Urteil

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Seit zwei Wochen waren wir nun hier Oben und so langsam lebten wir uns ein. Der größte Teil der Soldaten mieden uns, doch das war in Ordnung. Ich hatte kein Interesse daran mit den Menschen hier Bekanntschaften zu schließen, vorallem im Anbedracht dessen, dass nach jeder Mission ca. 30% der Leute starben.

Wir hatten bereits die nächste Exkursion in Aussicht, in der auch Damian, Benjamin und ich teilnehmen sollten.
Wir hatten viel trainiert, vorallem im Umgang mit den 3-D-Manövern, da wir sie noch nicht kannten. Nach wenigen Schwierigkeiten bekamen wir es aber nun ordentlich hin.

Ich schlenderte durch die Stadt mit Sasha, da sie unbedingt einen neuen Kuchen in der örtlichen Bäckerei probieren wollte, aber keineswegs alleine gehen wollte.
Mikasa war bei Eren und da sie mir unendlich lange damit in den Ohren lag, gab ich mich geschlagen, sie zu begleiten.

Wir hatten heute morgen zwar trainiert, dann aber ab mittags frei gehabt, da es irgendeine Kommandanten Sitzung gab. Ich wusste, dass Erwin mich später auch im Büro sehen wollte, doch ich wusste nicht warum.

In der Bäckerei angekommen, sah ich wie Sasha an der Scheibe hing und hineinglotzte. Eine leichte sabberspur war bereits an ihrem Mundwinkel zu erkennen.

Sie stürzte hinein und ich folgte ihr. Ich sah, wie sie bereits am Tresen stand und sich ein großes Stück kaufte.

Die Verkäuferin wünschte uns einen schönen Tag und Sasha war schon hinausgestürmt, bevor sie zuende gesprochen hatte.

Sie stellte sich neben die Bäckerei und öffnete die Verpackung.

"Willst du es nicht lieber auf unserem Zimmer essen?", fragte ich irritiert. Sie drehte sich zu mir und sah mich an, als wäre ich geistesgestört.

"Nein. So lange kann ich nicht warten." Sie packte aus und biss direkt hinein. Ich stöhnte genervt auf und lehnte mich an die Mauer, während Sasha in aller seelenruhe ihren Kuchen aß.

Ich sah mich ein wenig um. Es war viel los und friedlich hier. Auf dem Wochenmarkt standen die Händler und verkauften ihr Waren.
Ein Zeitungsjunge kam motivationslos angeschlendert und verteilte seine Zeitungen. Als er an uns vorbei kam, drückte er mir kommentarlos und ohne aufzusehen ein Exemplar in die Hand.

Ich sah sie mir an und wollte sie schon entsorgen, als mich ein Bild darin von meinem Vorhaben abhielt.
Ich betrachtete es etwas genauer und mein Herz blieb einen Moment stehen, ehe es in doppelter Geschwindigkeit weiter schlug. Ich las mir den dazugehörigen Bericht durch. Zum Ende hin, zitterte meine Hand so stark, dass ich die Worte nicht mehr erkennen konnte.

"Alles ok?", fragte mich Sasha, doch ich antwortete nicht. Ich ballte meine Hand zusammen und zerknitterte damit die Zeitung, ehe ich mich umdrehte und zum Hauptquartier lief.

Es musste ein Fehler sein. Das konnte so nicht stimmen. Ich hab ihnen Vertraut, sie konnten mich nicht so hintergangen haben.
Unglaubliche Wut staute sich in mir.

Ich betrat das Hauptquartier und ohne auf irgendwen zu achten, rannte ich in den zweiten Stock. Ich durchschritt den Flur und öffnete eine Tür.

Dort stand die Person, der ich meine Wut zuzuschreiben habe.
Ich ignorierte keine der Personen, die ebenfalls im Büro standen, sondern trat mit großen Schritten zum Schreibtisch.
Der Blonde Mann wollte sich gerade aus seinen Stuhl erheben, doch bevor er es tun konnte, holte ich aus und schlug ihm ins Gesicht.

Er kippte samt dem Stuhl zu Boden und ich ging wieder auf ihn zu und stellte mich über ihn. Ich holte aus, um ihn noch einmal zu schlagen, als ich spürte, wie ich gepackt wurde und von ihm weg gerissen wurde.

"DU ARSCHLOCH!", schrie ich. Ich strampelte und wollte mich befreien, doch egal wer mich hielt, die Person war zu stark.
"DU HAST GESCHWOREN, ALLE STRAFEN FALLEN ZU LASSEN!"

"Beruhige dich. Lass es mich erklären.", sagte Erwin und holte sich ein Taschentuch, mit dem er sich die blutende Nase abtupfte.

"ICH WILL MIR NICHT NOCH MEHR LÜGEN ANHÖREN!", ich merkte wie meine Stimme versagte und zu zittern begann. Wieder begann ich mich zu wehren und ich zuckte mit meinem Kopf nach vorne, ehe ich ihn wieder Blitzschnell nach hinten schoss. Ich hörte hinter mir ein stöhnen und ich schaffte es mich los zu reißen.

Bevor ich jedoch wieder bei Erwin ankam, spürte ich einen heftigen Schlag gegen meine Schläfe. Ich taumelte ein paar Schritte, richtete mich aber wieder auf und wollte wieder los.
Da traf  mich ein Tritt in die Magengrube und ich flog ein paar Meter durch den Raum. Bevor ich aufstehen konnte, wurde ich noch einmal getreten, ehe mir eine Hand in die Haare packte und mich daran hoch zog.

Graue Augen starrten mich an und Levi sprach mit gereiztem Ton:
"Statt erst einmal zuzuhören, benimmst du dich wie eine Furie."
Er zog mich weiter hoch, sodass ich aufstand und drückte mich dann auf einen Stuhl.

Ich spürte immer noch wie ich am gesamten Körper zitterte, doch ich riss mich am Riehmen. Vielleicht war das alles ja nur ein Missverständnis?

"Woher weißt du davon?", fragte Erwin als erstes und ich legte ihm als Antwort die Zeitung auf den Tisch.
"Das hätte noch gar nicht öffentlich gemacht werden dürfen.", überlegte er laut.

"Also ist das Wahr?", knurrte ich. 


"Ja. Gabriel wird in zwei Tagen öffentlich gehängt."


Wieder sprang ich auf, doch Levi drückte mich sofort wieder runter.
"Du hast dein Wort gebrochen. Er soll für seine Taten, die er in der Unterwelt begangen hat, büßen. Doch es war ein Teil unserer Vereinbarung, dass niemand eine Strafe erhält."

"Das habe ich auch so gewollt. Doch der Rat will die Chance nutzen und ein Exempel statuieren, was mit den Soldaten geschieht, die fliehen und sich seiner Pflicht entziehen."

"Das könnt ihr nicht zulassen!", sagte ich entsetzt.


"Er wird sowieso sterben."
Ich drehte mich auf die andere Seite und sah Hanji, die sich ebenfalls ihre blutende Nase hielt. Sie stand also eben hinter mir und hatte mich festgehalten.

"Was soll das heißen?", fragte ich sie.

"Die Krankheit, die ihn befallen hat, ist zu weit fortgeschritten. Er wird daran sterben. Als er von unserem Problem gehört hatte, hat er sich freiwillig gemeldet, sich hängen zu lassen, damit ihr hier in Frieden leben könnt. Er wollte es euch sagen, doch dass ihr es über die Zeitung erfährt, war nicht gewollt."

"Hast du dir überhaupt Mühe bei der Behandlung gegeben oder hat es euch gerade super in den Kram gepasst, dass er-"
Ich spürte wieder einen Schlag, doch dieses Mal von Hanji.

Ich sprang auf, spürte Levis Hand sofort wieder auf meiner Schulter, doch ich stieß sie weg. Ich drehte mich um und ging an die Tür.
Bevor ich rausging, stoppte ich noch:
"Erwin, versprich in zukunft lieber nichts, was du später nicht halten kannst. Denn es kann sein, dass du es eines Tages bereuen wirst."

Ich trat in den Flur und atmete tief durch. Ich zitterte am ganzen Körper. Ich nahm nichts in meiner Umgebung wahr.
Gabriel würde sterben. Er hatte mich großgezogen und war so etwas wie ein Vater für mich. Ich hatte meine Werte von ihm.

Er durfte nicht sterben. Ich würde es nicht ertragen. Er gab mir immer Rat und unterstützte mich, wo er nur konnte.

Wir waren nach Oben gekommen, wurden geschnappt und ich hatte mich beinah eine Woche lang verprügeln lassen, um ihn zu helfen und das alles soll umsonst gewesen sein?

Als ich mich umsah, stellte ich fest, dass ich vor unserem Haus stand, ohne zu zögern trat ich ein. Es war ruhig, also waren weder Izzy, noch Bea da.

Zielstrebig ging ich in Gabriels Zimmer und ich sah den alten Mann in seinem Bett dösen. Als ich eintrat, öffnete er die Augen.
Er sah schwach und krank aus. Wieso war mir das vorher nie so aufgefallen?

"Schön, dich zu sehen!", sagte er lächelnd, doch ich rührte mich kein Stück und fiel ihm nicht in die Arme, so wie ich es sonst tat.
Auch sein Lächeln verschwand.
"Du weißt es schon?", fragte er leise und ich verschrenkte die Arme und biss meine Zähne zusammen. Ich schloss meine Augen und drehte meinen Kopf ein wenig zur Seite, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

"Du brauchst einen sterbenden Mann nichts zu verheimlichen.", sagte er sanft und nun konnte ich meine Tränen nicht mehr unterdrücken. Sie flossen mir über die Wangen und ich ging auf das Bett zu, kniete mich daneben und legte meinen Kopf auf seinen Schoß.

Sanft streichte er über meinen Kopf.
"Ist schon in Ordnung..", hauchte er, doch ich schüttelte den Kopf.

"Wie soll das in Ordnung sein?", fragte ich verbittert. "Sie werden dich umbringen! Dabei wollte ich... ich wollte doch, dass wir hier in Frieden leben können. Ich wollte, dass wir glücklich sein werden und dass wir in Sicherheit sind. Ich wollte, dass es hier besser wird."

Ich krallte mich in die Decke und Gabriel tätschelte mir die Hand.
"Es wird besser werden. Der Rat wird euch in Frieden lassen und ihr könnt so leben, wie du dir das für euch gewünscht hast."

"Aber ohne dich. Wir sind doch nur hoch gekommen, um dir zu helfen. Doch seitdem, läuft unser Leben komplett aus dem Ruder. Ich bereue es hier hoch gekommen zu sein. Ich habe nichts mehr unter Kontrolle und wen soll ich denn, um Hilfe bitten, wenn du nicht mehr da bist?"

Ich schluchzte laut auf und wieder strich er mir über meinen Kopf.
"Du bist stark. Die stärkste Frau, die ich in der Unterwelt kennen lernen durfte. Du hast mein Leben um so vieles bereichert und ich bin wirklich froh, dass ich dich kennen lernen durfte. Du wirst deinen Weg gehen und ich finde eh, dass es Zeit wird, dir einen neuen Mann an deiner Seite zu suchen. Wie wäre es mit dem Hauptgefreiten? Er ist wirklich nett, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt. Und er sieht oft zu dir, jederzeit bereit dich zu schützen. Ich glaube, er mag-"

"Gabriel?"

"Hm?"

"Wenn du deine Hinrichtung nicht vorziehen willst, würde ich dir Raten, kein Wort weiter zu sprechen..."

Levi x Reader ~ Change your Life // ABGESCHLOSSEN//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt