...einem Wiedersehen unter Geschwistern

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Lange blieb der Moment zwischen uns nicht bestehen. Er war um ehrlich zu sein so kurz, dass ich nicht wusste, ob Maliah wirklich verstanden hatte, was ich ihr gesagt hatte. Na gut, gegen einen großen Bruder kam ich auch nicht an. Erst wurden Maliahs Augen größer, dann breitete sich das größte Lächeln auf ihrem Gesicht aus, das ich je gesehen hatte.
„Raiden!", rief sie und sprang in der nächsten Sekunde schon aus dem Auto, nur um vor Freude quietschend in die Arme ihres Bruders zu springen. Dieser fing sie geschickt auf, wirbelte sie herum und lachte mit ihr.
Schmunzelnd blieb ich noch einige Sekunde im Auto sitzen, um den Geschwistern ihr Wiedersehen nicht zu verderben. Dann packte ich die wichtigsten Sachen schnell zusammen, klaute mir meine Jacke zurück und stieg aus. Erst jetzt merkte ich, wie anstrengend diese sechs Stunden Autofahrt doch gewesen waren. Viel weiter hätte ich wirklich nicht fahren wollen. Ich lehnte mich gegen das Auto, atmete die kühle Luft ein und beobachtete weiter Maliah und Raiden, die mich ganz vergessen zu haben schienen, so angeregt unterhielten sie sich. Dabei entstand eine sehr interessante Mischung aus Englisch und Japanisch, von der ich immer nur die Hälfte verstand. Ich nahm mir Zeit, Raiden zu betrachten.
Man sah sofort, dass Maliah und er verwand waren. Sie hatten die gleichen Gesichtszüge, nur waren seine etwas kantiger. Allerdings hatte er die selben Augen und die gleiche Haarfarbe, wie seine kleine Schwester. Die Haare waren relativ kurz geschnitten, wobei die Seiten kürzer waren als die oberen Haare. Raiden sah etwas kleiner aus als ich, jedoch waren seine Schultern deutlich breiter. Das dunkelblaue Langarmshirt zeigte, dass er scheinbar viel Zeit in Fitnessstudios verbrachte, ohne dabei prollig auszusehen. Er strahlte sowohl Autorität als auch Geborgenheit aus. Mit seiner Schwester im Arm vor allem Geborgenheit. Raiden wirkte wie ein Typ, dem man alles erzählen konnte, der einem zuhörte und dann die richtigen Tipps oder Arschtritte gab.
„Oh, entschuldige. Du musst Noah sein. Schön, dich endlich persönlich kennenzulernen", unterbrach Raiden das Gespräch mit Maliah und kam auf mich zu, während er mir freundlich die Hand entgegenstreckte. Seine Stimme war ziemlich ruhig, angenehm, als würde er vorher jedes Wort überdenken, bevor er es aussprach.
„Ebenfalls schön, dich kennenzulernen. Cool, dass es geklappt hat", antwortete ich, während ich Raidens Hand schüttelte. Sein prüfender Blick entging mir dabei allerdings nicht.
„Wo ist Jane?", fragte Maliah, womit sie Raidens Blick wieder auf sich lenkte.
„Jane ist oben und kocht. Na kommt, wir nehmen direkt eure Sachen mit, dann müsst ihr nichts mehr holen. Das Essen sollte auch gleich fertig sein. Ihr habt doch Hunger?"
Passend knurrte mein Magen und beantwortete die Frage für sich.
Maliah kicherte und ging zum Kofferraum, um ihre Tasche herauszuholen, wobei sie mir beiläufig über den Arm strich, was mich mal wieder dämlich lächeln ließ. Unsere Sachen waren schnell gepackt und Raiden führte uns in das warme Innere des Gebäudes. Der Eingang war nichts besonderes. Ein kahler Flur, der auf einer Seite mit Postfächern und auf der anderen Seite mit Plakaten zu diversen Veranstaltungen bepflastert war. Eine ebenso trostlos wirkende Treppe schlängelte sich um einen Aufzug in die Höhe. Wir nahmen zum Glück den Aufzug. Ich hätte wirklich keine fünfunddreißig Stockwerke hochgehen wollen und bezweifelte auch, dass das überhaupt irgendjemandem freiwillig tat. Der Flur, der hinter der Aufzugtür erschien, war genau so langweilig gehalten, wie der Flur im Eingangsbereich. Es gab nur drei Türen zu Wohnungen, die alle aus dem selben Metall bestanden. Nur die goldenen Zahlen an ihnen unterschieden sich. Raiden steuerte auf die Tür am Ende des Ganges zu, die die Nummer 353 trug. Die Tür war nur angelehnt und bereits jetzt roch ich den betörenden Geruch von Essen, der mich wieder daran erinnerte, dass meine Ernährung heute nicht gerade der Knaller gewesen war.
„Kommt rein. Fühlt euch, wie zuhause."
Raiden machte für uns die Tür weiter auf und ließ uns eintreten. Ich wischte mir schnell auf der Fußmatte die Schuhe ab, damit ich nicht den ganzen Schnee von draußen mit rein brachte und sah mich neugierig um. Die Wohnung war das genaue Gegenteil zum Flur. Der Flur wirkte kalt, dunkel, unfreundlich. Die Wohnung hingegen war hell, versprühte leben und war einladend. Bodenhöhe Fenster an allen Seiten ließen genügend natürliches Licht herein, dass Lampen tagsüber überflüssig waren. Der helle Holzboden fing auch jetzt das warme Licht der wenigen gebrauchten Lampen ein und schenkte der Wohnung Leben. Von der Eingangstür sah man direkt auf die Sofalandschaft. Die Couch war L-förmig aufgebaut, war hellgrau und mit vielen hellen Kissen und Decken übersäht. Es gab sogar einen passenden Sessel, der nur dazu einlud, sich in ihn hinein zu kuscheln und dort den ganzen Tag zu verbringen. Vor der Couch lag ein weißer Teppich, der ziemlich flauschig aussah und auf ihm stand ein kleiner Glastisch. Eine hohe Leselampe spendete warmes Licht. An der Wand standen einige Bücherregale.
„Schatz, wir sind da!", rief Raiden in die Wohnung hinein, während wir uns die Schuhe auszogen. Diese stellten wir ordentlich an die Seite, hängten unsere Jacken an die Hacken darüber und folgte dann Raiden den kleinen Flur entlang auf die Sofalandschaft zu.
Tatsächlich waren Wohnzimmer, Esszimmer und Küche ein großer Raum, der von dem Esstisch geteilt wurde. Die Küche dahinter sah hochmodern aus und war ebenfalls in hellen Tönen gehalten. In ihr stand eine wunderschöne junge Frau, bei der ich annahm, dass es sich um Raidens Verlobte Jane handelte. Beschäftigt rührte sie in einem Topf und schien uns gar nicht wahrzunehmen. Jane hatte blonde Haare, Sommersprossen, ein feines Gesicht und war, soweit man das durch die große Kochschürze erkennen konnte, schlank. Sie erschreckte sich sichtlich, als Raiden sie von hinten umarmte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte.
„Du sollst das doch nicht machen!", fuhr sie ihn an, drehte sich dabei blitzschnell um und drohte ihm mit dem Kochlöffel, von dem Sauce tropfte.
Raiden zog belustigt die Augenbrauen hoch. „Was soll ich nicht machen? Nach Hause kommen?"
„Mich so erschrecken, du Trottel und das weißt du auch ganz genau."
„Ich kann nichts dafür, dass du in deiner kleinen Welt bist. Ich habe gerufen, dass wir da sind."
Bei dem wir drehte Jane sich zu uns um. Freudestrahlend kam sie auf uns zu und zog Maliah fest in die Arme.
„Ist das schön, dich zu sehen. Du warst so lange nicht mehr bei uns. Seit unserem Umzug nicht mehr." Jane hielt Maliah ein Stück von sich entfernt. Das Strahlen in ihren grünen Augen verschwand dabei nicht. „Bist du gewachsen? Wie läuft es in der Schule? Und beim Fußball? Ist das dein Freund? Rai hat mir erzählt, dass er mit deinem Freund geschrieben hat. Ich freu mich ja so für dich. Und er sieht wirklich gut aus."
Janes Worte kamen so schnell, dass mir fast schwindelig wurde. Ich bewunderte Maliah dafür, dass sie so ruhig dastehen und lächeln konnte. Allerdings kannste sie Jane auch schon länger als ich und war diesen Wortschwall wahrscheinlich schon von ihr gewohnt. Ehe ich mich versah, wurde auch ich in eine herzliche Umarmung gezogen und dann von der zweiten Person an diesem Abend eingehend betrachtet.
„Noah, richtig? Den Namen mag ich. So würde ich meinen Sohn auch nennen. Machst du viel Sport? Du bist so muskulös." Prüfend drückte sie dabei meine Arme.
„Ich spiele Eishockey", schaffte ich es gerade noch zu sagen, ehe Jane sich wieder zum Herd drehte und friedlich weiter kochte.
„Liebling, zeig den beiden doch mal ihr Zimmer. Ich mach das Essen fertig", ordnete Jane an. Intensiv sah sie ihn an. „Das gemeinsame Zimmer. Wehe, du stellst dich irgendwie an. Die beiden sind alt genug und wissen schon, was sie tun."
Raiden verdrehte die Augen und bedeutete uns, ihm in einen kleinen Flur zu folgen.
„Hier ist das Badezimmer" - er deutete auf die linke Tür am Anfang - „daneben ist unser Schlafzimmer. Hier ist das Arbeitszimmer" - es war die Tür gegenüber vom Badezimmer - „und dort ist das Gästezimmer. Sachen sollten alle da sein. Richtet euch in Ruhe ein und falls etwas fehlt, sagt Bescheid."
Damit ließ er uns alleine. Natürlich war das Gästezimmer direkt gegenüber vom eigentlichen Schlafzimmer. Maliah machte die Tür auf und betrat vor mir den Raum. Auch hier reichten die Fenster bis zum Boden und boten einen wunderschönen Blick über die Stadt. Und das, obwohl wir nicht direkt im Zentrum waren. Ein großes Bett stand dominant in der Mitte des Raumes. Ansonsten gab es nur noch einen Kleiderschrank. Eine weitere Tür führte überraschend in ein kleines Badezimmer. Immerhin musste ich so nicht immer über den Flur schleichen und wurde vonRaiden aufgehalten. So freundlich er auch war, ein Kreuzverhör stand mir bestimmt noch bevor. Ich schloss leise die Tür und beobachtete Maliah dabei, wie sie ihre Tasche abstellte und mit verschränkten Armen vor dem Fenster stehen blieb.
„Raiden scheint nett zu sein", unterbrach ich die Stille, stellte meine Tasche ab und setzte mich auf das Bett.
„Wenn er nicht gerade den überfürsorglichen großen Bruder raushängen lassen muss, dann ja."
Langsam drehte Maliah sich zu mir um und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. Ich hatte das Gefühl, vorsichtig sein zu müssen und stand nur langsam auf. Die Hände vergrub ich in meinen Hosentaschen.
„Also...wir müssen nicht in einem Bett schlafen. Also wenn du nicht willst. Ich kann auch auf der Couch schlafen", bot ich an. Ich hätte kein Problem damit, mit Maliah in einem Bett zu schlafen, ganz im Gegenteil. Aber ich hatte versprochen, auf sie Rücksicht zu nehmen.
Maliah strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht. „Nein. Nein, schon okay. Wäre ja nicht das erste Mal." Noch immer musterte sie mich. „Ich frage mich nur, warum du das hier tust." Dabei zeigte sie durch den Raum.
Langsam ging ich auf sie zu und blieb kurz vor ihr stehen. Sie musste ihren Kopf leicht in den Nacken legen, um mir in die Augen zu gucken. Dabei hielt sie sich an meiner Taille fest, was mich dazu brachte, sie genau so festzuhalten.
„Du meinst diesen Trip?"
Sie nickte.
„Ganz einfach. Ich möchte dir eine Freude machen. Bei unserem ersten Date sagtest du, dass du deine Brüder schon lange nicht mehr gesehen hast, weil die Fahrt so lang ist. Die Fahrt hab ich dir somit abgenommen. Ich habe Raiden über Instagram angeschrieben, ob wir vorbeikommen können. Nicht, damit ich mich bei irgendjemandem einschleichen kann oder so. Sondern damit du glücklich bist. Damit ich dich lächeln sehen kann. Und wenn wir gleichzeitig noch ein Kleid für den Ball für dich finden, dann ist das doch perfekt. Aber Hauptsache, du hast eine schöne Zeit. Alles andere ist Nebensache."
Ihre Augen glänzten. Ich beugte mich zu ihr runter und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Und jetzt lass uns essen, ich hab riesigen Hunger."
Maliah nickte zustimmend, drückte mich ein Mal fest an sich und ging dann vor mir aus dem Raum raus. Ich atmete tief durch, fuhr mir durch die Haare und versuchte, mein schnell schlagendes Herz zu beruhigen. Doch der Geruch von Essen hielt mich nicht lange im Zimmer. Gesprächsfetzen und Geschirrgeklapper empfingen mich. Ohne zu fragen half ich Maliah und Raiden dabei den Tisch zu decken, während Jane noch in der Küche hantierte. Maliah erzählte den beiden gerade, was momentan in der Schule, beim Fußball und zuhause los war. Auch dabei mischte sie englisch und japanisch durcheinander. Raiden nickte immer mal wieder zustimmend oder stellte Fragen. Ob Jane diese Doppelsprachigkeit verstand, wusste ich nicht. Ich tat es nicht und kam auch nur im Gespräch mit, weil ich das meiste schon wusste. Hoffentlich würde das nicht die ganze Zeit so weiter gehen, denn dann war ich verloren.
„Genug japanisch gesprochen für heute. Der arme Noah versteht ja kein Wort", bestimmte Jane, während sie einen großen Topf auf den Tisch stellte und uns bedeutete, uns hinzusetzen. Schnell zog sie sich die Schürze aus und setzte sich dann neben Raiden.
„Da musst du sofort eingreifen, Noah, sonst machen die das den ganzen Tag so weiter. Ich versteh auch nur das meiste, weil ich damals nach der Schule für ein Jahr in Japan war und durch Raiden die Sprache wieder gelernt habe. Aber ich gehe mal nicht davon aus, dass du irgendwo japanisch gelernt hast", richtete sich Jane an Mitchell, während sie das Essen verteilte.
„Bisher leider nicht. Aber vielleicht lerne ich es ja noch", antwortete ich mit einen Blick zu Maliah neben mir.
Es gab Ramen. Mir wurde erklärt, dass diese Art von Nudelsuppe ursprünglich aus China stammte, jedoch in Japan ziemlich beliebt war und die Japaner ihre eigenen Varianten von Ramen entwickelt hatten. Eigentlich war ich kein großer Fan von Suppen. Wenn ich Hunger hatte, wollte ich etwas richtiges essen. Kein Wasser mit Gemüse drin. Von Suppe wurde ich einfach nicht satt. Suppe war nur gut, wenn man sich aufwärmen musste oder wenn man krank war.
Oder wenn sie von Jane gekocht war. Es schmeckte fantastisch. Auch wenn ich es nicht so leicht wie die anderen am Tisch schaffte, die Nudeln mit den Stäbchen zu essen und irgendwann zurück auf die Gabel griff, was Maliah ziemlich zum Lachen brachte. Sie zeigte mir mehrfach, wie ich die Stäbchen halten musste, jedoch bekam ich immer einen Krampf in der Hand, wenn ich versuchte, es ihr nachzumachen. Generell wurde beim Essen viel gelacht. Ich erfuhr, dass Jane und Raiden sich am College kennengelernt hatten; dass Jane Innenarchitektur studiert hatte und leidenschaftlich gerne kochte und backte. Raiden hingegen arbeitete in einer großen Bank und machte viel Sport. Jane hatte ihren Verlobten deutlich unter Kontrolle, was dieser aber mit leuchtenden Augen zu genießen schien, so verliebt wie er sie ansah.
Wir halfen noch dabei den Tisch abzuräumen, ehe wir von Jane ins Bett gescheucht wurden, da uns fast die Augen zufielen. Der Tag war doch sehr lang gewesen. Maliah und ich wünschten ihnen eine gute Nacht und gingen dann ins Gästezimmer.
„Möchtest du zuerst ins Bad?", fragte Maliah mich.
„Du kannst ruhig gehen. Ich warte so lange", bot ich an.
Sie griff sich ein paar Sachen aus ihrer Tasche und verschwand dann im kleinen Badezimmer. In der Zeit schrieb ich meinen Eltern eine Nachricht, dass wir gut angekommen waren und jetzt schlafen gehen würden. Dann schrieb ich Jack noch und fragte, wie sein Date mit seiner mysteriösen Person gewesen war. Ich sah noch ein bisschen durch Instagram, entdeckte allerdings nichts spannendes. Maliah brauchte nicht lange im Bad. Nur in einem langen Tshirt bekleidet kam sie heraus und verschlug mir mal wieder den Atem. Damit ich sie nicht zu lange anstarrte, drehte ich mich schnell um und öffnete meine Tasche. Eigentlich wollte ich nur meine Sachen für's Badezimmer raus holen. Jedoch entdeckte ich etwas ganz anderes: Ganz oben auf meinen Sachen lagen mindestens zwanzig Kondome. Daneben war ein Zettel mit der Handschrift meiner Mutter.
Hab viel Spaß und pass auf dich auf. Verhüten ist besser als rausziehen.
„Was hast du da?", fragte Maliah, die dabei war, sich ins Bett zu kuscheln.
„Nichts", sagte ich etwas zu schnell und warf die Tasche beinahe von mir. Schnell kramte ich meine Sachen heraus, machte die Tasche wieder zu und verschwand im Badezimmer.
Gott, peinlicher ging es auch nicht mehr.
Ich sprang schnell unter die Dusche, rubbelte dann mit einem Handtuch meine Haare trocken und putzte mir die Zähne. Normalerweise schlief ich immer nur in Boxershorts, aber da ich das Maliah nicht antuen wollte, zog ich mir eine kurze Sporthose und ein frisches Tshirt über. Zurück im Zimmer stellte ich fest, dass Maliah nur eine kleine Lampe für das Licht angemacht hatte. Vor die Fenster waren Gardinen gezogen worden, die die Lichter der Stadt draußen hielten. Das kleine Licht war angenehm warm. Die ganze Situation hätte ziemlich romantisch sein können. War sie nur leider nicht. Allerdings hatte Maliah vor ihrem Bruder nie korrigiert, dass ich nicht ihr Freund sei. Er und Jane dachten wahrscheinlich, dass wir ein glückliches Paar am Anfang unserer Beziehung waren.
Waren wir nur leider nicht.
Kurz betrachtete ich das Mädchen in dem Bett, das sich tief in die große Decke eingekuschelt hatte. Ihre Haare lagen auf eine Seite verteilt, so dass sie ihr nicht im Gesicht hingen. War bestimmt nervig mit langen Haaren, sich gemütlich hinzulegen.
Sollte ich wirklich einfach zu ihr ins Bett steigen?
Mich einfach zu ihr unter die Decke legen?
Oder sollte ich ihr lieber noch mal anbieten wo anders zu schlafen?
„Es ist gruselig, wenn du da so stehst und mich anstarrst. Wie ein Serienmörder in einem Film. Leg dich lieber hin", kam ein Gemurmel von unter der Decke.
Zögernd ging ich auf die freie Seite des Bettes, schlug die Decke zur Seite und legte mich mit dem Gesicht zu ihr hin. Bereits jetzt war mir zu warm. Ich schluckte und wünschte mir, ich hätte ein Glas Wasser neben mir stehen. Unter der Decke herrschten fast tropische Temperaturen, zumindest kam es mir so vor. Maliah sah mich an und lächelte leicht, was jedoch fast augenblicklich von einem Gähnen abgelöst wurde.
„Ist es wirklich in Ordnung für dich, dass wir in einem Bett schlafen?", fragte ich erneut nach. Ich wollte einfach ganz sicher sein.
„Ja, warum denn nicht?"
„Weiß nicht. Könntest es ja auch unangenehm finden."
Maliah gähnte erneut. „Du weißt nicht, wie viele Mädchen an unserer Schule dafür töten würden, um jetzt mit dir in einem Bett zu sein."
„Und was ist mit dir?"
„Ich genieße es."
Stumm sahen wir uns an. In einem Liebesfilm würde der Typ sich jetzt rüber beugen und das Mädchen küssen. Wahrscheinlich auch noch weiter gehen. In einem Liebesfilm würde der Typ jetzt seine Freundin in den Arm nehmen, ihr sagen, wie sehr er sie liebte und mit ihr im Arm einschlafen. Idealerweise würden sie auch am nächsten Morgen noch genau so liegen.
Aber wir waren in keinem Liebesfilm.
Maliah war nicht meine Freundin und ich konnte sie nicht einfach an mich ziehen.
Ich konnte Maliah auch nicht einfach küssen. Da hatte sie die Macht drüber, egal, wie sehr es mich quälte.
Ich konnte nur immer weiter versuchen, sie von mir zu überzeugen. Und vielleicht war ich meinem Ziel auch schon näher, als ich dachte.

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