12.

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Als wir schließlich aus der U-Bahn steigen, mit welcher wir noch ein Stück gefahren sind, kann ich vor Aufregung kaum noch stillhalten. Wir laufen und laufen und ich versuche mir alles so gut wie möglich einzuprägen. Mir fallen wieder diese vielen Balkone auf, unter welchen wir entlang schlendern und jeder sieht anders aus. Mal hängt Wäsche draußen, ein anderer ist von Blumen übersät und auf wieder einem anderen sitzt eine alte Frau und liest Zeitung.
Nach einiger Zeit kommen wir am Strand an und ich atme die Meeresluft ein. Es fühlt sich einfach nur gut an, so weit weg von allem zu sein und einfach mal nicht über alles nachdenken zu müssen. Wir laufen auf der Straßenseite entlang und ich sehe von hier aus schon die Leute sich am Wasser tummeln. Auch um uns herum wimmelt es nur so von Menschen und ich muss aufpassen, dass ich Paco in dem Gedränge nicht verliere.
Es ist so warm, dass ich am liebsten auch sofort ins Meer springen würde. Als ich das erste Mal hier war, wusste ich so gut wie gar nichts über die Stadt und war erstaunt, als mein Dad meinte, dass Barcelona ans Meer grenzt.
Jetzt mischt sich der Klang des rollenden Koffers auf dem Boden mit den Stimmen der Menschen, dem Meeresrauschen und den Möwen über uns und ich betrachte aufmerksam die Gegend, will mir jedes Detail einprägen.
„Gleich sind wir da", meint Paco, nach dem wir vom Strand in eine Nebenstraße eingebogen sind und wieder ein paar Meter gelaufen sind. Ich nicke nur und kann mein Glück immer noch nicht fassen.

Knapp zehn Minuten später stehen wir vor einem nicht ganz so großen Haus, welches von der Sonne angestrahlt wird. Wir stehen im Schatten, als ein Windhauch durch die Gasse fegt und mir eine Gänsehaut beschert.
Paco drückt auf einen Klingelknopf und kurz darauf ertönt ein Surren und er drückt das Metalltor auf. Wir treten in einen wunderschönen Innenhof und wenden uns nach links, wo an der Tür schon eine alte Dame dasteht.
„Hola mi querido nieto. Como te había extrañado. ¿Cómo estás? Y ella...es tu novia?", begrüßt sie Paco, sagt, wie sehr sie ihn vermisst hat und fragt, wie es ihm geht. Sie nimmt ihn in die Arme und als sie ihn loslässt bin ich dran. Sie drückt mir ein Küsschen auf jede Wange, hält mich an den Oberarmen ein wenig zurück und mustert mich von oben bis unten, beginnt dann aber zu lächeln.
„Yo soy Gabriela. Tienes que ser Belle", sagt sie und ich nicke.
„Sí. Mucho gusto en conocerte." (Sehr erfreut Sie kennenzulernen.)
"Y usted también." (Gleichfalls.)
„¿Vamos?", fragt Paco und wir gehen zusammen durch einen dunkeln Flur in das Haus. Von innen ist es viel größer, als man am Anfang dachte. Wir gehen eine Treppe nach oben und kommen schließlich im dritten Stock an. Dort steht die Tür noch offen und Gabriela führt uns in die Wohnung.
Sie flüstert Paco was zu und der nickt nur.
„Also sie meint, wir sollen erstmal unser Gepäck ins Zimmer bringen und dann in die Küche kommen." Ich nicke und folge ihm durch den Flur, welcher nicht besonders groß ist.
Ich war noch nie in einer spanischen Wohnung...also einer, wo wirkliche Spanier drin wohnen und zwar dauerhaft. Aber diese Wohnung ist genauso, wie ich sie mir vorgestellt habe. Etwas düster, aber trotzdem sauber und schick. Die Regale sind voller Krimskrams und ich muss schmunzeln, da es so bei mir irgendwann auch aussehen könnte, wenn ich weiter so viele Sachen sammele.
Paco öffnet eine Tür, die knarzend nachgibt und wir betreten einen hellen Raum. Hier drin ist nicht viel Platz, nur ein Doppelbett, ein Kleiderschrank und zwei Bretter, die Regale sein sollen, an der Wand schmücken das Zimmer. Wenigstens hat der Raum über dem Bett ein Fenster. Zwar kann man von hier aus nur das Haus gegenüber sehen, es hat aber trotzdem was.

Als ich kurz die Augen schließe, spüre ich etwas Flauschiges an meinen Beinen und öffne sie sofort wieder.
„Huch", entwischt es mir, als ich das schwarze Fellknäuel bemerke, dass sich auf meinem Schoß niedergelassen hat.
„Ach...das ist Ángel...", meint Paco und beginnt die Katze zu streicheln, die sich zusammen gerollt hat und leise schnurrt.
Mir entweicht ein Seufzen, da ich diese Tiere einfach über alles liebe.
„Du magst Katzen?", fragt mein Freund mich und ich nicke.
„Mögen ist noch untertrieben", ich muss lachen und auch er schmunzelt.
Ángel scheint keine Lust mehr auf uns zu haben und flitzt mit einer Geschwindigkeit, die ich nicht erwartet hätte aus dem Zimmer. Paco und ich müssen lachen.

„Alles in Ordnung?", fragt mein Freund nach dem ich ein paar Minuten nichts gesagt habe.
Ich nicke: „Ja und bei dir?", frage ich ihn. Er nickt und strahlt mich an.
„Ich kann es einfach nicht fassen, dass du hier bist", meint Paco, der mich einfach nur ansieht.
„Ich auch nicht", immer noch grinse ich wie ein Honigkuchenpferd.
In dem Moment beugt Paco sich rüber zu mir und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.
„Das ist alles so verrückt", gesteht er, „als wir das hier geplant haben mit meinen Eltern und meiner Schwester...da...da habe ich dich noch gar nicht gekannt."
Ich nicke: „Ich bin froh, dass jetzt alles so ist, wie es ist."
„Ich auch", meint Paco und drückt mir gleich noch einen Kuss auf die Lippen und wir bewegen uns gleichzeitig nach hinten, sodass ich auf der Matratze zum Liegen komme.
„Schade, dass du dieses Ding auf dem Kopf hast", flüstert Paco und meint damit meinen Dutt, „ich würde dir sonst nämlich durch die Haare fahren." Ein Lächeln umspielt seine Lippen und ich schüttele den Kopf. Diese Frisur war wirklich eine super Entscheidung, denn ich hätte es nicht ausgehalten, wenn meine Haare vor Hitze an meinem Rücken geklebt hätten.
Ein kurzer Kontakt unserer Lippen, dann wandert Paco weiter nach unten und beginnt damit, meinen Hals zu küssen. Als er bei meinem Dekolleté angekommen ist, höre ich Schritte und kurz darauf klopft es an der Tür.
„Paco, Belle? Hay algo para comer en la cocina."
Es gibt etwas zu Essen in der Küche.
„Okay, darnos cinco minutos."
„Hasta luego", man hört, wie sich ihre Schritte vom Zimmer entfernen.
„Es gibt in fünf Minuten Essen", erklärt mir Paco und ich nicke lächelnd.
„Das habe ich verstanden", er lächelt mich an und küsst mich wieder auf den Mund.
Ich schüttele lachend den Kopf, während wir vom Bett aufstehen und ich mich im Spiegel an der Wand ansehe. Meine Wangen sind leicht gerötet und dieses Lächeln bin ich schon gar nicht mehr gewohnt.

Wir sitzen also fünf Minuten später in der Küche, die nebenbei gesagt größer ist als das Schlafzimmer. Gabriela bewegt sich federleicht über die Fliesen, obwohl sie...naja...etwas fülliger ist. Ihre schwarzen Locken wippen dabei an ihrem Kopf und ein Lächeln schmückt ihre Lippen.
Pacos Oma hat nicht nur „etwas zu Essen" gemacht, nein, vor mir steht quasi ein riesiges Festmahl. Zwei Schüsseln stehen auf der linken Seite, in der einen Nudelsalat, in der anderen Gemüsesalat. Eine Pfanne mit Hähnchenstreifen, aufgeschnittenes Brot und noch kleine Snacks, bei denen ich nicht genau sagen kann, was es ist.
Als wir am Essenstisch sitzen und beginnen zu essen, fragt Pacos Oma mich aus. Von der Schule bis hin zu meiner Familie. Manches kann ich so sagen, anderes muss mein Freund übersetzen. Es ist eine schöne Abwechslung und ich kann kaum fassen, dass es fast schon um sieben ist, als wir fertig gegessen haben. Das Essen war wirklich lecker und ich habe nicht mal so viel gegessen und doch bin ich so voll wie lange nicht mehr.
Gabriela springt auf und schaltet den Fernseher auf der Anrichte an. Es klingt fast wie ein Klischee doch als ich Paco fragend ansehe erklärt er, dass ihre Telenovela gleich anfängt und sie die natürlich gucken will. Ich muss schmunzeln und wünsche Gabriela eine gute Nacht, falls wir uns nicht mehr über den Weg laufen und gehe zusammen mit Paco in das kleine Nebenzimmer.
„Was für eine Telenovela guckt sie denn?", frage ich, als ich die Tür hinter uns schließe.
„Keine Ahnung. Jedes Mal wenn ich komme hat sie sich an einer neuen Serie festgeguckt. Diesmal glaube ich, dass diese aus Mexiko kommt."
Ich nicke...Mexiko also.
„Bist du müde, willst du schlafen?", fragt Paco und ich nicke.
„Der Flug war ziemlich anstrengend", er nickt und wir gehen zusammen ins Bad.

Als wir uns nach dem Zähneputzen im Schlafzimmer befinden hat Paco schon nur noch seine Boxershorts an. Mein Blick ist auf sein Sixpack gerichtet und ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich mit so einem Jungen...nein...Mann zusammen bin. Er sieht so unglaublich aus und als er mich dabei erwischt, wie ich ihn anstarre, fragt er: „Kommst du nun zu mir oder nicht?"
Ich nicke und gehe langsam auf ihn zu.
Paco legt seine Hände an meinen Kopf und beginnt den ersten Haargummi, welcher meinen Dutt zusammenhält, abzuziehen. Nach dem dritten fragt er lachend: „Wie viele hast du denn da drumgewickelt?" Ich lächle ihn an und ziehe den Duttring raus und Paco löst noch den letzten Gummi.
„Geschafft", flüstere ich lächelnd und er drückt mir einen Kuss auf meine Stirn. Dann fährt er durch meine Haare und drückt mich, mit der anderen Hand an meinem Po, noch näher zu sich heran.
Als wir kurz voneinander lassen, frage ich: „Wie lange guckt deine Oma noch?"
Paco lächelt: „Bestimmt nicht mehr lang und wenn wir Glück haben, ist sie sowieso vor dem Fernseher eingeschlafen." Ich nicke.

Wo die Liebe hinfällt... (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt