Cookie sprang freudig auf meinem Bett herum, während ich mit dem Katzenspielzeug herumwedelte. Es war eines dieser Spielzeuge, wo an einem Stab eine kleine Schnur hing, an deren Ende ein Püschel mit Federn war, den die Katze fangen konnte. Es war Cookies absolutes Lieblingsspielzeug, weshalb ihm auch nach einer Stunde intensiver Spielzeit nicht langweilig wurde.
Mir allerdings schon.
Das Spiel war jetzt drei Tage her.
Drei Tage, in denen ich mich nicht aus dem Bett bewegt hatte.
Ich konnte einfach nicht. Jedes Mal, wenn ich aufstand, wurde mir schlecht oder schwarz vor Augen. Was auch passierte, wenn ich zu lange auf einen Bildschirm sah, weshalb ich mein Handy kaum angefasst hatte. Heute ging das mit dem Aufstehen zwar schon etwas besser, aber herumlaufen war wirklich anstrengend. Mein Vater hatte eine mittelschwere Gehirnerschütterung diagnostiziert und mir strickte Bettruhe verschrieben. Das einzig gute daran war, dass meine Mutter mir alles brachte was ich wollte. Zumindest, wenn ich mal Hunger hatte, was allerdings auch nicht besonders oft vorkam.
Ich tat nicht viel. Ich schlief, spielte mit Cookie, starrte die Decke an und schlief dann wieder.
Gestern waren Rhys und Jack kurz da, allerdings war ich sehr schnell erschöpft und sie ließen mich wieder in Ruhe. Jack hatte noch gescherzt, dass McGriffin mich häufiger gegen die Bande schleudern sollte, danach hatte ich schließlich mein bestes Spiel gespielt.
Ich hatte dankend abgelehnt, denn die Gedächtnislücken gingen mir tierisch auf die Nerven. An das Spiel selbst konnte ich mich kaum erinnern. Ich wusste nur, dass es ein Wunder war, dass ich noch das ganze Spiel mit recht klarem Kopf durchgehalten hatte, während ich zeitgleich eine Platzwunde und eine Gehirnerschütterung hatte. Alles nach dem Spiel war ziemlich verschwommen. Ich wusste noch, dass Jack mich in die Umkleide gebracht hatte. Und ein Arzt hatte die Platzwunde getackert. Mein Vater hatte mittlerweile die Klammern gezogen und stattdessen ein großes Pflaster auf meinen Kopf geklebt. Die Wunde juckte wie verrückt, aber kratzen ging schlecht. Ich wusste auch noch, dass Jack mich komplett abgetrocknet und angezogen hatte. Und das Maliah in der Umkleide war. Ich wusste jedoch nicht mehr, was ich alles gesagt hatte, ob ich überhaupt etwas gesagt hatte. Ich wusste auch nicht mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin, aber da hatte Jack mir erzählt, dass er mich nach Hause gebracht hatte.
Bei dem Gedanken an Maliah wurde mir ganz flau im Magen. Morgen war schon Weihnachten und bisher konnte ich noch nicht mit ihr reden. Dadurch, dass ich auch nicht an meinem Handy und der Akku wahrscheinlich schon tot war wusste ich auch nicht, ob sie mir geschrieben oder mich angerufen hatte. Vorbeigekommen war sie auch nicht. Und soweit ich wusste, hatten auch meine beiden Freunde nichts von ihr gehört. Vielleicht sah sie die Beziehung auch schon als beendet an und hielt es deshalb nicht für notwendig, nach mir zu sehen. Und sie war am Samstag nur beim Spiel, um mir das mitzuteilen.
Die Situation war verfahren.
Genervt von meinen eigenen Gedanken legte ich das Katzenspielzeug weg, was mir einen vorwurfsvollen Blick von Cookie einbrachte. Beleidigt sprang er von meinem Bett und im nächsten Moment auf meinen Schreibtischstuhl, auf dem er sich einrollte und genüsslich die Augen schloss. Wäre ich er, ich würde mich auch nicht neben mich legen. Wahrscheinlich stank ich mittlerweile wie ein Puma, aber um duschen zu gehen fehlte mir die Kraft. Ich wollte auch ungern meine Mutter fragen, ob sie mich so lange festhalten kann.
Seufzend rollte ich mich etwas herum, ignorierte dabei die aufkommende Übelkeit, die durch die zu schnelle Bewegung hervorgerufen wurde, fischte mein Handy vom Nachttisch und steckte das Ladekabel ein. Es war Zeit, dass ich etwas unternahm. Wer wäre ich denn, wenn ich mich von so einem kleinen Sturz im Spiel unterkriegen lassen würde?
Langsam stand ich auf und wankte aus wackeligen Beinen ins Bad, immer darauf bedacht, mich im Notfall irgendwo festhalten zu können. Nachdem ich die wenigen Meter zu meinem Badezimmer überwunden hatte, war ich in Schweiß gebadet und so fertig, als sei ich einen Marathon gelaufen. Die Übelkeit hatte zugenommen und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mich zurück in mein Bett teleportieren zu können. Vielleicht war Aufstehen doch keine so gute Idee gewesen. Ich atmete tief durch und schaffte die paar Schritte zum Waschbecken, an dessen Rand ich mich krampfhaft festklammerte. Den Blick in den Spiegel vermied ich gekonnt. Ich konnte mir auch so gut vorstellen, wie ich gerade wahrscheinlich aussah: Haare fettig und klebrig, Haut so blass, dass meine Wand mehr Farbe hatte, verschwitzt und tiefe Augenringe.
Ecklig.
Konzentriert atmete ich ein und aus, um nicht doch noch umzufallen. Meine Beine waren wackelig und ich hätte mich gerne hingesetzt, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht bewegen. Eine kleine gemeine Stimme in meinem Kopf nannte mich gehässig einen Schwächling, die anderen Stimmen wurden von den Kopfschmerzen überlagert.
Dadurch, dass ich die Augen geschlossen hatte, bekam ich nicht mit, wie jemand das Bad betrat.
„Ey, gehts dir gut?"
Ich zuckte etwas zusammen.
„Alles bestens", presste ich heraus.
Dann musste ich mich übergeben.
Zum Glück war das Waschbecken direkt vor mir.
„Scheiße, Mann, was machst du denn?", fluchte Phillip und kam auch mich zugeeilt. Er packte mich unter den Armen, bugsierte mich zur Toilette und setzte mich darauf, dass ich mich anlehnen konnte.
Schwach lächelte ich ihn an. „Ich wollte unbedingt wissen, wie der Inhalt meines Magens aussieht", kratzte ich allen Humor zusammen, den ich aufbringen konnte.
„Ja ja, du mich auch", erwiderte Phillip nur, während er sich darum kümmerte, dass mein Waschbecken wieder sauber wurde.
Phillip war mein Cousin. Wir waren im gleichen Alter, sahen uns ziemlich ähnlich, hatten den gleichen Humor und die gleichen Leidenschaften. Nicht selten wurden wir früher für Zwillinge gehalten. Phillip, meistens nur Phil genannt, hatte die gleichen Dunkeln Haare wie ich, allerdings waren seine ein kleines bisschen lockiger. Wir hatten den selben Hautton, zumindest dann, wenn ich nicht gerade fast umkippte. Sogar unsere Gesichtsstruktur war gleich. Als kleine Kinder sahen wir uns sogar noch ähnlicher, als wir es jetzt taten. Nur durch unsere Augenfarbe konnten uns viele unterscheiden. Während meine Augen dunkelbraun waren, hatte er eher bernsteinfarbene Augen. Dieser goldene Schimmer kam, laut seinen Erzählungen, super bei den Mädchen an. Bis zu unserem elften Lebensjahr waren wir praktisch unzertrennbar. Wir gingen immer in die selbe Klasse und saßen immer nebeneinander. Jack und Rhys, die ihn natürlich auch kannten, saßen dann wiederum auf der freien Seite von uns. Wir lasen zusammen Marvel-Comics und stritten darüber, ob Iron Man oder Captain America besser war. Ich war natürlich im Team Iron Man. Wir spielten sogar zusammen Eishockey, wobei Phillip immer jeden niederschlug, der mir zu nahe kam, was ihm irgendwann mehr Zeit auf der Bank als auf dem Eis einbrachte. Vielleicht hätte er doch besser Football gespielt.
Wir waren immer füreinander da, teilten alle Geheimnisse miteinander und waren davon überzeugt, dass wir zusammen die Welt erobern könnten und uns nie irgendetwas trennen würde. Wir waren nicht einfach Cousins, wir waren Brüder.
Dann passierte das mit Phillips Schwester, meiner kleinen Cousine, und die unbeschwerte Zeit war vorbei. Meine kleine Cousine, Luana, hatte einen schweren Unfall. Da war sie gerade sechs geworden. Im Krankenhaus stellte man dann bei den Untersuchungen fest, dass sie einen Hirntumor in einem ziemlich fortgeschrittenen Stadium hatte. Die Ärzte taten alles was sie konnten, doch es half alles nichts. Ein halbes Jahr später waren wir auf ihrer Beerdigung, eine Woche später zogen Phillip und seine Eltern nach Vancouver. Mein Onkel und meine Tante konnten einfach nicht mehr in dem Haus wohnen, das sie an ihre verstorbene Tochter erinnerte.
Luana war auch der Grund, weshalb ich unbedingt Kinderarzt werden wollte. Ich wollte anderen Kindern helfen und Eltern ihr Leid nehmen.
Nach dem Umzug war es ziemlich schwierig den Kontakt zu Phillip aufrecht zu halten. Zwischendurch verloren wir ihn ganz und sahen uns nur zu Thanksgiving, Weihnachten und vielleicht noch in den Sommerferien. Das änderte sich aber mit der Zeit, als wir Smartphones bekamen. Mittlerweile schrieben wir wieder sehr viel oder facetimeten.
„Deine Ma meint, du hast ganz schön was abbekommen am Samstag", durchbrach Phil meine Gedanken.
„Haben gegen McGriffin gespielt", antwortete ich schwach. „Er hat mich zum Fallen gebracht, bin mit dem Kopf gegen die Bande, hatte ne Platzwunde und eine Gehirnerschütterung, die nicht besser wird", fasste ich kurz die Geschehnisse zusammen.
„Und was machst du dann hier und warum liegst nicht in deinem Bett?", fragte mein Cousin mit verschränkten Armen. Er sah ganz und gar nicht begeistert aus, mich hier zu sehen.
„Wollte duschen gehen." Schwammig zeigte ich auf die Dusche neben mir.
„Duschen? Nachdem du vor Anstrengung kotzen musstest, weil du von deinem Bett her gelaufen bist?"
„Ich hätte das schon geschafft."
„Hättest du nicht. Wahrscheinlich hätte ich dich eher als Wasserleiche gefunden."
Ganz Unrecht hatte er da wahrscheinlich nicht.
„Warte hier", bekam ich die hilfreiche Anweisung und wurde alleine meinem Schicksal überlassen.
Lange musste ich nicht warte, da stand Phil mit einem Plastikstuhl in der Tür, den er in der Dusche abstellte.
„Jetzt kannst du sicher duschen, ohne als Wasserleiche enden zu müssen."
Auf die Idee hätte ich auch kommen können.
„Danke", murmelte ich schwach und begann damit, mein verschwitztes Tshirt auszuziehen. Wie ich an Wechselkleidung kommen würde, würde ich mir nach der Dusche überlegen.
„Brauchst du noch Hilfe?", fragte Phil besorgt, während ich mich im Schneckentempo auszog.
„Du könntest mir was zum Anziehen raussuchen", antwortete ich ehrlich.
Phil nickte, half mir noch in die Dusche und verließ dann das Badezimmer.
Etwas umständlich drehte ich das Wasser auf. Warm prasselte es auf mich nieder, vertrieb grob den Schweiß und half mir dabei, mich wieder halbwegs normal zu fühlen.
Wieder halbwegs menschlich.
Lebendig.
Ich hasste es, krank zu sein. Mich nicht gut zu fühlen. Keine Energie zu haben. Auf andere angewiesen zu sein. Dann fühlte ich mich immer so hilflos und vor allem nutzlos. Ich wollte immer Sachen machen, aber mir fehlte die Kraft dafür. Das wiederum führte dazu, dass ich genervt von mir selbst war und ich somit wirklich schlechte Laune hatte. Normalerweise, wenn ich eine einfache Erkältung hatte, Zwang ich mich nach paar Tagen wieder zu Höchstleistungen, weil ich sonst das Gefühl hatte, verrückt zu werden. Aber das ging leider nicht so leicht mit einer Gehirnerschütterung. Ich konnte nicht einfach aufstehen, herumlaufen, Sport machen. Zumindest momentan würde ich einfach nach ein paar Metern umkippen. Nicht gerade die besten Vorraussetzungen.
Seufzend griff ich nach meinem Shampoo und rieb mir vorsichtig die Haare ein. Das Pflaster, das mein Vater auf meinem Kopf platziert hatte, war nicht wasserfest und löste sich schon leicht an den Enden, weshalb ich bemüht war, an diese Ecken nicht zu nah mit dem Shampoo zu kommen. Dass fänd meine Wunde bestimmt nicht lustig.
Das Wasser schwärmte den ganzen Schweiß aus meinen Haaren in den Abfluss, zusammen mit ein bisschen Blut. Jedoch konnte ich nicht sagen, ob es einfach seit Samstag in meinen Haaren geklebt hatte, oder es frisch war. Ein letztes Mal ging ich mir über den Kopf, der zum Glück sich nicht mehr klebrig anfühlte. Dann drehte ich das Wasser aus und stieg langsam aus der Dusche.
Abtrocknen, inklusive Haare möglichst trocken bekommen und anziehen verrichtete ich alles im Schneckentempo. Zwischendurch fragte Phillip, ob ich Hilfe bräuchte, doch ich lehnte ab. Zum einen wollte ich das alleine schaffen, zum anderen konnte ich getrost darauf verzichten, schon wieder von jemanden angezogen zu werden. Ein Mal die Woche reichte vollkommen.
Belustigt stellte ich fest, dass mein Cousin mir neben einer frischen Jogginghose meinen Iron Man Weihnachtspullover rausgelegt hatte. Den hatte er mir im vergangenen Jahr zu Weihnachten geschenkt, er hatte natürlich einen von Captain America.
Ich putzte mir noch schnell die Zähne, riskierte einen Blick in den beschlagenen Spiegel und stellte fest, dass ich wieder deutlich lebendiger aussah, als noch vor der Dusche. Trotzdem fühlte ich mich unfassbar erschöpft und so, als könnte ich bis zum nächsten Mittag durch schlafen.
Ich schaffte es, bis zur Couch zu gehen, auf der Phillip bereits mit einer Decke, einem Kissen und etwas zum Essen und Trinken auf mich wartete.
„Du siehst deutlich besser aus", stellte er fest und ich nickte bestätigend.
„Fühl mich auch wieder menschlicher", meinte ich, während ich mich auf die Couch legte, das Kissen zurecht rückte und mich in die Decke einkuschelte. Natürlich so, dass ich mich trotzdem mit meinem Cousin unterhalten konnte.
„Wie kommt's eigentlich, dass du hier bist?", fragte ich nach. „Dachte, wir sehen uns erst morgen bei Oma."
„So war auch der Plan, aber Papa hat früher frei bekommen und wir konnten unseren Flug umbuchen, ohne dass es wirklich teurer wurde. Wir sind heute morgen ganz früh geflogen und dann Mittags angekommen. Oma hat dann erzählt, dass du verletzt und krank im Bett liegst und ich dachte, ich komme vorbei und munter dich auf."
Phil strahlte mich an, dass ich nur zurück lächeln konnte. Es tat gut ihn da zu haben.
„Schön, dass du da bist", sagte ich, konnte ein Gähnen aber nicht ganz unterdrücken.
„Ich weiß, ich bin eine Bereicherung für alle", gab er abgehoben von sich. Ich schnaubte nur als Antwort und verdrehte die Augen.
„Dein Handy hat eben übrigens so sehr vor Nachrichten vibriert, dass ich kurz dachte, du hättest nen Vibrator auf dem Nachttisch liegen", lachte Phil in streckte mir mein Handy entgegen. Ich hatte beinahe vergessen, dass ich es vor der Dusche ans Ladekabel gesteckt habe.
„Kannst du sie mir vorlesen?", fragte ich und legte mir einen Arm über die Augen in der Hoffnung, mich so besser konzentrieren zu können.
„Du hast ziemlich viele Nachrichten von Jack und Rhys. Wie gehts den Jungs eigentlich?"
„Ziemlich gut. Sie sind jetzt zusammen."
„Bitte was?", rief Phil erstaunt und ich konnte spüren, wie er sich näher zu mir lehnte.
„Ja, seit drei Wochen oder so. Vielleicht sind es auch schon vier. Sie hatten aber vorher schon etwas miteinander", erklärte ich kurz.
„Also ist Jack auch schwul?"
Phil war damals bei Rhys Outing nicht da gewesen, aber natürlich hatte ich ihm davon erzählt.
„Ne, der ist bisexuell."
„Ach so. Cool. Freut mich für die beiden."
Kurz war es still. Ich ging mal davon aus, dass er die Neuigkeit noch verarbeiten oder die Nachrichten noch lesen musste.
„Sie schreiben nicht wirklich etwas wichtiges, sondern halten dich eher auf dem Laufenden. Scheinbar hat dein Trainer mit der Hilfe des Arztes und Jacks Aussage erreicht, dass McGriffin das nächste Spiel nur von der Bank aus betrachten darf. Immerhin etwas. Dann kommen noch einige Nachrichten von unwichtigen Einzelpersonen, die alle das Selbe schreiben. Wie super du bist und dass du dich erholen sollst und blah blah blah. Instagram boomt auch bei dir, genau wie Snapchat. Da öffne ich aber nicht jeden einzelnen Snap. Und dann hast du noch einige verpasste Anrufe und Nachrichten von..."
Phil stutze kurz. „Wer ist Maliah und warum ist sie mit einem roten Herz eingespeichert."
„Maliah hat geschrieben?", rief ich aufgeregt und setzte mich zeitgleich ruckartig auf, was sofort mit kleinen schwarzen Punkten vor meinen Augen belohnt wurde.
„Ja, das sah ich doch", gab Phil genau so aufgeregt zurück. „Aber wer ist das."
„Meine Freundin", murmelte ich mit geschlossenen Augen, den Kopf an die Rückenlehne der Couch gelehnt.
„Du hast eine Freundin und mir davon nichts erzählt? Wir haben doch noch vor drei Wochen miteinander gesprochen!"
„Hab ich wohl vergessen", murmelte ich. „Könntest du nicht ganz so laut reden? Bitte?"
„Sorry. Du hast also eine Freundin? Der Typ, der sich nicht bumsen lässt hat ne Freundin?"
„Falls in den Nachrichten nichts davon steht, dass sie Schluss macht oder so dann ja, dann hab ich eine Freundin."
„Krass."
Ich konnte langsam die Augen wieder öffnen und sah, wie Phil wirklich sprachlos vor mir saß.
„Erzähl mir alles", aufgeregt sah er mich an.
„Die kurze oder die lange Version?"
„Da fragst du noch?"
Also erzählte ich erneut die Liebesgeschichte, von der ich bis vor einer Woche noch dachte, dass sie wunderschön sei.
Typ verliebt sich in Mädchen, wird aber von ihr nicht beachtet. Typ schläft mit Mädchen, Mädchen hasst ihn aber eigentlich. Typ geht auf Dates mit Mädchen, Mädchen fängt an ihn zu mögen. Typ verknallt sich noch mehr in Mädchen, macht einen Roadtrip, um ein Kleid zu finden. Typ und Mädchen kommen zusammen und gehen auf einen Ball.
Klang doch nach dem perfekten Märchen. Allerdings hätte ein Märchen wahrscheinlich nach dem Ball mit den Worten und sie lebten glücklich und zufrieden, bis ans Ende ihrer Tage geendet, oder so ähnlich. Nur ging unser Märchen mit einem riesigen Streit weiter.
„...Sie hat mich dann die ganze Woche ignoriert und wir haben nicht miteinander geredet. Das wollte ich dann am Samstag nach dem Spiel machen und erst dachte ich, sie sei nicht da, aber dann war sie doch da. Und dann hatte ich den Unfall, wir haben nicht geredet und ich weiß nicht, wie es weiter geht", schloss ich die Erzählung ab.
Phil war still und sah mich nachdenklich an. Mein Handy in seiner Hand leuchtete immer mal wieder auf und gab dabei ein Brummen von sich. Ich sollte wirklich das Vibrieren ausstellen. Klang wirklich nervig.
„Aber du willst noch mit ihr zusammen sein?"
„Natürlich will ich das. Mehr als alles andere."
„Und warum stellst du dich dann so an wie ein Kleinkind, das sein Spielzeug nicht bekommt? Dann führt ihr eben eine Fernbeziehung, na und? Die führen wir zwei doch auch und es funktioniert."
„Das ist ja nicht das Problem dabei. Das Problem ist, dass sie keine Fernbeziehung möchte."
„Dann genieß doch die Zeit so lange bis dahin."
„Das haben Oma und Opa auch gesagt."
„Und?"
„Das wollte ich ihr auch am Samstag schon sagen", ich verdrehte die Augen, etwas genervt von der Tatsache, dass es alle so drehten, als hätte ich den Fehler gemacht.
Phil schwieg auch kurz. „Man, ihr müsst dringend reden."
„No shit, Sherlock", gab ich ironisch von mir.
Dann wieder Stille.
Das Thema war beendet.
„Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich beinahe Vater geworden bin?"
Geschockt riss ich die Augen auf.
„Bitte was?"
„Ja, war eine ganz lustige Geschichte", lachte Phil und begann dann die verrückteste Geschichte zu erzählen, die ich je von ihm gehört hatte. Wie ein Mädchen, mit dem er geschlafen hatte zu ihm kam und schwanger war. Sie wollte ihm die Schwangerschaft anhängen, aber gleichzeitig gab es drei weitere potenzielle Väter. Nach einem Besuch beim Frauenarzt und der genauen Datierung der Schwangerschaftswoche war dann sehr schnell klar, dass Phil nicht der Vater war. Bis dahin hatte er allerdings schon Strampler, Schnuller und Stofftiere in Massen gekauft.
Phil erzählte den ganzen Nachmittag Geschichten aus seinem Alltag und schaffte es, mich zum Lachen zu bringen und von meinen Problemen abzulenken. Wir scherzten und erzählten, als würden wir uns jeden Tag sehen und nicht nur drei Mal im Jahr.
Und während ich meinen Cousin betrachtete, wie er eine weitere Geschichte euphorisch zum Besten gab,wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn in meinem Alltag vermisste und wie froh ich war, ihn trotzdem immer an meiner Seite zu haben.
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Alles begann mit...
ChickLit„Warum sollte ich darauf eingehen?" „Damit ich dir zeigen kann, dass ich ganz anders bin." „Bist du das denn wirklich? Oder spielst du nur ein Spiel, so wie mit den ganzen anderen Mädchen auch? Ach, was sage ich da, natürlich spielst du das selbe Sp...