|Safety|

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Als Kind hatte ich schreckliche Angst vor Gewittern. Ich versteckte mich in meinem Zimmer hinter zwischen Massen an Plüschtieren und harrte dort aus, bis die grellen Blitze und der dröhnend laute Donner vorbeigezogen waren.

Meine Eltern schenkten mir deshalb eine große, weiche Decke zu meinem neunten Geburtstag. Natürlich verschwand die Angst dadurch nicht, diese verlor ich erst als ich Vierzehn war. Aber die viel zu große Decke gab mir das Gefühl, sicher zu sein. Wann immer ein Gewitter in der Nähe war und der Himmel drohend dunkle Wolken heranzog, umhüllte mich also die Decke und das Gefühl vollkommener Sicherheit.

Dieses Gefühl spürte ich auch jetzt- wo ich nichts anderes tat als zu weinen und in Tom's Armen auf dem Boden des Wohnwagens zu sitzen. Meine Schluchzer verstummten langsam und ich ließ meine Arme sinken. Der feste Griff um mich selbst, mit dem ich mich an mir festgehalten hatte, schmerzte.

Ich spürte den Herzschlag von Tom, während mein Kopf gegen seiner Brust lehnte, ruhig und rhythmisch. Für einen Moment vergaß ich die Trauer und den kommenden Tag und atmete zum ersten Mal heute tief ein- ohne den bitteren Beigeschmack. ,,Es wird alles gut."

Ausnahmslos undamenhaft, wie meine Mutter sagen würde, schniefte ich und zog meinen Kopf etwas zurück. Einen Moment lang schienen sich seine Arme um meinen Körper anzuspannen, um mich nicht loszulassen. Im nächsten wurde sein Griff jedoch lockerer und ich hob meinen Kopf, um ihn aus, vermutlich, roten Augen anzusehen.

Seine Augen schienen jeden Zentimeter meines Gesichts anzusehen, während seine Augenbrauen leicht zusammengezogen waren. ,,Ich hasse diesen Satz.", sagte ich und schniefte erneut, gleichzeitig versuchte ich mit meinen Fingern die Tränen von meinem Gesicht zu wischen. Es misslang mir und ich beließ es dabei.

Tom jedoch legte beide Hände um mein Gesicht und strich mit den Daumen über meine erhitzten Wangen. Nur Zentimeter trennten uns voneinander. Überrascht suchte ich seinen Blick. Dieser war weich, beinahe zärtlich und gütig. Ich hatte nie angenommen, dass ein paar Augen mein Herz so schnell springen lassen konnten- und doch war genau das der Fall.

Seine Mundwinkel hoben sich und meine taten es ihm gleich, ohne den Grund zu kennen. ,,Ich auch, Enya." Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ ich meinen Kopf wieder nach vorne sinken und legte meine Arme um den Briten vor mir. Die Wärme, die bei der Berührung durch meinen Körper strömte, war gleich der Sicherheit, die ich durch ihn verspürte. Jeder hasste diesen Satz.

Ich wollte jetzt nicht nachdenken. Ich wollte nicht wissen, dass mein Flug in wenigen Stunden über kaltem, blauen Wasser flog. Ich wollte nicht vor Augen geführt bekommen, dass ich längst wieder Tanea sein sollte. Ich wollte einfach nicht. Langsam, als würde er verstehen, legte Tom wieder seine Arme um mich und seinen Kopf auf meinen.

,,Enya? Bist du in Ordnung? Thea wickelt ihre schmierigen, langen Finger um den Regisseur um ihn davon zu überzeugen, dass du nicht gut genug für die Rolle seist." Die Ehrlichkeit von Alec vor der Tür schätzte ich sehr, wenngleich sie mich in diesem Moment dazu brachte, Thea mit unschönen Worten zu verfluchen. Sie hatte keine Scherze gemacht.

Ich atmete aus und stand auf, Tom tat es mir gleich, obwohl ich den direkten Blick zu ihm vermied. Das Alec in meiner Gegenwart so von Thea sprach, zeigte Tom, dass auch ich sie nicht sonderlich mochte. Mit beiden Händen fuhr ich über mein erhitztes Gesicht und strich mir die Haare aus diesem.

,,Komm rein, Alec. Die Tür ist offen." Meine Stimme war noch immer rau und ich wusste nicht, wie eine mögliche Fortsetzung des Tages aussehen würde, wenn ich Thea sehen würde. Als die Tür aufging und neben dem Schwarzhaarigen selbst ein kalter Windzug in den Wohnwagen kam, glitt mein Blick zu dem Skript.

Ich war in keinem Fall bereit, heute noch vor der Kamera zu stehen. Das bestätigte mir auch der Blick von Alec, dessen Augen in meinem und Tom's Gesicht nach einer Erklärung für mein Aussehen suchten. Und ich konnte Thea hinter den Kulissen, auf den Film bezogen, nicht das Wasser reichen. Von dem Skript sah ich zu Tom, als sich eine Idee in meinem Kopf wie ein Puzzle zusammensetzte. Stück für Stück.

Der Regisseur wirkte so skeptisch wie Thea, als Tom und ich eine halbe Stunde später vor ihnen standen und Tom und ich ihnen meine Idee unterbreiteten. ,,Tanea kann nicht die einzige sein, die Rick verfällt. Es muss einen Wendepunkt geben, in dem sich Rick für Tanea entscheidet, entgegen jedem anderen.", erklärte ich. Der Regisseur hörte mir aufmerksam zu.

,,Tanea entscheidet sich für Rick im letzten Moment. Aber außer Worten und kleineren Gesten gibt es keinen Beweis, dass sich Rick ebenfalls für Tanea entscheidet. Es wirkt, als sei es für ihn nur ein Spiel. Gäbe es jemand anderen, eine Konkurrentin für Tanea, würde sich das gesamte Ausmaß offenbaren, welches die Liebe von Tanea und Rick mit sich zieht- und dass er sich für Tanea entscheidet." Es benötigte meine gesamte Überzeugungskraft und aufgesetzte Lächeln, bis der Regisseur sich über sein Kinn strich und zu überlegen schien.

,,Ich verstehe und teile deine Ansicht, Enya. Aber wie stellst du dir das vor? Woher sollen wir jetzt noch- mitten in den Dreharbeiten eine dazu fähige Schauspielerin finden?" Sein Punkt war berechtigt, aber genau auf diese Frage hatte ich gewartet. Er spielte genau so mit, wie ich es mir erhofft hatte. Ganz zu ihrem Nachteil. Ich drehte mich zur Seite- und deutete mit meinem Blick auf Thea.

An sich war ich noch nie in meinem Leben rachsüchtig gewesen. Ich hatte immer darauf gewartet, dass Menschen das widerfuhr, was sie auch verdienten- und wurde bisher noch nicht enttäuscht. Sie war die Ausnahme. Ich war müde und wollte nichts weiter, als den Friedhof mit Cara zu verlassen, den ich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal betreten hatte. Und Thea war zu weit gegangen, indem sie mir gedroht und mit Absicht meine Schwäche ausgenutzt und mich bedroht hatte.

,,Ich? Nein, das kann ich doch nicht-" Thea konnte mich nicht anblitzen und sah abwimmelnd an mir vorbei zu dem Regisseur. ,,Sie hat ein ähnliches Aussehen wie Tanea und so würde der Charakter hervorgehoben, der schließlich der Grund ist, dass sich Rick für Tanea und nicht ihre Konkurrentin entscheidet. Das würde die ganze Sache klarer- und interessanter machen." Tom sprach sachlich und doch konnte ich das kleine Funkeln in seinen blaugrünen Augen sehen.

Ich räusperte mich. ,,Und da ich Morgen den abgesprochenen, freien Tag habe und Übermorgen ein Feiertag ist, haben wir genug Zeit, sie auf die Rolle vorzubereiten. Zum Wohle des Films." Bei dem letzten Satz sah ich wiederum Thea an und nahm ihr die letzte Möglichkeit, auszusteigen.

Ja, außerhalb der Sets konnte ich ihr nicht das Wasser reichen. Aber im Film selbst? Hatte sich Tom durch ihr Tun abgewandt, so würde es auch im Film sein. Und das wusste sie, ihr Blick verriet es mir. ,,Thea?"

,,Zum Wohle des Films."

Enemies and Lovers | Tom Hiddleston FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt