|| 44 || Ritter und Entführer

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Avyanna Salvatore

«Die Kommission ist beendet», ist das Erste, was Leandro sagt, als er den Raum wieder betritt. Sein Gesicht hat Farbe verloren, seine Augen sind leer, seine Schultern angespannt.

Mister Pastrone wirft ein: «Aber wir haben noch nicht alle Punkte besprochen.»
Leandro hält die Tür auf. «Alle raus. Sofort.»

Was ist nur ihn in gefahren?
Als Gemurmel eintritt räuspere ich mich und sage: «Wir führen die Besprechung in einer Woche um dieselbe Uhrzeit weiter. Entschuldigt die Unannehmlichkeiten.» Alle Augen liegen auf mir, warten auf weitere Erklärungen. Kurz presse ich meine Lippen zusammen. «Und nun folgt bitte Mister Cassamentos Anweisungen. Schönen Tag euch noch.»

Schulterzucken, fragende Blicke, Gemurmel. Aber schließlich stehen alle auf und verlassen einen nach dem anderen den Raum.

Miguel rollt mit seinem Rollstuhl zu mir. «Meine Soldaten stehen euch zur Verfügung, falls es Probleme gib.» Ich bedanke mich knapp, bevor auch er verschwindet.

Erst als der Letzte gegangen ist, laufe ich mit großen Schritten zu Leandro. «Was ist passiert?»
Einen langen – nein, unendlichen – Moment sieht Leandro mich an. Je mehr Sekunden verstreichen, desto mehr zittert er. Vor wenigen Sekunden dachte ich, seine Augen sehen müde aus, aber ich habe mich geirrt. In ihnen flackert Angst. Große Angst. «Cassian», presst er aus seinem Mund hervor. Es ist, als würde es ihm körperliche Schmerzen bereiten, darüber zu reden. Verzweifelt sucht er meinen Blick. «Er wurde entführt.»

Ich reiße meine Augen auf. Meine Kinnlade fällt. Cassian wurde entführt?! Aber wie? Warum? Von wem?
«Vincenzo», hauche ich, während Gedanken auf mich einströmen. Angefangen damit, wie sehr ich Vincenzo umbringen möchte, über Gedanken, die lediglich Flüche sind, bis hin zu Gedankenfetzen, wie man vorgehen sollte.

Leandro presst seine Lippen zusammen. Für einen Augenblick übertrumpft Zorn seine Angst. «Sergio.»
«Sergio wurde auch entführt?!»
Hatte meine Mutter Recht? Ist Sergio doch auf unserer Seite?

Langsam, fast schon stockend, schüttelt Leandro den Kopf. Er senkt seinen Blick. «Er ist es, der angerufen hat.»
Ich blinzele. «Ich versteh nicht.»
Leandro sieht mich traurig durch große Welpen-Augen an. «Sergio hat Cassian entführt.»

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Es bricht. Es stirbt. Und das alles auf einmal.

Leandros Worte sind wie eine kalte Dusche.
Ich zucke zusammen. Mir fällt das Atmen schwerer.
Ich möchte fliehen, fliehen vor der Realität, fliehen vor der Wahrheit.
Ich kann so viel rennen, wie ich will, aber ich werde nie vor der Realität fliehen können.

Ich bin gefangen.
Das Leben ist mein Gefängnis.
Die materielle Welt ist meine Gefängniszelle.
Meine Zelle ist groß, nur nicht groß genug.
Es gibt kein Entfliehen. Nur den Tod.

Die zuvor in mir aufgeflammte Hoffnung wandelt sich zu Unglauben, dann zu Zorn.

Cassian darf nicht sterben.

Der Einzige, der heute sterben wird, ist Sergio.


Zehn Minuten später sitzen wir im Auto. Mein Butler Arthur fährt uns. Vor uns fahren fünfzehn weitere Autos, in denen jeweils vier Salvatore Soldaten und Kapitänen sitzen. Mehr konnte ich auf die Schnelle nicht auftreiben. Während Leandro und ich nur jeweils zwei Pistolen, fünf Messer, zwei Dolche und einen Wurfstern bei uns tragen, sind die Soldaten doppelt so stark ausgerüstet.  Allerdings gehen Leandro und ich davon aus, dass wir uns sobald wir die Halle betreten, entwaffnen müssen. Zumindest tragen wir alle Sicherheitswesten.

Nach fünf Minuten Fahrt verteilen sich die Autos. Jedes Auto wurde einen anderen Standort zugewiesen, so dass die Hall umrundet ist. Die Autos sehen aus, wie alle anderen im Straßenverkehr. Manche Weis, Silber oder Blau, damit sie nicht auf ersten Blick als Mafia Soldaten entlarvt werden. Sie alle werden in der Nähe der Halle anhalten, in der Hoffnung, dass Sergio und Vincenzo, falls er ebenfalls dort sein sollte, nichts von ihnen ahnen.

Mafia Romance 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt