recht." Er geht zum Kofferraum und holt die Taschen hervor. Ich nehme sie ihm ab und wir gehen zum Eingang des Landhauses.

John geht zur Rezeption und kommt wenig später mit zwei Schlüsseln wieder. "Wir haben nur ein Zimmer, aber wir haben zwei Betten." "Schon in Ordnung." sage ich ruhig.

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