|Pretend|

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Mein Körper fühlte sich an wie ein wandelnder Ball aus Endorphinen, wenngleich dieses Gefühl grundsätzlich gegensätzlich zu der, auf der Leinwand gezeigten, düsteren Szene war.

Diese war in kaltes, dunkles Licht getaucht. Es war zugegebenermaßen seltsam, sich selbst auf der riesigen Leinwand zu sehen. Besonders, da man jede einzelne Pore in meinem Gesicht sehen konnte. Nun verstand ich das dauerhafte, leichte Make-Up, welches ich tragen musste.

Reglos lag ich mit geschlossenen Augen auf dem kalten Boden, der zuvor nur Meine und die Füße der anderen Gäste getragen hatte. Blut besudelte das tiefblaue Kleid kurz über meiner Brust und den Boden unter mir. Die Kamera schwenkte von der Seite zu meinem Kopf und von dort aus senkrecht nach oben, wo sich das Bild immer weiter von mir entfernte. Im Hintergrund spielte das Lied Enemy von Tommee Profitt. Schon kurz darauf war die Decke des Saales erreicht und das Bild blieb stehen.

Tanea Corlaene war tot.

Schwärze tauchte den Saal in dem Moment des Beatdrops in Dunkelheit und nach wenigen Sekunden begann der Abspann, abgespielt zu werden. Die Leute im Saal begannen zu klatschen und jubeln. Ich lächelte breit und klatschte ebenfalls. Kayla und Cara, ich wünschte ihr könntet das sehen.

In diesem Moment realisierte und verstand ich, wo ich stand. Jede Nacht meiner Jugend, in der ich mir selbst fragen über die Zukunft gestellt hatte, jener Tagesanbruch, an welchem ich von zuhause ausgezogen war. Jede meiner Entscheidungen schien nun wirklich Sinn zu machen. Mein Herz und mein Verstand wussten von Anfang an, wo ich hingehörte.

Mein Blick glitt durch den Saal, suchend nach Tom. Bevor der Film angefangen hatte, saß er mehrere Reihen unter meiner. Doch jetzt schien der Brite spurlos verschwunden zu sein. Verwundert sah ich zu der Person, die in der Reihe vor mir saß und mich nun direkt ansah. ,,Du hast Talent, Enya." Ihre Worte bedeuteten mir viel.

Ich nickte ihr dankbar zu. Doch als sie, wie ein paar andere Zuschauer, im Begriff war, aufzustehen, wurde sie von Chris aufgehalten, der sie am Arm fest hielt. ,,Ich würde an deiner Stelle noch sitzen bleiben.", sagte dieser und zwinkerte mir über die Schulter hinweg zu. Scarlett schien nach einem verwirrten Blick zwischen Chris und mir zu verstehen und setzte sich wieder hin.

Natürlich wusste Scarlett nicht, dass es eine Credit-Scene gab. Abgesehen von Chris, dem Kamera-Team, welche ebenfalls sitzen blieben und dem Regisseur und dem Kulissen-Team, wusste keiner davon. Zumal es die Idee von Chris gewesen war.

Und dann verschwand auch bereits die weiße Schrift mit den Informationen und Personen des Films. Das Lied verklang und es wurde wiederum still im Kinosaal.

Die Kamera war neben meinem Körper und fokussierte erst diesen und nach wenigen Sekunden darüber hinweg die Türen des Saales, die sich nun öffneten. Chris trat hinein, seine Schritte hallten auf dem Boden, während er sich meinem leblosen Körper näherte. ,,Warte-", hörte ich jemanden in einer der Reihen vor mir leise murmeln. Ich befeuchtete wissend meine Lippen und sah weiter auf die Leinwand.

Mein treuer Gefährte und Freund stand nun neben mir und streckte seine Hand aus. Die Kameraperspektive änderte sich und mein Gesicht nahm das gesamte Bild ein. Genau fünf Sekunden lang geschah nichts, dann schlug ich die Augen auf. Blau-grüne Augen blitzen auf, sahen direkt nach oben in die Kamera und das Bild wurde erneut schwarz.

Die Schauspieler mischten sich wieder unter die Interviewer hinter den Absperrungen, sobald sie aus dem Gebäude traten. Die Temperaturen mussten nun wieder im Minusbereich angelangt sein, doch mir war kein bisschen kalt, als ich in das Freie trat. Dazu musste man allerdings auch sagen, dass mein Outfit mit dem Hemd und dem Mantel weitaus wärmer war als die Kleider der anderen Frauen.

Noch immer entdeckte ich Tom nicht und entschied mich, ihn später anzurufen. Zunächst musste ich noch mindestens ein weiteres Interview hinter mich bringen. Cara konnte ich nicht sehen, vermutete aber auch, dass sie bereits in dem nächsten Flug nach Deutschland saß. Sie würde noch genug mit ihrem Chef reden, der spätestens jetzt wusste, dass wir uns kannten.

Meine Entscheidung fiel auf eine Frau und einen Mann, die für das gleiche Magazin dort zu stehen schienen. Und sie waren die einzigen, freien Interviewer. Nach wenigen Metern auf dem roten Teppich bemerkten sie mich und riefen mich zu sich.

,,Was man hier so von den anderen hört, scheint vielversprechend zu sein. Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?", fragte die Brünette sofort. Sie schien ehrlich interessiert. Ich nickte. ,,Ich bin ausnahmslos stolz auf das Ergebnis und freue mich darauf, dass der Film bald in die Kino's kommt." Der Mann, sah von seinem unauffälligem Blick auf sein Handy zu mir hoch.

,,Wie sieht es mit weiteren Filmen aus? Gibt es schon Angebote, die dich interessieren?" Die Frage kam wiederum von der freundlichen Brünette. ,,Ja, auf jeden Fall. Meine Managerin und ich setzen uns bald zusammen um zu besprechen, wie es weiter geht." Nun trat der Mann einen Schritt nach vorne.

,,Vor kurzer Zeit warst du für wenige Tage verreist, offenbar nach Deutschland." Der direkte Ton und die angespannte Haltung des Mannes ließen mich stutzen, doch ich zuckte mit keinem Muskel. Offenbar animierte dies ihn, fortzufahren. Ich hörte, wie der Pegel an Lautstärke hinter mir zu nahm, sah aber nicht zurück. ,,Es wurde in Erfahrung gebracht, dass du mit einer alten Freundin, Cara Hunter, das Grab eurer besten Freundin besucht habt. Ist das wahr?"

Mein Herz fühlte sich an wie ein Schlagzeug, welches mit Messern statt Drumsticks gespielt wurde. Mein Herz schien stehen zu bleiben. Woher wusste dieser Mann das? Ich blinzelte mehrmals, und bemühte mich, meine Fassung zu bewahren. Sollte ich es abstreiten oder nicht?

Schnelle Schritte von dem Eingang des Gebäudes kamen in unsere Richtung, doch sie waren gedämpft. Die braunen Augen meines Gegenübers kamen mir nun eisig vor, wie die Augen einer Schlange. Die Brünette neben ihm schien verwirrt von seiner Frage, doch er war noch nicht fertig. ,,Du und Cara seid nicht bei ihrer Beerdigung gewesen und das schlechte Gewissen hat euch bis vor kurzem geplagt."

Ich fühlte mich taub. Bodyguards umrundeten mich und schickten die beiden Journalisten weg. Aber es war bereits zu spät. Sie hatten alles auf Video. Was hätte ich tun sollen? Was hätte ich sagen sollen? Ein Arm legte sich um mich und wie in Trance sah ich hoch, begegnete den Augen von John. ,,Lächeln, Enya. Tu' so, als wäre alles perfekt."

Der Schwarzhaarige, wessen weiße Strähne in seinem Gesicht hing gab mir, geschützt von den anderen Bodyguard eine, beinahe unsichtbare Stütze und bugsierte mich zu einer der Limousinen. So tun, als wäre alles perfekt. John wusste es genauso gut wie ich auch - nichts war mehr perfekt.

Enemies and Lovers | Tom Hiddleston FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt