|You're Enya?|

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Ich fühlte mich zum ersten Mal seit meiner Ankunft in diesem Land wirklich fehl am Platz. Und zum ersten Mal wurde mir vor Augen geführt, dass ich als Einzige von allen Anwesenden vollkommen unbekannt war. Schauspieler waren überall in dem großen Raum mit dem dunklen Holzboden- und jeder schien seine Mitmenschen um ihn herum zu kennen.

Mein Rücken lehnte an der Wand, während meine Augen halb geschlossen waren und ich mit leicht gesenktem Kopf die Schauspieler beobachtete. Die Arme locker vor der Brust verschränkt und die Haare in einem Zopf zusammengebunden wartete ich darauf, das etwas passierte.

Untereinander begrüßten sie sich und freuten sich offensichtlich auf die Zusammenarbeit in dem künftigen Film. Manche Gesichter kamen mir bekannt vor, meist durch meine Freunde, die mir Massen von Bildern geschickt haben. Unter anderem zählten auch Chris Hemsworth und Scarlett Johansson dazu, die mit zwei weiteren Schauspielern in einem Kreis etwas abseits der anderen standen. Doch diese kamen mir nicht bekannt vor.

Ein Schatten legte sich über mich, als jemand an mir vorbei lief und auf die Menge zuhielt. Eine großgewachsene Frau, dessen blonde Haare in einem strengen Dutt zurückgebunden waren. Ihr Gangbild verriet mir, dass sie sich in jedem Schritt bewusst war, in welcher Position sie den Raum durchschritt. Selbstbewusst und stark. Ich meinte, mich an sie zu erinnern.

,,Es freut mich, euch alle am ersten Drehtag von ,Enemies and Lovers' begrüßen zu dürfen." Die Schauspieler verstummten, hörten der Frau gespannt zu und ich biss mir leicht auf die Innenseite meiner Wange, plötzlich unsicher mit dem was hier geschah. Ohne es zu bemerken, tauchte eine Frage in meinem Kopf immer und immer wieder auf. Wieso ich?

Ich hatte im Urlaub an dem Casting teilgenommen, nachdem ich nur wenige Wochen zuvor eine Anmeldebestätigung bekommen hatte. Im Nachhinein fragte ich mich, wieso ich das getan hatte. War es mein Versuch gewesen, aus dem trostlosen Alltag auszubrechen? Oder war es einfach nur ein rebellischer Gedanke gewesen? Ich wusste es nicht mehr.

An einem Nachmittag bin ich schließlich alleine in die Stadt gegangen, um ,mich umzusehen'. Vermutlich hatten meine Eltern bereits zu diesem Zeitpunkt etwas geahnt, wollten mir die Illusion, Schauspielerin zu werden, jedoch nicht nehmen.

Die Szene, die ich auf der Bühne vor der Jury gespielt hatte, hatte ich mit einer Freundin, Cara zuvor zusammen ausgesucht und geprobt. Natürlich über Skype und Discord. Schließlich lag sie zuhause in ihrem Bett, während ich mehrere Tausend Kilometer entfernt in einem Hotelzimmer stand.

Mir ging es nicht darum, um jeden Preis angenommen zu werden. Ich wollte ausprobieren, Emotionen zu kopieren und auf mich selbst zu projizieren, mit meinen eigenen Gefühlen zu spielen. Und es hatte mir spaß gemacht. Nicht eine Sekunde war ich auf der Bühne vor der Jury nervös gewesen, nicht während der gesamten Zeit.

Und jetzt stand ich hier, unsicher ob sich die Jury richtig entschieden hatte, mich diese Rolle spielen zu lassen. ,,Dieser Film wird in jedem Fall eine Premiere werden, besonders aufgrund der Besetzung von Tanea." Ich schluckte und hörte der Frau weiter zu. Es lag kein Spott oder jegliche weitere negative Gefühle in ihrer Stimme.

,,Sie wird von Enya Jonasson gespielt." Sie sah sich um, schien mein Gesicht zwischen den anderen Schauspielern zu suchen und auch diese sahen sich um. Doch sie wandte mir den Rücken zu, sodass ich erst einen und dann noch einen Schritt machte, bis ich wie von selbst auf die Menge zu lief um mich zu zeigen.

Dadurch drehte sich jeder Kopf zu mir. Freundliche Blicke mit einer gewissen Prise Skepsis wurden mir zugeworfen, als ich einen Blick besonders auf mir spürte. Ich wagte nicht, meinen Blick zur Seite zu schwenken um zu sehen, wer es war. Dennoch atmete ich konzentrierter ein und aus, als könnte ich vergessen wie es funktionierte. Die Neugierde stieg.

Meine Konzentration und Momente später Überraschung fiel dennoch auf die Frau, die meinen Namen genannt hatte. Und als sie mich ansah, schien sie genauso überrascht wie ich zu sein. ,,Du bist Enya?", fragte sie und begann trotz ihres strengen Aussehens zu Lächeln.

Einige Wochen zuvor..

Mit Kopfhörern in den Ohren schlängelte ich mich an den Massen von Menschen vorbei. Paare, alte Damen und Herren, Erwachsene im Arbeits- oder Einkaufsstress und Jugendliche, die mit ihren Freunden den gesamten Bürgersteig einnahmen während sie sich über den neuesten Tratsch unterhielten.

Die Musik gab mir den Rhythmus vor, zu welchem ich meine Schritte tat. Ein Bass, ein Schritt. Zu meiner Linken erstreckte sich Westminster Abbey, angestrahlt von der warmen Mittagssonne. Es war Juli und die Hitze war selbst hier kaum auszuhalten, wenngleich sich an manchen Tagen Regenschauer für wenige Stunden blicken ließen und die Temperaturen etwas herunter regelten.

Doch das riesige Gebäude mit den Massen an Touristen davor war nicht mein Ziel. Ich lief weiter, folgte dem Bürgersteig und überquerte zwei Straßen, als ich plötzlich an meinem Arm zur Seite gezogen wurde. Überrascht und verdattert glitt mein Blick von der gepflegten Hand mit den manikürten Fingernägeln weiter die gebräunte Haut des Armes hoch und landete in einem paar tiefblauer Augen.

Ich nahm einen Kopfhörer aus den Ohren und beeilte mich die Worte zu verstehen, die aus ihrem Mund kamen. ,,-gehen?" Zustimmend nickte ich und verstand in ihrem bittenden Blick die Dringlichkeit, von hier zu verschwinden. Mein Kopf glitt nach rechts, wo ein Mann stand, der offenbar der Grund war, wieso mich die Frau zur Seite gezogen hatte.

Wütend hatte der Schwarzhaarige die Augenbrauen zusammengezogen und starrte nun auf mich nieder. ,,Du gehst nicht." Seine Hand schnellte nach vorne zu ihrem freien Arm- und ich reagierte.

In dem Moment, in dem seine Hand ihr Handgelenk greifen würde, schloss sich meine Hand um seines. Wieder sah er mich an. Eigentlich sollte mich seine Größe und der massige Körperbau einschüchtern aber das tat es nicht. Fest hielt ich sein Handgelenk in meiner Hand.

,,Wir gehen." Eine simple Feststellung mit einem durchdringendem Blick meinerseits. Um uns herum liefen Touristen weiter herum. Die Blondhaarige hielt noch immer meinen Arm, stand aber nun hinter mir. Aus den dunklen, zu Schlitzen geformten Augen meines Gegenüber bekam ich mehrere wütende Blicke.

,,Ich habe kein Problem damit, ihnen den Arm zu brechen, hier und jetzt. Glauben sie mir oder lassen sie es.", sagte ich und erwiderte den Augenkontakt. Eine leere Drohung meinerseits, woher jedoch sollte mein Gegenüber das wissen?

Gegenwart..

,,Schuldig.", antwortete ich ihr. Sie hörte auf zu Lächeln und nickte mir mit kalter Professionalität zu, bevor sie sich wieder an die Schauspieler vor uns wandte. Seit unserer letzten Begegnung hat sie sich wirklich verändert.

Enemies and Lovers | Tom Hiddleston FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt