...Gefühlen und Autodeals

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Normalerweise brauchte man zu Fuß zu Jack zehn Minuten. Er wohnte nur ein paar Straßen weiter. Trotz der vereisten Gehwege schaffte ich die Strecke in sechs Minuten, ohne mich großartig auf die Nase zu legen.
Keuchend blieb ich vor der Haustür der McLeans stehen. Meine Seite brannte und mir lief der Schweiß über die Stirn. Mit dem Ärmel wischte ich ihn schnell weg und begann dann, Sturm zu klingeln. Falls Jacks Eltern zuhause sein sollten, taten sie mir leid, aber Jack hatte geschrieben, dass es ein Notfall sei. Ein „Ich habe mich verliebt"-Notfall. Jack McLean verliebte sich nicht. Jack McLean war der Typ, der auf jeder Party mit einem Mädchen in einem Zimmer verschwand. Es musste nicht zwangsläufig immer das Mädchen sein, mit dem er vorher rumgeknutscht hatte. Jack McLean war keiner, der sich fest band. Und vor allem war Jack McLean noch nie verliebt gewesen. Nicht mal im kleinsten Ansatz.
Ich musste nicht lange warten, da öffnete mir Jacks Mutter bereits die Tür.
„Entschuldigung für die Störung, Misses McLean, aber Jack braucht mich", ratterte ich herunter, wobei ich bereits an ihr vorbei geschlüpft und die halbe Treppe nach unten gerannt war.
Zum Glück ging ich bei den McLeans schon so lange ein und aus, dass mein Verhalten wahrscheinlich nur für ein kurzes Schmunzeln und keinerlei Nachfragen gesorgt hatte.
Jacks Zimmer lag im Keller. Oder vielmehr nahm es fast den ganzen Keller ein. Er fand es ziemlich praktisch, denn durch die Fenster konnte er immer wann er wollte nach draußen schlüpfen- oder OneNight-Stands nach draußen schmuggeln- und hatte seine Ruhe vor seinen Eltern- ebenfalls dann, wenn er seine OneNight-Stands mitbrachte. Das war auch schon seine Erklärung damals mit vierzehn gewesen, als er aus der ersten Etage nach unten gezogen war. Das Zimmer hatten wir drei Jungs damals fast alleine renoviert und gestrichen. Unser erstes Meisterwerk.
Ich stieß die verzierte dunkle Holztür auf, die in sein Zimmer führte.
„Na endlich! Was hast du denn so lange gebraucht?", fuhr mich Jack an, der bis dahin scheinbar durch sein Zimmer getigert war. Seine blonden Haare lagen kreuz und quer auf seinem Kopf und sahen so aus, als hätte ein Minitornado sie durcheinander gebracht.
„Bin gelaufen, hatte kein Auto", gab ich zurück und nahm mir Zeit, Luft zu holen.
Wie jedes Mal, wenn ich in Jacks Zimmer stand, war ich verblüfft, wie viel Licht in diesem Kellerraum war. Drei lange Fenster waren quasi auf Deckenhöhe angebracht. Vor einem der Fenster war noch eine Sitzbank errichtet worden, über die man auch durch das Fenster nach draußen gelangen konnte. Die Wand zur linken Seite der Tür war in einem dunklen grün gehalten, das Bett davor war in den Boden eingelassen und wie immer nicht gemacht. Da vertraten wir die selbe Ansicht: Ungemachte Betten waren gemütlicher. Vor dem Bett lag ein grauer Teppich, auf dem allerlei Schulsachen verteilt waren. Um so ordentlicher sah dagegen der Schreibtisch aus, der unter dem mittleren Fenster mit der Sitzbank stand. Mochte daran liegen, dass Jack seinen Schreibtisch nie nutze und er nur als Tisch für den Fernseher diente.
Der große Kleiderschrank versperrte gleichzeitig einen Teil der Nische, die zum kleinen Badezimmer führte.
„Und jetzt erzähl mir lieber noch mal, warum ich genau her gerannt bin", gab ich zurück und schloss die Tür hinter mir.
Stöhnend ließ sich Jack auf sein Bett fallen und verdeckte mit seinen Armen sein Gesicht. Dabei murmelte er etwas unverständliches.
Schnell zog ich die Schuhe aus und setzte mich neben ihn.
„Ich versteh dein Gemurmel nicht, du Sack."
„Ich hab es dir doch schon geschrieben. Ich hab mich verliebt, Noah. Verliebt!"
Unruhig rutschte ich etwas hin und her. Ja, wie Jungs wussten alles übereinander und sprachen über alles. Aber über Gefühle...und Liebe...darüber sprachen wir selten. Beziehungsweise gar nicht. Wir machten nur Scherze darüber, aber besprachen nicht detailliert, wie es dem anderen ging. Wir waren schließlich keine Mädchen. Wie führte man so ein Gespräch?
„Und, also, seit wann?", fragte ich unbeholfen. Das war doch bestimmt ein guter Anfang. Am Anfang anfangen.
„Ich weiß nicht. Ich denke mal, schon länger. Aber das ist absurd, weil..."
„Jack McLean sich nicht verliebt."
„Ähm...ja. Genau. Aber scheinbar doch."
Jack starrte die ganze Zeit an die Decke. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Therapeut, der mit seinem Patienten sprach. Therapeuten ermutigten doch ihre Patienten, von alleine zu reden. Also musste ich Jack nur reden lassen.
Was er auch tatsächlich tat, ohne dass eine lange Pause entstand.
„Also weißt du, ich kenne diese Person schon etwas länger. Wir haben auch schon viel miteinander gemacht und alles war immer cool und so. Aber irgendwann ist dann sie Stimmung umgeschwungen."
Okay, so weit kam ich noch mit.
„Am Samstag dann..."
„Du meinst, als du und Rhys feiern ward?"
„Ja. Naja, da habe ich die....andere Person gesehen, wie sie mit jemanden rumgemacht hat. War ziemlich scheiße das Gefühl."
„Hast du dich deshalb bei drei verschiedenen Mädchen probiert?"
Jack rieb sich die Augen. „Ich denke schon." Er seufzte. „Das ist doch scheiße! Warum sind Gefühle denn so kompliziert?"
„Was ist denn so kompliziert?"
„Na alles! Ich hab es nun mal nicht so leicht wie du mit Maliha", brauste Jack auf uns setzte sich dabei auf.
„Glaub mir, das ist alles andere als einfach", lachte ich trocken. „Aber hat diese Person dich in dem Club mit den anderen Mädchen gesehen?"
„Ja hat sie."
„Hast du ihre Nummer?"
„Ja hab ich. Warum?"
„Dann schreib sie an, entschuldige dich und frag, ob ihr euch noch mal treffen könnt. So in Ruhe. Dann könnt ihr das bereden und am besten sagst du ihr auch, was in deinem Kopf grad vor sich geht."
Jack sah mich kritisch an. „Meinst du, das funktioniert?"
„Klar, warum nicht? Hat bei mir doch auch geklappt?"
„Naja. Nicht so ganz. Justin hat deine Nacht mit Maliah durch die ganze Cafeteria geschrien und du hast sie auf dem Klo zu Dates überredet."
Ich schlug ihm gegen die Schulter.
„Ich meine ja auch danach, Dummkopf.Reden hilft wirklich. Man muss sich daran gewöhnen, aber Ehrlichkeit ist bei Gefühlen das Wichtigste. Und wenn es die richtige Person ist, kommen die Worte ganz von alleine."
Jack sah mich immer noch skeptisch an. Ich verdrehte die Augen.
„Na los! Handy raus, schreib sie an! Und dann können wir mit diesem Mädchenkram aufhören."
Jack lachte, zog sein Handy aus der Hosentasche, tippte kurze Zeit darauf herum und steckte es dann wieder weg. Er fuhr sich ein Mal über das Gesicht und meinte dann: „Genug von diesen Gefühlen, Lust zu zocken?"

Alles begann mit...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt