𝟐✧𝐃𝐢𝐞 𝐚𝐥𝐭𝐞𝐧 𝐙𝐞𝐢𝐭𝐞𝐧

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Das restliche Wochenende musste ich mir anhören, dass ich mir ein Profil erstellen sollte. Irgendwann gingen diese Forderung dermaßen auf die Nerven, dass ich froh war, als Elisabeth am Sonntagabend wieder abreiste.
Meine beste Freundin war eine Sache für sich, wobei das vermutlich jeder war. Während ihr Leben sich vor allem um Männer drehte, dachte ich nicht mal im Traum daran. Mein Leben drehte sich nämlich vor allem um meinen Job.

So freute es mich auch, dass ich mich am Montagmorgen an meinen Schreibtisch setzen konnte, um meine E-Mails zu lesen. Ernüchternd stellte ich fest, dass ich nichts anderes zu tun hatte, als die Ein- und Ausgaben aus dem vergangenen Monat zu analysieren.
Mein Leben bestand aus Zahlen, was für die meisten Menschen mehr als verrückt klang.

Schon in meiner Schulzeit waren meine Lieblingsfächer Mathematik und Physik, obwohl Mathematik immer an erster Stelle stand. Meine Klassenkameraden konnten das nie nachvollziehen, was vermutlich auch erklärte, dass ich nicht gerade beliebt war und auch nur meine paar Freunde hatte. Elisabeth war leider bloß in meiner Parallelklasse gewesen, was mir zumindest die Pausen erleichtert hatte.

„Frau Theis?“ Es war die Stimme meines Chefs, die mich aus der Vergangenheit riss und mich somit vor der schlimmsten Zeit meines Lebens rettete. Dramatisch ausgedrückt.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“ Ich setzte ein Lächeln auf, denn ich hatte meine Probleme damit, mich für andere Menschen zu begeistern. Auch mein Chef machte dabei keine Ausnahme.

„Ich wollte Sie nur für die grandiose Beratung bezüglich der Geldanlagen loben.“ Der ältere Mann, dessen Haare die beste Zeit offensichtlich schon hinter sich hatten, lächelte und legte mir einen Zettel auf den Schreibtisch.
„Das ist nicht der Rede wert“, sagte ich, wobei ich innerlich einen Freudentanz machte. Es beglückte mich immer wieder, für meine gute Arbeit gelobt zu werden. „Aber was ist das?“ Ich deutete auf besagten Zettel.
„Lesen Sie sich das in Ruhe durch, dann werden Sie es erfahren.“ Er grinste und ging daraufhin wieder. Ich schaute ihm noch verwirrt hinter, wie er in den Fahrstuhl ging und seine Hand zum Abschied hob.

Perplex schüttelte ich den Kopf und schaute auf den Zettel, bis ich feststellte, dass es mehrere waren. Als ich diese Überflog wurden meine Augen riesig und ich konnte mir nur mit Mühe verkneifen laut aufzuschreien. Es war eine Beförderung. Ich wendete meinen Blick davon ab, in der Hoffnung, es würde mich beruhigen, doch Fehlanzeige.

Der einzige Weg mich jetzt zu beruhigen, war es an die frische Luft zu gehen und mir einen Kaffee zu holen. Glücklicherweise hatte ich die Freiheiten sowas zu tun, solang ich am Ende des Tages meine Arbeit erledigt hatte.

Somit machte ich mich auf den Weg aus dem Gebäude und sofort kam mir die warme Luft Münchens entgegen, als ich draußen ankam. Manchmal wünschte ich mir, dass ich auf einem Dorf lebte, denn dort waren nie so viele Menschen unterwegs, wie hier. Besagter Wunsch kam wieder auf, als ich an der Straße stand und die Fußgänger über die roten Ampeln schimpften. Kaum jemand hatte heutzutage noch Geduld, alle hatten es Eilig.

Erleichtert kam ich im Café an, wo ich mich jedoch auch gedulden musste. Es waren noch ein paar Kunden und Kundinnen vor mir dran. Während ich dort so stand und mir, so wie jedes Mal, die Preise zusammenrechnete, summte ich vor mich hin. Dementsprechend doll zuckte ich auch zusammen, als jemand meinen Namen sagte.

Langsam drehte ich mich um und blickte in ein mir bekanntes Gesicht.
„Noah?“ Ich war erstaunt, dass ich den Dunkelhaarigen sah. Nie im Leben hatte ich damit gerechnet, ihn hier zu sehen. Ehrlich gesagt, hatte ich damit gerechnet, ihn nie wiederzusehen.

„Ich wusste doch, dass du es bist, Malea.“ Der junge Mann grinste mich breit an, während ich damit beschäftigt war, seinen Anzug anzustarren. Das letzte Mal als ich ihn gesehen hatte, hatte er zwar ebenfalls einen Anzug an, doch das war immerhin auf unserer Abschlussfeier gewesen. Sonst trug er meistens das, was im Trend war.
„Ja, hey“ , sagte ich nervös und realisierte dabei erst, dass ich immer noch weiche Knie bekam, wenn ich ihn sah. Dass er nun eine Brille trug, die ihn deutlich intelligenter wirken ließ, machte es nicht besser. Verdammt.

„Was für ein Zufall, dass ich dich hier treffe.“ Er schien tatsächlich erfreut darüber zu sein, mich zu sehen, was mich überraschte. Immerhin hatte er mich früher nur selten beachtet. „Was arbeitest du?“
Ich musste schlucken und merkte, dass ich überfordert war.
„Finanzberaterin“, antwortete ich deshalb bloß. Wenn ich mehr gesagt hätte, hätte ich wahrscheinlich zu stottern begonnen. „Und du?“

Noah erzählte, dass er als Versicherungsfachangestellter arbeitete und er lachte darüber, dass wir beinahe Kollegen sein könnten. Ich lachte auch, wobei es sich eher ironisch anhörte.
Oh Gott, war ich peinlich.

„Kommst du auch auf das Klassentreffen?“, fragte er plötzlich, woraufhin ich verwirrt den Kopf schüttelte.
„Welches Klassentreffen?“Ich wusste nichts von einem Klassentreffen.
„Hast du keine Nachricht von Larissa bekommen?“ Kaum sprach er ihren Namen aus, verschlechterte sich meine Laune. Es gab keinen Menschen, den ich weniger ausstehen konnte, als sie.

„Nein“ , antwortete ich bloß, wobei ich froh war, dass ich keine Nachricht bekommen hatte. So musste ich mir keine dämliche Ausrede einfallen lassen.
„Oh“ , sagte er bloß. „Gibst du mir deine Nummer? Dann leite ich dir die Nachricht weiter.“

Meine Augen wurden riesig, so oft hatte ich davon geträumt, als ich fünfzehn war.
„Ja, klar.“ Meine Hände zitterten, als er mir sein Handy in die Hand drückte und ich meine Nummer eintippte. Er lächelte, als ich es ihm zurückgab.

„Ich hoffe, du kommst", sagte Noah. „Du kannst auch gerne jemanden mitbringen.“ Verwirrt hob ich die Augenbrauen. „Es gibt doch jemanden in deinem Leben?“, fragte er deshalb.

Ich wusste, dass er auf einen möglichen Freund hinauswollte und ich wusste auch, dass ich keinen hatte. Doch es war mir zu peinlich, ihm die Wahrheit zu sagen. Er würde sich bestimmt über mich lustig machen. So kam es, dass ich mit voller Überzeugung sagte, dass ich einen Freund hätte und diesen definitiv mitbringen würde, wenn ich kommen sollte.

Und so nahm die Katastrophe ihren Lauf...

BUILD YOUR BOYFRIEND - leon goretzkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt