[Jungkook]
Wir fuhren nun schon zwei Stunden, die Sonne war bereits vollkommen hinter dem Horizont verschwunden, sodass über uns ein sternenklarer Himmel zu sehen war. Duri und Mirae waren bereits sehr müde gewesen, weshalb sie schnell eingeschlafen waren, sodass nur noch Taehyung und ich hier sozusagen bei Bewusstsein waren, aber sprachen dennoch nicht miteinander.
Aus irgendeinem Grund, fühlte ich die Spannung in der Luft, obwohl es eigentlich keine gab, denn Taehyung und ich verstanden uns sehr gut miteinander, vor allem wenn die Kinder da waren, obwohl wir uns gerade einmal drei Tage kannten. Naja, kennen konnte man das nun auch nicht wirklich nennen, denn außer unsere Namen und Berufe, wussten wir nicht wirklich viel übereinander, was vielleicht auch besser so war, immerhin würden wir uns nach dem heutigen Abend ohnehin nie mehr sehen.
Mein Versprechen hatte ich nun eingehalten und war mit den Kindern Eis essen gegangen. Weil ich deswegen meine Busse zu meiner Großmutter verpasste, fuhr der Mann mich und danach würden sich unsere Wege nicht mehr kreuzen. Mit all den Gedanken, die ich seinetwegen hatte, war das tatsächlich wohl das Beste für mich, denn seitdem Taehyung in mein Leben getreten war, stand es Kopf. Zu dem sprach auch Namjoon nicht mehr mit mir und ich wusste nicht einmal, wo dieser gerade war oder ob ich ihn jemals wieder sehen würde.
Natürlich fühlte ich mich mehr als nur schlecht, dass es zwischen uns besten Freunden so ausgeartet war, aber ich trug nach wie vor keinerlei Schuld daran, dass der Ältere so wütend auf eine solch unbedeutende Situation reagierte. Meinen Kopf darüber zerbrechen, wollte ich mir jetzt aber auf keinen Fall.
„Darf ich dich was fragen, Jungkook?", fragte Taehyung. Er stellte zwar bereits eine Frage, aber ich bejahte diese dennoch. „Du weißt ja, ich bin Psychologe und wir beide haben zwar noch nicht viel Zeit miteinander verbracht, aber dennoch habe ich eine Feststellung gemacht an dir. Ständig wirkst du wie ausgewechselt, als würdest du in der einen Sekunde selbstbewusst sein, aber in der anderen dann wieder keinen Mut haben, auch nur in den Spiegel zu schauen. Vor allem wenn du zu mir sprichst, bringst du kaum ein durchdachtes Wort aus deinem Mund und sprichst eher impulsiv, aber hast dann deine Momente, in denen du wohl klar denken und sprechen kannst, welche du vor deinem Partner und vor meinen Kindern so ziemlich immer zeigst", erzählte er und machte eine kleine Pause.
Diese wenigen Sekunden, in denen der Mann nichts sagte, fühlten sich an wie mehrere Stunden und ich wurde beinahe verrückt, weil ich, nach all dem, was er soeben gesagt hatte, endlich wissen wollte, was die Frage war. Zu dem war ich auch extrem verwirrt darüber, wie ein Mensch einen bereits so gut kennen konnte, nur anhand Beobachtungen des Sprechens. Gleichzeitig aber dachte ich mir, dass das wohl normal sein musste, schließlich übte Taehyung seinen Beruf als Psychologen sicherlich schon seit Jahren aus.
„Warst du vorher schon einmal bei einem Psychologen und hast vielleicht eine Diagnose bekommen? Denn von dem, was ich bisher beobachten konnte-", fragte er, aber ich unterbrach ihn. „Nein. Ich habe vor Jahren schon aufgehört, mich zu fragen und versuchen herauszufinden, was denn falsch mit mir sein könnte und bin damit auch ganz zufrieden.", entgegnete ich in einem wütenderen Ton, als ich es eigentlich fühlte und überbringen wollte.
„Jungkook, es ist nichts falsch mit dir", meinte der Mann, während er noch fuhr und seinen Blick stets fokussiert auf die Straße hatte. „Eine mentale Krankheit ist nichts Falsches und es macht dich auch nicht zu einem Menschen, der weniger wert ist, als ein anderer. Im Gegenteil, macht deine dich sogar speziell, denn deine Reaktion soeben gibt mir wieder einen Hinweis darauf, was es sein könnte."
Sofort drehte ich mich mit meinem ganzen Oberkörper in Richtung des Fahrers und schaute ihn mit großen Augen an, denn für ihn reichten nur drei Tage, um eine vermeintliche Diagnose für mich zu finden, während die anderen damals monatelang versuchten etwas zu finden, aber nicht schlauer wurden. Auch wenn ich schon lange deswegen damit abgeschlossen hatte, kam ein Impuls in mir auf, der dann doch so gern wissen wollte, was mit mir war, was genau es mit mir machte und wie ich es behandeln könnte.
„Du weißt, was ich habe?", fragte ich daher und wurde nun neugieriger. „Die anderen Psychologen haben monatelang nichts herausgefunden und du hast nur drei Tage und wenige Gespräche gebraucht!", meinte ich und sorgte dafür, dass Taehyung anfing zu Lächeln. Selbst sein Seitenprofil war makellos und sah aus, als hätte es ein antiker, griechischer Marmorsteinhauer persönlich angefertigt. Das machte mich neidisch.
„Nein, so ganz so genau ist es nicht. Ich habe eine Vermutung, was es sein könnte, anhand dessen, was ich bisher gesehen habe, aber ob es das wirklich ist, weiß ich nicht. Um eine wirkliche Diagnose machen zu können, müsste ich dich über einen längeren Zeitraum beobachten, in vielen Sprechstunden, in denen ich mich manchmal einfach mit dir unterhalte über Gott und die Welt, manchmal aber auch einfach nur nach Situationen deines Lebens ausfrage. Ich kann dann mit meiner Vermutung richtig liegen, natürlich aber auch falsch, das würden wir dann sehen", erklärte er mir.
So wie ich mich wieder zurück in meinen Sitz setzte, nach vorn auf die Straße schaute, schwirrten mir mindestens zehntausend Gedanken durch den Kopf darüber, was genau mein Problem sein könnte, aber auch, ok ich vertrauen ins Wort dieses Mannes setzen sollte, den ich nicht wirklich kannte, der aber auch mich nicht wirklich kannte, aber dennoch eine Vermutung hatte. Sprechstunden würden sicherlich viel kosten und auch viel Zeit in Anspruch nehmen, die ich nicht hatte. Gleichzeitig aber könnten sie dafür sorgen, dass ich mich wohlmöglich irgendwann mal bessere und mich nicht mehr wie ein Außenseiter in der Gesellschaft fühle, von der ich mich aufgrund meines Verhaltens zum Großteil abgrenzen musste.
Aber Geld existierte nach wie vor und ich hatte davon nicht genug.
„Ich bezweifle, dass ich mir die Sprechstunden leisten kann", meinte ich und schämte mich auch ein wenig dafür. „Darf ich dennoch wissen, was die Vermutung ist? Ich möchte unbedingt wissen, was meine Krankheit sein könnte, wenn ich denn eine habe! Vielleicht bin ich ja auch einfach anders, aber falls nicht, möchte ich den Grund für mein Verhalten kennen!"
„Es tut mir wirklich leid Jungkook, aber nach meinen Prinzipien, ist es effektiver, den Patienten nicht aufzuklären, solang nichts wirklich bestätigt ist. Wenn ich es dir jetzt sage, wirst du dich darüber informieren und eine Selbstdiagnose machen, die falsch sein könnte, wodurch sich deine Psyche aber an das Gefühl gewöhnt, diese Krankheit zu haben, was letztendlich dazu führt, dass dein Verhalten dann wirklich in die Richtung der Störung geht", meinte der Mann. „Und mach dir keine Sorgen über die Kosten, die wirst du nicht bezahlen. Lass uns erst einmal ein paar Sprechstunden haben und schauen, wie wir dann weitermachen, ja?"
Und ohne weiter darüber nachzudenken, sagte ich zu, sodass ich Taehyung nun wohl zu meinem Psychologen machte.
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Oh man, das wird noch richtig Deep, das sage ich euch 😂
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sad & horny ᵛᵏᵒᵒᵏ
Fanfiction»Grinsend schaute Jungkook hoch in die Augen seines Arztes, dessen Schritt er soeben gepackt hatte, biss sich dann einmal auf die Unterlippe, ehe er mit seiner Hand etwas fester zudrückte und somit ein Stöhnen aus dem Älteren hervorlockte. So gefiel...