Kapitel 3

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Ich fuhr herum. In der Tür stand ein gutaussehender junger Mann. Ich hätte ihn ungefähr auf 26 geschätzt, aber seine weißen Haare, ließen darauf schließen, dass er bereits etwas älter war. Seine Kleidung bestand aus einer rotkarierten Bluse, mit hochgekrempelten Ärmeln, einer lässigen Jeans und dunkelblauen Turnschuhen. Die Klamotten ließen ihn sehr sportlich und nett wirken. In seinem linken Ohr war ein schöner Ohrring, der wie ein Drache aussah. Um seinen Hals hing ein großes, silbernes Medaillon, mit einem roten, glitzernden Stein in der Mitte. Seine kurzen, weißen Haare standen zu allen Richtungen ab, was sehr lustig aussah, und waren zerstruppelt, als würde er sich ständig mit der Hand hindurchfahren. Ich sah ihn nachdenklich an. "Was haben sie gerade gesagt?" fragte ich. Er lächelte. "Ich habe gesagt: ich bin einer von deiner Sorte." Ich dachte nach, was er damit meinte, als er sich mit der rechten Hand durch die Haare fuhr. Ein Zeichen war darauf zu sehen. Es war ein weißer Blitz. "Blitz!..Strom!" flüsterte ich. Der Mann lächelte. "Ja richtig. Strom ist mein Element. Du bist Wasser hab ich Recht?" fragte er. Ich nickte. "Ja das erkennt man an deinen Haaren. Aber warum sind sie lila und nicht blau? Ich dachte Wasser ist blau?" Ich wusste darauf keine Antwort. Frau Johnson tauchte plötzlich im Zimmer auf. "Ach Sie haben ihr Zimmer gefunden." sagte sie zu dem Mann. Dieser grinste. "Ja ich habe eine Stimme gehört, die sich über jemanden unterhalten hat, der sie adoptieren möchte und bin ihr bis in dieses Zimmer gefolgt. Ich glaube aber die Besitzerin dieser Stimme schien nicht besonders glücklich darüber zu sein von einem, was war das doch gleich? ach ja einem total dämlichen, nach Müll stinkenden, alten Typen adoptiert zu werden." Er zwinkerte mir belustigt zu. Ich spürte wie sich meine Wangen rot färbten. "Es...es tut mir leid, das wollte ich wirklich nicht. Ich..." "Wie sagt man doch gleich? Ach ja, Einsicht ist der erste Weg zur Besserung." fiel mir der Mann ins Wort. Ich wollte nicht adoptiert werden, aber es fiel mir schwer, diesen Mann nicht zu mögen. Er hatte eine so positive Ausstrahlung und war so nett, dass ich ihn einfach nicht hassen konnte. "Wollen Sie ein privates Gespräch, bevor Sie Thalia mitnehmen?" fragte Frau Johnson. Der Mann betrachtete mich und schüttelte dann den Kopf. "Ich denke nicht, oder?" Er sah mich fragend an. Ich wusste nicht ob er wirklich meine Meinung hören wollte, aber er schien sehr daran interessiert. "Nein. Wir brauchen keins." antwortete ich. Frau Johnson nickte und sagte zu dem Mann:"Kommen Sie bitte kurz mit, wegen der Formulare? Thalia kann in der Zwischenzeit ja schon mal ihre Sachen zusammenpacken." Sie sah mich streng an. Ich nickte und die beiden Erwachsenen verließen den Raum. Als ihre Schritte sich in den langen Gängen, des Kinderheims, verloren, atmete Grace hörbar auf. "Und wie findest du ihn?" fragte sie. "Vielleicht doch nicht so schlimm." murmelte ich und zog meinen großen Koffer unter dem Bett hervor. Er war dunkelblau. Ich öffnete ihn. Grace ging zu meinem Schrank und zog meine Pullover heraus. Ich besaß nicht viele Klamotten, aber das bedauerte ich auch nicht. Eigentlich trug ich nur Jeans' und Kapuzenpullover. Mit Kapuzen konnte ich meine Haare verdecken und wurde nicht von allen blöd angeglotzt. Ich hasste Zöpfe und trug meine Haare immer offen, was natürlich kaum einer wahrnahm. "Ich werde dich vermissen." sagte Grace und legte meine Kleidung gefaltet in den Koffer. "Ich dich auch." erwiderte ich, sah mich in meinem Zimmer um und überlegte, was es wert war, mitgenommen zu werden. Am Ende lagen in dem Koffer außerdem noch drei meiner Lieblingsbücher, mein MP3-Player, ein Fotoalbum, was mir Grace zu meinem elften Geburtstag geschenkt hatte, meine Kamera und meine gesamten Schulsachen. "Ich denke nicht, dass ich die Schulsachen da brauche. In der neuen Schule haben die bestimmt einen ganz anderen Stoff als wir. Und andere Schulbücher." "Ach was. Sicher ist sicher." erwiderte Grace und da ich keine Lust hatte jetzt mit ihr zu diskutieren, widersprach ich nicht. Ich schloss den Koffer und gemeinsam schleppten wir ihn die Treppe hinunter. Der Mann und Frau Johnson standen an der Eingangstür und wartete auf mich. Ich stellte den Koffer ab und Frau Johnson schüttelte mir die Hand. "Auf ein baldiges Wiedersehen, Thalia." Ich hoffte zwar nicht im geringsten darauf, Frau Johnson jemals wiederzusehen, aber trotzdem entgegnete ich:" Auf bald!" Die Leiterin nickte und trat zurück, damit Grace sich von mir verabschieden konnte. Sie nahm mich in den Arm und ich merkte wie ihre Tränen auf meine Haare fielen. Ich hatte die Kapuze für den Abschied abgenommen. "Ruf mich sofort an, wenn du angekommen bist, okay?" Ich lächelte und bejahte. Sie löste sich von mir und drückte mir einen Zettel mit einer Nummer in die Hand. "Vergiss uns nicht, ja?" "Dich nicht, die anderen schon." erwiderte ich grinsend. Grace wollte anscheinend nicht unseren Abschied mit einem Streit beenden, deshalb sagte sie nichts darauf. "Besuch uns mal." rief Grace, als ich und der Mann aus der Eingangstür traten und dem langen Weg zur Straße folgten. "Mach ich." rief ich zurück. Und setzte flüsternd hinzu:" Vielleicht." Ich winkte Grace und Frau Johnson und trat dann durch den großen Torbogen, der das Ende des Kinderheim Grundstücks war. Freiheit! Endlich! Nach all den Jahren! Endlich fort von hier!

Der Kompass der Zeit *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt