Mafia Romance 2

|| 4 || Streit zwischen Kopf und Herz

Cassian Natale

Leandros Worte belästigen mich noch am folgenden Tag.

Du fügst dir selbst Schmerzen zu, wenn du dich von ihm fernhältst.

Bedauerlicherweise kann ich die Wahrheit seiner Worte kaum leugnen. Meine Nächte sind schlaflos, ich verliere den Hunger, meine Nerven sind strapaziert und meine Gedanken wandern oftmals davon. Zu Sergio. Dem Mann, der mir zeigte, wie es ist zu leben, zu lieben.

Er zeigte mir, dass das Leben noch mehr beinhaltet als Beruf und meinem besten Freund, der unweigerlich mit meinem Beruf verbunden ist. Ja, selbst auf freundschaftlichen Treffen, war ich stets auch Leandros Bodyguard; stets wachsam und bereit zu kämpfen. In meinem Leben nahm mein Beruf jede Stunde, jede Minute, gar jede einzelne Sekunde ein. Die einzigen Stunden, in denen ich nicht arbeite, sind die, in denen ich meine Mutter im Pflegeheim besuche. Aber selbst dort schaue ich alle paar Minuten auf mein Handy, um sicherzugehen, dass meine Hilfe nicht benötigt wird.

Ich lebte für meinen Beruf, als würde er mich ausmachen.
Der Beruf nahm mein Leben ein, als gäbe es nichts anderes. Es war, als wäre mein Beruf mein Lebenssinn – und das ist auch immer noch so. Nur weiß ich nun, dass nicht nur mein Beruf meinem Leben einen Sinn gibt. Ich traf jemanden, der mir das Gefühl gab, dass ich nicht arbeiten muss, um einen Sinn im Leben zu haben. Schneller als ich zugeben mochte, gab er mir das Gefühl, als wäre er mein Sinn des Lebens.

Du verdienst mehr Liebe, als die Welt es zu bieten hat.

So sehr ich Leandros Worte auch bezweifeln mag, frage ich mir nur eines: Verdiene ich auch Sergios Liebe?

Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich mich nur ein einziges Mal bei Sergio gemeldet und das war, um ihn zu sagen, dass ich mich nicht länger mit ihm treffen kann. Ich habe mich nicht einmal getraut, mich mit ihm zu treffen. Wie ein ängstliches Arschloch habe ich ihn angerufen, um ihm dies zu sagen. Bevor er Einwände erheben konnte, legte ich auf.

Zuvor, als ich noch im Krankenhaus lag, habe ich nur Leandro mich besuchen lassen, niemand sonst. Das lieg nicht daran, dass ich niemanden sehen wollte, sondern konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass Sergio mich so sehen würde; dass ich ihm in seine schönen Augen schauen und ihm sagen müsste, dass wir Abstand nehmen sollten. Also verhielt ich mich wie ein Arsch und ignorierte seine Anrufe, seine Nachrichten. Er gab nicht auf. Oh nein, er kämpfte weiter um meine Aufmerksamkeit. Er bedrängte mich nicht, doch gab mich auch nicht auf. Einmal am Tag rief er mich an und schrieb mir Nachrichten. Manchmal fielen die Nachrichten kurz aus, manchmal lang.

Mit Tränen in den Augen scrolle ich durch unseren Chat.

Ich habe gehört., du seist wieder wach und außer Lebensgefahr.  Ich kann dir nicht sagen, wie glücklich ich bin, dich nicht verloren zu haben. Ich würde dich gerne sehen, mit dir sprechen. Es gibt viel, was ich dir sagen möchte.  Bitte ruf mich an, sobald es dir besser geht. Ich werde auf deinen Anruf warten

Diese Nachricht schickte er mir am Tag nach der Operation. Wie beim ersten Mal, als ich die Nachricht las, verkrampft sich mein Herz. Damals hätte ich ihm beinahe zurückgeschrieben. Ich wollte ihm schreiben, dass es mir den Umständen entsprechend gut ginge. Ich wollte ihm schreiben, dass ich ihm auch etwas sagen wollte. Wie gerne ich ihm gesagt hätte, was für Gefühle ich für ihn hege, jedoch bezweifle ich nicht, dass er das nicht schon längst ahnte. Ich wollte ihn anrufen, das wollte ich wirklich, aber ich brachte es nicht über mich. Ich fragte mich, was ich ihm sagen solle. Ich konnte ihm nicht beichten, dass ich meinen Beruf über ihn stellen wollte; dass ich nicht zulassen kann, meine Arbeit zu vernachlässigen.

Wäre ich nicht ein Egoist, wenn ich meine eigenen Bedürfnisse über das Leben meines besten Freundes stelle?

Besonders nun, in Zeiten, in denen wir keine Ahnung haben, wo Vincenzo, Luigis Unterboss, ist und was er plant, kann ich nicht das Risiko eingehen, meine Aufmerksamkeit an Sergio zu verschwenden.