„Was meinst du damit: du hast sie nicht gefragt?"
Jack sah mich fassungslos an, während Rhys nur mit verschränkten Armen den Kopf schüttelte. Ich seufzte und ließ mich tiefer in mein Kissen sinken. Mein Laptop, auf dem die Videokonferenz lief, wackelte dabei gefährlich.
„Ich hab es vergessen, ok?"
„Nichts ist ok!"
Jack warf aufgebracht die Arme in die Luft.
„Wir dachten, du kommst nach dem Wochenende mit deinem Date und deiner Freundin wieder. Aber scheinbar hast du nichts erreicht!"
„Naja, so würde ich es nicht nennen."
„Wir wollen alle Details", schaltete sich Rhys ein, der bisher eher still war.
„Und zwar wirklich alle. Lass nichts aus!", fügte Jack hinzu.
„Ich werde euch jetzt nicht jedes einzelne Detail unseres Sex erzählen", angewidert sah ich meine Freunde an.
„Ihr hattet Sex?", schrien beide gleichzeitig sichtlich erstaunt.
„Nein. Aber selbst wenn, würde ich euch nicht alles erzählen", stellte ich richtig. „Also, das Wochenende. Maliah hat sich mega gefreut, als wir bei ihrem Bruder waren. Er ist auch an sich echt nett, aber er sieht mich dann doch sehr kritisch an. Würde ich aber auch als Bruder. Seine Verlobte redet wie ein Wasserfall, ist aber ziemlich cool. Maliah und ich haben in einem Bett geschlafen. War gemütlich. Samstag waren wir shoppen, die Verkäuferin konnte mich nicht ausstehen und das Kleid ist wirklich wunderschön. Dann waren wir noch Schlittschuhfahren. Und abends hat sie mich geküsst. Daraus wurde ein Rumgemache und dann sind wir eingeschlafen. Sonntag habe ich noch ihren anderen Bruder kennengelernt, wir waren brunchen und dann sind wir zurück gefahren."
Ich begann zu grinsen. „Und nach sechs Stunden Autofahrt sind wir angekommen, ich habe meine Freundin nach Hause gebracht und jetzt rede ich mit euch Idioten."
Es dauerte einen Moment, bis Rhys und Jack meinen letzten Satz verstanden hatten. Dann ging das Geschrei los.
„Deine Freundin?"
„Wirklich?"
„Mega!"
„Glückwunsch!"
Grinsend fuhr ich mir durch die Haare, wobei ich an Cookie stieß, der davon gar nicht begeistert war. Fauchend tapste er ein Mal über mich drüber und verschwand erhobenen Schwanzes in eine andere Ecke des Zimmers. Was für eine Diva.
„Wir haben aber noch nicht abgeklärt, wie wir das in der Schule machen. Maliah möchte ja eigentlich keine Gerüchte über uns haben. Also haltet morgen etwas den Ball flach, ja?"
„Bro, die Gerüchte waren ab dem Moment, als du ihr aus der Cafeteria gefolgt bist im Umlauf. Wir haben sie nur von euch fern gehalten", sagte Rhys ziemlich ernst.
Verdammt.
Obwohl...
„Dann ist das halt so. Wie war denn euer Wochenende? Wenn wir hier schon mal so reden."
Tatsächlich machten wir solche Videokonferenzen nur sehr selten und auch nur dann, wenn es wirklich ernst war und wir uns nicht treffen konnten. So wie jetzt. Die kleine Uhr am Laptop zeigte schon fast Mitternacht an. Nicht besonders ideal, schließlich war morgen Schule.
Es sah kurz so aus, als würde Jack rot werden bei der Frage.
„Ähm...gut", stotterte er. „Meins war ganz gut. Und deins, Rhys?"
„Ebenfalls."
Mehr bekam ich aus meinen Freunden nicht raus. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen.
„Ok? Hab ich schon wieder was verpasst?" Misstrauisch sah ich meine Freunde an.
„Ne, alles gut. Hier ist nichts spannendes passiert", antwortete Rhys gelassen. „Ich muss dann auch auflegen. Hab ja morgen früh Training. Wir sehen uns." Und schon war er weg.
„Ähm...Ja. Ich geh dann auch mal pennen. Bis morgen", Jack winkte noch kurz in die Kamera, dann sah ich nur noch mich selbst.
Verwundert und auch etwas genervt schloss ich meinen Laptop, schälte mich aus meiner Decke und brachte ihn auf meinen Schreibtisch. Meine Freunde benahmen sich merkwürdig und ich wusste nicht, wieso. Eigentlich vertrauten wir uns immer alles an. Warum dieses Verhalten? Ich fuhr mir durch die Haare, seufzte und legte mich zurück ins Bett. Einschlafen konnte ich noch lange nicht. Zu viele Gedanken liefen durch meinen Kopf, überschlugen sich, verschwanden, nur um den nächsten Gedanken Platz zu machen. Ideen und Theorien kamen und gingen, manche absurder als andere. Als ich dann schließlich doch einschlief, wusste ich noch immer nicht, was ich über meine beiden besten Freunde denken sollte. Und als dann mein Wecker klingelte, fühlte ich mich, als hätten Elefanten fröhlich einen Stepptanz auf mir aufgeführt. Ich quälte mich ins Badezimmer, machte mich fertig, zog mich an, packte meine Schulsachen, wobei ich fünffach kontrollierte, ob ich wirklich alles hatte, und schleppte mich dann zum Frühstück.
„Morgen", murmelte ich, als ich mich auf meinen Stuhl fallen ließ.
„Wie siehst du denn aus?",kam es besorgt von meiner Mutter. „Bist du krank? Hast du dich erkältet?"
Ich schob ihre Hand weg, mit der sie kontrollieren wollte, ob ich Fieber hab. „Nein, bin nur müde. Rhys und Jack haben sich gestern merkwürdig verhalten und das ließ mich nicht einschlafen."
Meine Mutter nickte verstehend. Mein Vater war nicht da, wahrscheinlich war er schon auf der Arbeit. Mit den Worten „Trink, damit du den Tag überstehst", schob mir meine Mutter eine Tasse mit Kaffe herüber. Eigentlich konnte ich das Zeug nicht ausstehen, aber heute war ein Notfall. In einem Zug stürzte ich das schwarze Gebräu hinunter. Zur Neutralisierung biss ich schnell noch in ein Croissant, da hupte Jack schon draußen im Auto.
„Bis später", ich gab meiner Mutter einen schnellen Kuss auf die Wange, zog mir Schuhe und Jacke an und verließ das Haus.
„Alter, siehst du scheiße aus."
„Danke, ich hab dich auch lieb."
„Ich bin nur ehrlich, Bro."
Jack fuhr uns zur Schule und redete dabei über neue Schlittschuhe, bei denen die Kufen angeblich nie stumpf wurden.
„Wo hast du die denn gesehen?", fragte ich interessiert nach, als wir an der Schule ausstiegen. Auf dem Schulhof war kaum jemand. Jeder, der ankam, flüchtete sofort ins Gebäude. Es war ziemlich kalt, weshalb auch wir ohne Umschweifen das Innere aufsuchten. War der Schulhof schön leer, so voll waren die Gänge mit den Spinden.
„Auf Instagram in einer Werbung." Jack duckte sich vor einem herabfliegenden Stiftemäppchen weg. Wie im Slalomlauf schlängelten wir uns durch unsere Mitschüler, würden von den ein oder anderen begrüßt oder in kurze Gespräche verwickelt.
„Hast du denn auch gecheckt, ob es die wirklich gibt?", griff ich unser Gespräch wieder auf, nachdem Kourtney Steward uns lasziv auf ihre Party am Freitagabend eingeladen hatte. Kourtney war eine Freundin von Cherry, kleidete sich genau so knapp, war genau so extrem geschminkt und hatte mindestens genau so viele Jungs schon in ihrem Bett gehabt.
„Bisher hab ich nur das Profil auf Instagram gesehen. Aber das sah sehr seriös aus."
„Was sah seriös aus?" Rhys sah uns neugierig an, während er damit kämpfte, seine Schwimmtasche in seinen Spind zu bekommen.
„Jack hat Schlittschuhe mit Kufen gefunden, die angeblich nie stumpf werden. Wäre schon ziemlich cool", antwortete ich ihm, während ich meinen eigenen Spind öffnete und meine Schulsachen für die ersten Stunden sortierte.
„Aber die Kufen sind aus Metal?"
„Ja, schon",zuckte Jack mit den Schultern.
„Metall wird irgendwann stumpf. Sie dir nur mal Messer an. Die musst du auch nachschärfen. Außerdem, habt ihr zwei nicht schon genug Schlittschuhe?"
Jack und ich sahen erst und dann Rhys mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Man hat nie zu viele Schlittschuhe", sagten wir gleichzeitig.
„Das wäre so, als würden wir dich fragen, ob du nicht genügend Badehosen hast", versuchte Jack weiter zu erklären.
„Man hat nie genügend Badesachen."
Grinsend drehte ich mich um und stand Maliah gegenüber, die mich ebenso anstrahlte. Als wäre es etwas selbstverständliches und als würden wir das jeden Morgen so machen, schlang sie ihren Arm um meine Hüfte, kuschelte sich an mich und sah meine Freunde an. Ich zog sie mit meinem Arm an ihrer Taille näher zu mir und gab ihr einen Kuss an die Schläfe.
„Seht ihr, Maliah hat es verstanden. Man kann nicht zu viele Badehosen haben", gestikulierte Rhys.
„Oder Bikinis."
Die beiden gaben sich ein Highfive. Die erstaunten Gesichter von Jack und mir wurden dabei gekonnt ignoriert.
„Wenn es nicht genügend Badesachen geben kann, dann kann man auch nicht genügend Schlittschuhe haben. Schon gar nicht welche, bei denen die Kufen nicht stumpf werden", versuchte Jack weiter zu argumentieren.
Doch Rhys legte nur gelassen einen Arm um seine Schulter und meinte: „Jackie, gib auf. Das wäre so, als würdest du versuchen, Schwimmsachen zu verkaufen, die im Wasser nicht nass werden. Du wurdest von der Werbung verarscht."
„Es ist schon, so mit dir hier zu stehen", kam es leise von Maliah, während wir meine Freunde dabei beobachteten, wie sie weiter diskutierten.
„Darauf habe ich auch ziemlich lange gewartet", lächelte ich zu ihr runter.
Sie stellte sich nur wortlos auf die Zehenspitzen, legte mir ihre freie Hand sanft an die Wange und küsste mich. Es war nur ein kleiner Kuss. Aber es war ein Kuss mitten in der Schule, wo uns alle sehen konnten. Wo jeder sehen konnte, dass Maliah ab jetzt zu mir gehörte. Und ich genoss diesen kleines Kuss und das Kribbeln in meinem Körper in vollen Zügen. Zumindest so lange, bis wir gestört wurden.
„Seid mal nicht so ekelhaft süß!", rief Jack uns zu. „Da bekommt man ja Diabetes vom zuschauen."
„Dann schau doch nicht zu", entgegnete ich trocken, wobei ich Maliah noch fester in meinen Arm nahm und sie in eine schützende Umarmung zog. Wovor ich sie genau schützen wollte wusste ich nicht. Einfach vor allem, was ihr nicht gut tun könnte.
„Daran müssen wir uns jetzt einfach gewöhnen", Rhys stupste Jack an. „Oder willst du auch einen Kuss haben?" Gespielt spitzte er die Lippen und kam Jack näher.
„Danke, aber nein danke." Jack schob Rhys Arm von seinen Schultern.
„Ich geh schon mal zum Raum. Kommst du gleich nach?", fragte er mich. Ich nickte zur Antwort. Rhys verabschiedete sich ebenfalls und ließ somit Maliah und mich alleine.
„Deine Freunde wirken ziemlich cool", murmelte sie an meiner Brust. Wirklich voneinander lösen konnten wir uns nicht.
„Sie sind Chaoten, oft ziemlich laut und manchmal einfach nur dumm. Aber ich liebe sie."
Als es klingelte versuchte Maliah aus meiner Umarmung zu entkommen. Ich grummelte und zog sie näher an mich, was sie zum Lachen brachte.
„Noah, wir müssen zum Unterricht."
„Wir können auch schwänzen", versuchte ich zu argumentieren.
„Nein, können wir nicht. Dafür sind uns beiden unsere Noten zu wichtig."
Widerwillig ließ ich sie los.
„Sehen wir uns in der Pause?", fragte ich nach einem weiteren kleinen Kuss.
„Wenn ich meine Freundinnen überredet bekomme."
„Mach das."
Maliah wandte sich ab und ging den Flur entlang.
„Maliah?", rief ich ihr hinterher, bevor sie um die Ecke biegen konnte. Fragend drehte sie sich zu mir um. Die Hand mal wieder in meinen Haaren vergraben fragte ich über die Schüler: „Gehst du mit mir zum Winterball?"
Sie hob einen Daumen hoch, lächelte und ging."
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Alles begann mit...
ChickLit„Warum sollte ich darauf eingehen?" „Damit ich dir zeigen kann, dass ich ganz anders bin." „Bist du das denn wirklich? Oder spielst du nur ein Spiel, so wie mit den ganzen anderen Mädchen auch? Ach, was sage ich da, natürlich spielst du das selbe Sp...