Kapitel 29

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Ich wache auf und mein Verstand ist noch bisschen benebelt. Plötzlich fällt mir wieder alles ein und wahnsinnige Panik überkommt mich. Ich schaue mich in dem Zimmer um. Die Wände sind weiß, die Möbel sind aus dunklen Holz und die Kissen und Bettbezug sind rot, garnicht meine Farbe. Ich setze mich auf, ziehe meine Knie ein und vergrabe meinen Kopf zwischen ihnen. Meine Angst und Trauer lasse ich raus und so sitze ich eine Weile da, bis jemand die Tür aufmacht. "Hallo Lucy. Schön dich wieder zu sehen." meine 'Mutter' kommt rein und setzt sich auf das Bett. "Was habt ihr mit meinem Zimmer gemacht?" Frage ich kühl. "Ach, wir haben gedacht, es könnte man Abwechslung gebrauchen." sie lacht mich an, aber ich bleibe ruhig und beiße meine Zähne zusammen. "Was ist denn los Liebes?" sie schaut mich besorgt an, was aber bloß gespielt ist und hebt eine Hand um mich zu berühren, aber ich zucke weg und stehe dann auf. "Ich bin nicht deine Liebe, also nenn mich nicht so." verlange ich und schaue sie emotionslos an. "Wie redest du mit deiner Mutter?" ruft sie entsetzt aus, nur zur kleinen Info, alle Emotionen sind gespielt, und reißt ihre Augen weit auf. Ich bleibe still, um meine Situation nicht zu verschlimmern. Am liebsten würde ich ja sagen, "So wie du es verdient hast", aber das geht nicht, wer weiß was sie sonst mit mir machen würde. Meine Angst und Trauer sind verdrängt von der Wut, die ich gegenüber meiner "Familie" spüre. "Naja, fühl dich hier wie zu Hause." sie lächelt mich gekünstelt an und verschwindet dann. "Ach ja, komm in zehn Minuten runter, wir wollen die jemanden vorstellen." sagt sie nochmal, bevor sie ganz verschwindet. Ich greife an meine Hosentasche, um mein Handy rauszuholen, aber sie ist leer. Panisch Suche ich die anderen Taschen auch noch ab, aber ich finde es nirgendwo.

Nach gefühlten zehn Minuten gehe ich die Treppe runter und betrete das Wohnzimmer, wo die anderen sind. Das Wohnzimmer ist Dunkelrot gestrichen und die Möbel sind aus hellem Holz. "Ah, da ist sie ja. Komm Lucy, setz dich zu uns." langsam und mit stolzem Blick gehe ich auf das Sofa zu und setze mich ganz in die Ecke. Auch mein 'Vater' sitzt da und lächelt mich an. *Ich erwähne kurz, dass das auch gefaket ist.* in dem Sessel gegenüber sitzt ein junger Mann und lächelt mich an. "Hübscher Schlafanzug" ich schaue ihn kühl an und er schaut mich etwas irritiert an. "Also ehrlich Lucy, geh dich umziehen, so kannst du deine Gäste doch nicht empfangen. Widerwillig stehe ich auf, trotte in mein Zimmer, gehe zum Kleiderschrank und schaue, was es so gibt. Ich entscheide mich für eine schwarze Hose und ein dunkelblauen Pulli. Tylers Tshirt verstecke ich unterm meinem Kissen und gehe danach wieder runter. "Also Lucy, das ist Jake McCarthy. Er ist in seinem letzten Jahr an der Schule und würde dich gerne kennenlernen." stellt meine Mutter ihn vor. "Geht hoch in dein Zimmer und redet miteinander. Ach ja, bevor ihr geht, muss ich noch mit dir reden Lucy." sie packt mich am Handgelenk und zieht mich in die modern eingerichtete Küche. "Du benimmst dich, wenn nicht, wird deinem Freund was passieren. Du wirst gefälligst nett zu Jake sein und ihm von dir erzählen. Natürlich wirst du lügen. Denk an deinen Freund. Du willst ja nicht, dass ihm etwas passiert." sie lächelt mich böse an und lässt mich dann los. Schnell drehe ich mich um atme tief ein und aus, um mich zu beruhigen, setze ein Lächeln auf und gehe zurück ins Wohnzimmer, wo Jake wartet. Zusammen gehen wir in mein Zimmer und setzen uns auf mein Bett. Seine hellbraunen Haare sind vorne leicht nach oben gestylt und seine braunen Augen Lächeln mich sanft an. "Du bist siebzehn oder?" fängt er ein Gespräch an. "Ja, aber ich werde in ein paar Monaten achtzehn. Wie alt bist du?" "Nächste Woche neunzehn." lächelt er.

Ich erfahre noch, dass er bald Geschäftsführer in einem Bekannten Unternehmen wird. Seine Lieblingsfarbe ist braun und er hört gerne Countrymusik. "Erzähl was über dich." fordert er mich plötzlich auf. Ich höre mitten in meiner Bewegung auf und erstarre. Tyler. Das ist das einzige worüber ich ihm erzählen kann. "Naja, was willst du denn hören?" Frage ich unsicher, da ich sonst noch etwas über meine "familie" erzählen könnte, aber das darf ich nicht, zumindest nichts schlechtes. "Keine Ahnung. Wie bist du denn so aufgewachsen?" genau vor dieser Frage habe ich mich gefürchtet. "Oh, ehm das ist nicht so wichtig." versuche ich mich raus zureden, da ich sonst noch etwas sage, was ich wahrscheinlich bereuen werde. "Doch. Komm schon.". Ergebend nicke ich. "Naja, ich bin hier aufgewachsen, bin in meiner Freizeit mit meinen Freunden unterwegs gewesen." "Okay." es ist eine lange Pause. "Hattest du eigentlich schonmal einen Freund?" diese Frage lässt mich ebenfalls erstarren und ich kämpfe stark mit den Tränen. "Habe ich was falsches gesagt?" besorgt schaut er mich an und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich nicke und schlucke den großen Kloß in meinem Hals runter.

Nach einer weiteren Stunde gibt es Mittagessen und wir gehen zusammen runter und setzen uns an den bereits gedeckten Tisch. Es gibt Fisch mit Gemüse und Kartoffeln, es ist ganz okay, aber Kathrin kocht besser. Schon wieder denke ich an Tyler und seine Familie.

Nach dem Essen stehen meine Eltern auf. "Lucy, räum bitte ab, solang reden wir mit Jake." Jake schaut mich mit einem gezwungenen Lächeln an, aber ich nicke bloß mit einem kleinen Lächeln und mache mich an die Arbeit. Kurze Zeit später kommt jemand rein und ich drehe mich erschrocken in die Richtung. "Jake, du hast mich aber erschreckt." sage ich und lächel ihn leicht an. "Das tut mir leid, wollte ich nicht." er kommt mir näher und bleibt dann vor mir stehen. "Brauchst du etwas?" frage ich leicht verwirrt, da er einfach bloß dasteht und mich anschaut. "Ich wollte dir eigentlich helfen." "Oh, danke, aber das ist nicht nötig." ich lehne höflich ab. "Aber ich bestehe darauf." er packt an und räumt die Sachen auch in die Spülmaschine. "Danke." sage ich nochmal und er lächelt mich an. "Selbstverständlich.". Da ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll, fahre ich mit der Arbeit fort. "Also Lucy, wieso lässt du den Gast arbeiten?" entrüstet kommt meine Mutter rein und reißt Jake die Sachen aus der Hand. "Ma'am, ich habe es ihr angeboten und ich habe keine Widerrede geduldet." sagt Jake in einem bestimmt Ton und nimmt das Geschirr wieder ab. "Oh, na dann." sagt sie leicht eingeschüchtert und geht einen Schritt zurück. "Genau. Und ich werde ihr noch helfen, bis alles aufgeräumt ist." fährt er fort und in Gedanken danke ich ihm dafür.

Den restlichen Tag verbringe ich mit Jake in meinem Zimmer und wir reden die ganze Zeit. Jake ist sehr nett und ich genieße es mit ihm meine Zeit zu verbringen, das lenkt mich bisschen von dem ganzen ab.

Am Abend verabschieden ich mich von ihm, begleite ihn zur Tür. Er reicht mir seine Hand, die ich ergreife und lächel ihn noch an. "Na, gefällt er dir?" meine Mutter kommt mir entgegen und schaut mich an, ein heimtückisches Grinsen auf ihren Lippen. "Er ist nett." antworte ich knapp und wende mich von ihr ab. "Aber, aber. Er ist perfekt für dich!" flötet sie und packt mein Handgelenk. "Er ist doch viel besser als dieser andere Milchbubi." sie lächelt mich zuckersüß an. "Dieser andere Milchbubi, ist mein Freund und ich liebe ihn. Das kannst du nicht ändern." zische ich, reiße mich von ihr los und gehe mit ruhigen Schritten in mein Zimmer, wobei ich ihre stechenden Blicke an meinem Rücken haften spüre. Oben lege ich mich auf mein Bett und schließe meine Augen. Ich gehe ins Badezimmer, dusche schnell und ziehe dann ein Schlafanzug an. Ich lege mich wieder hin, nehme Tylers Tshirt unter dem Kissen hervor und rieche daran. Tylers typischer Duft steigt mir in die Nase. Ich erinnere mich an unsere ganze gemeinsame Zeit, wo wir uns kennengelernt haben, als wir uns paar mal geküsst haben, wie wir zusammen gespielt und gesungen haben, an das wundervolle Weihnachten, die tollen Geschenke, an seine Familie, und schließlich, als wir miteinander geschlafen haben. Meine ganzen Emotionen brechen aus mir heraus und die Tränen fließen unaufhaltsam über mein Gesicht. Es tut so unglaublich weh, nicht zu wissen, wie es dem, den du liebst,  geht, was er macht und seine Nähe nicht zu spüren. Ich stelle mir sein Gesicht vor, wie er mich anlächelt, mir sagt, dass alles nur ein Traum ist und mich in den Arm nimmt. Ich schluchze laut auf und vergrabe mein Gesicht zwischen den Kissen, anstelle von Tylers Brust.

Never let you goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt