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,,Tanea Corlaene ist ein sehr komplexer Charakter. Aber genau so ist sie, wie sie sein soll." Ich machte eine kurze Pause und zog für ein paar Sekunden meine Augenbrauen zusammen, um mir die richtigen Worte im Mund zurechtzulegen.

,,Würde ich sie mit drei Worten beschreiben, wären es Mut, Gerissenheit und Charakterstärke.", sagte ich und warf einen Seitenblick zu Scarlett, Chris und Tom neben mir. Die Blonde und der Australier nickten bestätigend und Tom erwiderte meinen flüchtigen Blick für den Bruchteil einer Sekunde, um mir beinahe unmerklich zuzunicken.

Die Kamera, die das Interview live ausstrahlte, stets auf uns gerichtet, saß ich aufgrund dessen leicht angespannt angelehnt an der Lehne am Ende der dunkelroten, weichen Couch gegenüber dem Reporter.

,,Das hört sich wirklich nach einer komplexen Persönlichkeit an, Enya. Wie empfindest du deine Rolle, ist es schwer? Unseren Informationen nach ist es dein erster Film." Der Mann, der uns die Fragen stellte, nahm wirklich kein Blatt vor den Mund und scheute nicht, das Interesse seiner Zuschauer zu verfolgen. Aber Direktheit und Ehrlichkeit waren Dinge, die ich schon immer geschätzt hatte.

,,Es ist nicht einfach.", gab ich zu und sah den Braunäugigen mit den gleichfarbigen Haaren an. ,,Aber wirklich beurteilen kann ich es nicht. Schließlich ist es in der Tat meine erste Rolle in einem Film." Damit war das Thema für mich abgeschlossen und ich wartete darauf, dass sich der Reporter, wie vor wenigen Minuten, wieder an Scarlett neben mir und Chris und Tom daneben wandte- doch ich irrte mich.

,,Einige Zuschauer denken, dass du mit einem deiner Schauspielkollegen zusammen bist und so die Rolle für den Film bekommen hast. Ist das wahr?" Ein wissendes Lächeln, beinahe schon Grinsen, legte sich auf meine Lippen. Ich befeuchtete sie, indem ich mit der Zunge darüber fuhr und meinen Blick kurz zur Seite gleiten ließ und anschließend wieder zurück.

Natürlich hatte ich selbst auch solche Gerüchte auf Instagram gesehen, wenn ich auf der App war. Immerhin gab es sogar Hashtags mit meinem Namen seit Neuestem. Doch die Tatsache, dass einige wirklich solche Gedanken über mich hegten, fand ich jedes Mal wieder amüsant.

,,Das Klügste, was eine Frau jemals lernen kann ist, nie einen Mann zu brauchen." Dieses Zitat hatten sie und ich in der siebten Klasse auf das Etui der jeweils anderen geschrieben. In keinem Fall eine schöne Schrift, dafür eine umso schönere Erinnerung.

Eigentlich war es zu dieser Zeit nur ein ,cooles' Zitat gewesen, etwas, was alle Jungs aufgeregt hatte, aber in diesem Moment gab es mir das Gefühl, als sitze sie neben mir. Sie würde provokant ihre Augenbrauen heben, in dem Wissen, dass ich recht hatte.

Eine Frau braucht keinen Mann. Ein Mann ist wie eine Villa oder ein teures Auto- ein Luxusgut. Es ist schön zu haben, aber benötigen tut man es nicht.

Ich spürte den Blick der drei Schauspieler und den des Reporters überrascht auf mir. Dabei schien der Blick des Briten mit den lockigen Haaren ebenso amüsiert wie stolz zu sein. ,,Die Antwort lautet also nein.", fügte ich hinzu.

Der Braunhaarige uns gegenüber räusperte sich, um ein Lächeln zu unterdrücken. Er fand die Situation offenbar genauso amüsant. ,,Ich verstehe. Das ist ein klares Statement."

Mehrere Minuten später beantwortete Chris die letzte Frage, ehe der Reporter eine Abmoderation machte und die kleine, rote Lampe mit dem Wort ,Live' erlosch.

,,Diese Aussage wird morgen überall im Internet stehen." Chris nickte stolz und Scarlett stimmte ihm zu. Ich zuckte mit den Schultern. ,,Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe." Schulterzuckend lächelte ich dennoch. Und sie hatten keine Ahnung, wie sehr ich hinter diesem Statement stand.

Der Reporter und Tom unterhielten sich und Tom und er schüttelten sich locker die Hände, ehe der attraktive Brite im blauen Anzug wieder auf uns zu kam. Alleine seine elegante und selbstbewusste Art und Weise, in der auf uns zu schritt war eindrucksvoll. Es war kein Wunder, dass so viele Fans für ihn schwärmten. Und vielleicht schlug auch mein verräterisches Herz einen Schlag zu oft, wenn er in der Nähe war.

,,Okay, wir können los." Gemeinsam traten wir auf den Ausgang zu, an jeder Seite einen Bodyguard in schwarzem Anzug. Bei unserer Ankunft hierher waren nur zwei Fans da, denn das Interview war recht geheim gehalten worden. Sie kannten mich auch nicht und hatten mich eher argwöhnisch beobachtet, wie ich bei ihren Lieblingsschauspielern stand. Doch jeder von uns wusste, dass diese zwei Fans, die von Scarlett, Tom und Chris ein Autogramm bekommen hatten, ausreichten.

Und als wir raus in das Freie traten und Blitzlichtgewitter über uns hereinbrach, bestätigte sich dieser Gedanke. Es mussten Dutzende, wenn nicht sogar Einhundert oder mehr Fans sein, die zu kreischen begannen und hinter den aufgestellten Absperrungen wild durcheinander redeten.

Kurz orientierungslos durch die grellen Lichter blieb ich stehen. Mehrmals blinzelte ich und sah dabei zu, wie Chris, Scarlett und Tom sich zu den Fans gesellten, immer mit dem Blick zu der Limousine, die wie das Licht im dunklen Tunnel war. ,,Alles in Ordnung?", fragte einer der Männer im schwarzen Anzug, die zu unserem Schutz da waren. ,,Nur etwas orientierungslos.", erwiderte ich und ging den ersten Schritt.

,,Enya! Enya! Enya!" Ich war überrascht, von allen Richtungen meinen Namen zu hören. Natürlich war ich nicht mehr unbekannt und durch das Live-Interview wussten nun mit Sicherheit auch die zwei Mädchen von vorhin, wer ich war. Erwartet hatte ich es dennoch nicht.

Ohne mir die Überraschung anzusehen, lief ich auf eines der Mädchen zu, hinter mir der Bodyguard. ,,Bekomme ich ein Autogramm?", fragte die Schwarzhaarige, die mich mit ihren grünen Augen sehr an Cara erinnerte. ,,Solange es kein Death Note ist?", antwortete ich und Unterschrieb mit ihrem Glitzerstift so schön es mir möglich war auf der leeren Seite des Buches.

,,Du guckst Death Note?", fragte das Mädchen daneben aus großen, braunen Augen. ,,Gelegentlich." Auch sie hielt mir ein Buch hin, in welches ich mit ihrem Stift unterschrieb. ,,Hast du etwas gegen-?", fragte ein weiteres Mädchen, vielleicht war sie Sechs.

Durch die Stimmengewirre konnte ich sie nicht verstehen. Ich bat die anderen um sie herum etwas Platz zu machen, damit ich sie besser verstehen konnte. Ihr Kopf reichte gerade so über die Absperrung. ,,Magst du hier rüber kommen und mir da deine Frage stellen? Ich konnte dich leider nicht ganz hören." Ihre blauen Augen wurden größer und größer und die Frau hinter ihr, offenbar die Mutter, nickte mir zu.

,,Würdest du?" Die halb ausgesprochene Frage reichte dem blonden Bodyguard und er hob das Mädchen hoch, um es neben mir wieder abzusetzen. Ich hockte mich zu ihr, um auf ihrer Augenhöhe zu sein. ,,Wie heißt du?", fragte ich die Braunhaarige. Wunderschöne, lockige Haare lagen um ihren Kopf und umrahmten das von Sommersprossen geküsste, ovale Gesicht, in welchem tiefblaue Augen wie der Ozean hervorstachen.

,,Kelly.", antwortete sie mit großen Augen. ,,Hallo, Kelly. Ich bin Enya.", sagte ich und hielt ihr schief grinsend meine Hand hin, die sie kichernd ergriff. ,,Das weiß ich doch." Sie schüttelte meine Hand. ,,Also. Was war deine Frage?" Sie schien einen Moment zu überlegen, versuchte dabei sich nicht von dem Lärm aus der Konzentration bringen zu lassen.

,,Hast du etwas gegen Männer? Ich habe dein Interview gesehen." Ich schüttelte lächelnd meinen Kopf. ,,Nein, Kelly. Ich habe nichts gegen Männer.", antwortete ich dem kleinen Mädchen. ,,Chris Hemsworth und Tom Hiddleston sind zum Beispiel tolle Menschen, mein Bodyguard hier auch. Dein Vater doch bestimmt auch?" Ich wusste erst, dass ich in ein Fettnäpfchen getreten war, als es bereits zu spät war.

Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie sah herunter auf den roten Teppich. Shit. ,,Er wollte mich nicht und hat eine neue Familie.", sagte sie leise und mein Blick verdüsterte sich für einen Moment. ,,Sieh mich an, Kelly."

Die Brünette mit den Locken hob ihren Kopf und sie schniefte einmal, während eine Träne über ihre Wange rann. Mit einem Finger strich ich sie weg und lächelte dann. ,,Du bist ein starkes Mädchen, Kelly. Es gibt tolle Männer und es gibt böse Männer, so auch Jungs. So ist das auch bei Frauen und Mädchen. Du hast eine tolle Mutter, die extra mit dir hierher gekommen ist, oder?"

Sie nickte und schniefte noch einmal. ,,Und das ist viel mehr Wert, als dein sogenannter Vater dir jemals geben kann. Deine Mutter liebt dich. Also vergiss nicht, dass du keinen Mann oder Jungen brauchst. Aber wenn du einen möchtest, dann steht dir das immer offen."

Enemies and Lovers | Tom Hiddleston FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt