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Josh legte seine Hand auf die Türklinke, drehte sich aber nochmal halb zu mir um.
"Du solltest dich vielleicht etwas ausruhen und deine letzten verbliebenden 21 Stunden nicht mehr mit allzu viel Stress füllen."
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21 Stunden... Das war noch nicht mal mehr ein Tag der mir blieb.
21 Stunden.
1260 Minuten.
75600 Sekunden.

Ich spürte wie sich meine Atmung beschleunigte und ich verkrallte meine Finger in meinen Haaren.
Die ganze Zeit schien der Moment meines Todes immer so weit weg.
Aber nun... Nun hatte ich eine genaue Zeit genannt bekommen wie lange ich noch zu leben hatte. Und das war nichts.

Laut schrie ich auf und schlug mir immer wieder gegen die Schläfen, während ich mich einmal um die eigene Achse drehte.
Das konnte nicht wahr sein!
Das DURFTE nicht wahr sein!
Ich wollte doch noch nicht sterben... Nicht mit 19 Jahren...

Tränen der Angst lösten sich aus meinen Augen und legten einen salzigen Weg hinter sich, als sie über meine Wangen rollten.
Meine rechte Hand hatte ich immer noch in meinen Haaren verkrallt und war dabei mir die blonden Strähnen büschelweise raus zu reißen, während ich dabei war mir mit der linken Hand weiterhin gegen die Schläfe zu schlagen.
Langsam ging ich auf die Knie... ich kann nicht mehr...

"Atmen, Frey, du musst atmen!" Eine große Hand umfasste sanft mein linkes Handgelenk und hielt mich davon ab weiter auf mich selbst ein zu prügeln.
Nun wurde auch meine rechte Hand sanft gepackt und langsam löste ich den Griff aus meinen Haaren.
Ich wurde aufgehalten meinen Körper weiter zu ramponieren, aber das atmen fiel mir schwer.
Meine Atemzüge waren viel zu kurz.

"Frey, du hyperventilierst! Du atmest zu schnell, du stößt die Luft viel zu schnell wieder aus, als dass der Sauerstoff in deine Lungen gelangt." Blake's Stimme klang verdammt weit weg und richtig verstehen konnte ich seine Worte auch nicht. Es klang so, als würde er durch Watte mit mir reden wollen.

Ein lautes Klatschen ertönte und mein Kopf wurde zur Seite geschleudert.
Erschrocken keuchte ich auf und fasste mir ungläubig an die linke Wange, die warm am pochen war.
Was zum-?!

Schockiert und mit weit auf gerissenen Augen sah ich hoch zu Blake, der neben mir auf den Boden kniete und mir einen entschuldigten Blick schenkte.
"Es... Es tut mir leid, du hast mir keine Wahl gelassen. Ich hab keine Ahnung was passiert wäre, wenn ich dir keine Ohrfeige gegeben hätte."
Der Vampir hatte mich geschlagen?! Mit seiner Kraft hätte er mir locker das Genick brechen können, wenn er nicht vorsichtig wäre.
"Du hast mich geschlagen?!" Fragte ich fassungslos und Blake hob beschwichtigend die Hände.
"Oh nein, nein! Obwohl... Ja, habe ich. Aber nur, weil du sonst eventuell erstickt wärst oder so..." Erklärte er.
Laut schrie ich auf und schlug mit der Faust auf den Boden.
"NA UND?!" Schrie ich erbost.
"IMMER NOCH BESSER ALS BRUTAL DAS BLUT AUSGESAUGT ZU BEKOMMEN!" Kaum hatte das letzte Wort meine Lippen lauter als beabsichtigt verlassen, fing ich bitterlich an zu weinen.
"Ich... Ich will noch nicht sterben!" Schluchzte ich.
"Nicht so..." Eine große kalte Hand legte sich behutsam auf meine eben geschlagene linke Wange.
Träge sah ich hoch zu Blake, dessen blauen Augen erschreckend traurig schimmerten.
"Lass mich sofort los!" Flüsterte ich angespannt.
Wie konnte er es wagen mich anzufassen?
Wie konnte dieser Vampir es fertig bringen so oft zu mir zu kommen, wohlwissend, dass es seine Schuld war, dass ich nicht mehr lange zu leben hatte?

Blake jedoch reagierte nicht sofort.
"FINGER WEG VON MIR!" Schrie ich hysterisch. Ich sprang wieder auf meine Füße und trat rückwärts von dem Vampir weg, jedoch ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Langsam erhob sich Blake und kam mit sicheren Schritten auf mich zu.
"Bleib weg!" Jammerte ich und schmiefte leise.
"Frey, ich... Ich...-" Nervös sah sich der Vampir um und schien nach Worten zu suchen.
"- sollte jetzt verschwinden!" Beendete ich für ihn seinen Satz und sah ihn kalt an, worauf er mit einem verletzten Blick reagierte.
"Frey, wenn ich könnte würde ich dich hier raus lassen, sofort! Aber ich kann es nunmal nicht!" Er klang verzweifelt.
"Warum hast du mich denn überhaupt entführt, wenn du mir weiß machen willst, dass du es jetzt auf einmal bereust?" Ich war kurz davor mich in Rage zu reden. Viel fehlte jedenfalls nicht mehr.
"Weil ich nicht wusste was passieren würde! Ich hatte keine Ahnung was Josh geplant hatte!" Blake wurde lauter und wollte damit anscheinend mich überzeugen wollen, doch ich schnaubte nur.
"Na und?! Jetzt, nachdem du weißt, was Josh vor hat, dürften dir doch seine Absichten durchaus gefallen und mein Leben und das was damit passieren wird total egal sein!"
Humorlos lachte der blauäugige Vampir auf.
"Bist du verrückt?! Wenn ich gewusst hätte, was Josh beabsichtigt, hatten Jason und ich alles erdenkliche versucht das zu verhindern!" Mit großen Augen sah mich der Vampir aufgeregt an und ich verstand die Welt nicht mehr. Josh war hier in diesem Haus aufgrund eines Fluches eingesperrt und konnte dieses Anwesen mit keinen Fuß verlassen. Um nicht zu verhungern, wenn es bei Vampiren überhaupt möglich war, brachten ihm die anderen Vampire hin und wieder Menschen. Sollte dann nicht jeder Vampir wollen, dass Josh wieder eigenständig jagen gehen konnte, damit die selbst nicht mehr die Verpflichtung tragen müssten ihren König, oder was auch immer Josh für die anderen Vampire war, zu versorgen.

"Ich... Verstehe nicht..." Fing ich an, führte meinen Satz aber nicht zu Ende.
"Du verstehst nicht, warum wir nicht wollen, dass Josh mit deinem Blut den Fluch von sich lösen kann?!" Es klang wie eine rhetorische Frage, aber dennoch schüttelte ich sachte den Kopf.
"Ganz einfach, wenn Josh es schaffen sollte, wird es die Welt, die du bis jetzt kanntest, nicht mehr geben! Die ganze Ordnung und der mehr oder weniger anhaltende Frieden zwischen den Menschen... Das alles würde mit der Freilassung von Josh ins komplette Chaos gestürzt! Er ist der erste Vampir und ich habe keine Ahnung ob es dran liegt, aber selbst unter uns Vampiren gilt er als Monster! Er tötet ohne Gnade und ohne Gewissen! Und er tötet alles und jeden! Alles was Blut und Puls besitzt wird von Josh bestialisch in Stücke gerissen! Die Hexen hatten seinerseits schon ihre Gründe Josh hier zu versiegeln... Hexen und Vampire sind auch nicht ohne Grund verfeindet. Die Hexen sehen sich als die Beschützer der Menschen und wir Vampire ernähren uns von den Menschen, klar können wir uns nicht gut verstehen. Aber Josh ist ein ganz anderes Kaliber! Er ist kein Vampir mehr, der Menschen nur deswegen jagt um sich von ihrem Blut zu ernähren, nein... Er ist ein Monster, der die Jagd an sich liebt und genießt, ein Monster das viel zu viel Blut trinkt als das es ihn nur ernährt. Er trinkt so viel Blut, dass es nicht mehr nur an dem Hunger oder an dem Durst von Josh liegen kann. Er trinkt so viel Blut, zu viel Blut, weil es die Gier ist, die ihn im Laufe der Jahrhunderte eingenommen hat! Die Gier zu jagen, die Gier den Adrenalin Pegel in die Höhe zu treiben, die Gier menschliches Fleisch zu zerreißen, die Gier zu töten, die Gier viel zu viel als nötig frisches Blut trinken..." Blake wurde immer lauter, klang fast schon hysterisch.
Und ich konnte spüren, wie mein Körper unter Blake's Worten immer kleiner und meine Augen immer größer wurden.
Josh war so ein monströses und zerstörerisches Wesen, das eigentlich gar nicht existieren dürfte!

"Sollte Josh frei kommen, wird es nicht mehr viele Menschen geben, die den Hunger von uns anderen Vampire stillen können... Verstehst du jetzt, wieso ich nicht will dass du mit deinem Blut und deinem Tod Josh von seinem Fluch löst?!"

LG Fynn ★
~1285~ Wörter

Blood MoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt