Alles aus einer anderen Perspektive betrachtet.
Ein wirkliches Gut und Böse gibt es nicht, sondern nur zwei Seiten.
Die Wahl der Seite hängt von unseren persönlichen Erfahrungen ab. Eindrücke von außen, die uns geprägt haben, sind das Gerüst unseres Geistes.
Also, warum fällt das Entscheiden so schwer?
Bei jeder falschen Entscheidung droht das Gerüst, zu stürzen. Die Stütze, die wir uns hart aufgebaut haben.
Jedoch, bei einer richtigen Wahl wird es stets fester und standhafter.
Die Gefahr, zu zerbrechen und in den Trümmern zu versinken, steuert uns.
Die Entscheidung selbst ist leicht, doch die Wege, welche sich danach öffnen, sind uns fremd und unergründlich.Samstag, 25.08.2018
. . .
»Ah, meine Majestät, es freut mich, Euch diese freudigen Ereignisse erläutern zu dürfen«, sprach der Bote freudig und leckte sich über seine trockenen Lippen. Er war ein hochgewachsener Mann, aber leider tat dies nichts Gutes. Seine Wangen waren eingefallen, die sich unter zwei blassen und ungesund wirkenden Augen befanden. Seine dürren Arme und Beine versteckte er unter dunklen Roben, die immer über den Boden schliffen und ein ihm bekanntes Rascheln erzeugten. Sein Erscheinungsbild war das eines alten Mannes, obwohl Kasimir gerade einmal Mitte Vierzig war. Kasimir, so hieß er, aber niemand kannte seinen wahren Namen. Er war nur als der Bote des Westens bekannt und dies passte ihm ganz recht. In seinem Beruf war das Privatleben eine Falle, welche immer zuschlug, wenn man zu viel von sich preisgab.
Eine falsche Entscheidung und das Ende würde schneller eintreten als gedacht. Es war ein künstlerischer Akt, das Gleichgewicht zu finden, wie das Balancieren auf Messers Schneide.
»Sprich, Bote des Westens. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.« Der König der östlichen Lande musterte ihn aus goldenen, zusammengekniffenen Augen und man konnte die Anspannung im Thronsaal deutlich spüren. Sie war überall in der Luft, zum Greifen nahe.
Kasimir blickte dem alten und irren König in die blitzenden Augen und ließ sich nicht beirren. Bevor er seine Stimme im nur von Dienern gefüllten Saal erhob, musterte er sein Gegenüber ausgiebig von oben nach unten. Er war erhaben und stolz, sowie eingebildet.
Das erleichtert mir so einiges, dachte der Bote und ballte seine knochige Hand in seiner Tasche zu einer krampfhaften Faust.
Ich muss es tun, kein Weg führt daran vorbei, jedoch will ich mir mein Schicksal nicht ausmalen.
Jede Faser seines Körpers sträubte sich gegen die Worte, die nun über seine staubtrockenen Lippen gingen, welche er abermals mit Speichel angefeuchtet hatte: »Der Westen ist Euch nicht wohlgesonnen, meine Herrlichkeit.«
»Nicht wohlgesonnen!«, fuhr der König aus seiner Haut und ließ sein Zepter auf den Marmorboden knallen, »Ich dachte, Du hättest gute Neuigkeiten, Bote des Westens, oder sollte ich lieber Bote der Narren sagen?«
Kasimir schluckte schwer, wobei sein Adamsapfel herauf- und herunterging. Ein Tropfen Schweiß rann ihm die linke Schläfe hinab und als sie in seinem Rauschebart verschwand, erklang seine zittrige Stimme, denn nun würde der schwere Teil kommen: »Es gibt durchaus gute Nachricht, mein Herr. Der Westen ist Euch zwar nicht wohlgesonnen, jedoch ist es der Norden. König Friedrich IX. lässt mich Euch diese freudigen Nachrichten überbringen. Nun zum herrlichen Ereignis, wie schon zuvor angekündigt: Ebenso möchte er sich mit Euch verbünden und hat die Verlobung mit seiner einzigen Tochter Elisabeth II. angekündigt, wenn Euer Majestät es möchte.«, als das Echo seiner Worte verhallt war, getraute sich Kasimir wieder, dem König, dem Tyrannen des Ostens, in die glitzernden Augen zu sehen.
Die tiefe Falte auf der Stirn des Königs fing an, sich zu glätten, und es ratterte in seinem Kopf, auf wessen eine goldene Krone war, die mehr wert war, als so manch Ländereien im Westen, gar im Süden.
»Das sind wahrhaftig gute Neuigkeiten«, er sagte dies mit einer Ruhe in der Stimme, die der hochgewachsene Mann nicht für möglich gehalten hätte. Vielleicht hatte der Tyrann ihn durchschaut und Kasimirs Kopf würde bald auf einem Speer stecken, an den Burgmauern befestigt. Natürlich wäre das nicht der erste Kopf, der jeden Gast als Erstes in den Blick fiel, wenn man den König des Ostens besuchen wollte. Desgleichen war dies nur das Endprodukt einer endlos schienenden Prozedur, denn zuerst würde man gefoltert werden, und zwar auf die schlimmste Art und Weise. Gerüchte waren nämlich auch schon bis in den Westen hervorgedrungen. Gerüchte über Schreie, die außerhalb der Burg zu hören gewesen waren. Man erzählte sich, dass die Seelen der Toten bis heute im Schloss des Königs ihr Unwesen trieben. Nach Geschichten zu urteilen, sollten die letzten Worte der Verstorbenen von manchen bereits gehört worden sein. Es war wie ein Mantra, das von allen Seiten und Winkel des alten Gemäuers erklang. Ebenso sollten die zum teils vertrockneten und verwesten Köpfe auf der Mauer sich bewegen und einem mit toten Augenhöhlen, in denen meist Fliegen und Maden hausten, ansehen und die verfluchen, die sich an ihrem Anblick ergötzten.
»Nun denn, berichte meinem, wie es scheint, neusten Verbündeten, dass ich in sein Reich marschieren werde, um mit ihm ein Bündnis zu schließen, welches unter dem Segen Gottes geschlossen werden soll.«
Der Bote verbeugte sich tief und man hätte schwören können, dass seine Nasenspitze den Marmorboden berührt hatte.
»Natürlich, Majestät. Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen«, log er und ließ seine vergilbten Zähne zeigen.
»Nun, ab mit Dir, Bote aus dem Westen. Möge Dein Gott über Dich wachen«, sprach der König spöttisch und dies ließ sich Kasimir nicht zweimal sagen. Er verbeugte sich noch einmal und verließ die große Halle. Das bekannte Rascheln seiner Robe verfolgte ihn.
Er musste sich beeilen, so schnell wie es seine Beine vermochten, den Hof zu verlassen. Er wollte heute nicht gehängt werden, denn das, was er getan hatte, war höchster Verrat.
König Friedrich IX. würde den Tyrannen nicht mit offenen Armen empfangen, geschweige denn seine Tochter wie ein Stück Fleisch aushändigen, denn dieser hatte keine Ahnung von den Worten, welche Kasimir in dieser dunklen Nacht gesprochen hatte.
Der Tyrann würde in eine Falle laufen und in einem Gemetzel vom Herrscher des Nordens erschlagen werden. Das Heer des Nordens war dem seinen überlegen und so würde dem Tyrannen Gerechtigkeit widerfahren.Der Bote des Westens blickte zurück und ein frostiger Wind wehte ihm ins Gesicht. Manchmal musste man etwas Falsches und moralisch Verwerfliches machen, um etwas Gutes zu tun.
Der Tyrann würde sterben und ob die Welt in den Trümmern versinken würde oder ob Schlimmeres folgen würde, wusste Kasimir nicht. Etwas zu hinterfragen, war nicht seine Aufgabe.
Er machte sich auf den Weg, zurück zu seinem wahren Herr Friedrich IX., Herrscher des Nordens. Der Bote des Westens war nur ein Trugbild.
Nun ging Kasimir, der eigentliche Bote des Nordens, zurück zu seinem Herren, um ihn zu warnen und dies ohne die Zukunft zu wissen.Freitag, 19.07.2019
***
Ich bin jemand, der Fantasie-Bücher liebt. Hier hatte ich Lust, eine kleine Kurzgeschichte zu schreiben. Es geht um Entscheidungen, und dass man mit kleinen schon etwas Großes ins Rollen bringen kann. Man sollte also immer achtsam sein.
DU LIEST GERADE
Meine · Deine · Unsere Welt ✔
Historia Corta"Was mache ich hier?", frage ich mich, während ich über die Welt nachdenke, eine Antwort bekomme ich keine. Meine Suche hat jedoch erst begonnen.