18.

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Als ich auf die Uhr sehe, bemerke ich, dass es schon fast um elf ist. Ich habe schon wieder so lange geschlafen. Die andere Betthälfte ist leer und ich gehe erstmal ins Bad, um ausgiebig zu duschen. Dann begebe ich mich zu den anderen beiden in die Küche.
Doch als ich im Türrahmen stehen bleibe, treffe ich nur auf Paco, der Ángel auf dem Schoß hat und mich erst gar nicht bemerkt.
„Hey", sage ich und setze mich neben ihn.
„Ist deine Oma gar nicht da?", frage ich und er schüttelt den Kopf.
„Die ist beim Bingo oder so. Keine Ahnung...aber das macht sie samstags normalerweise immer. Mal sehen, ob sie gewinnt. Da bringt sie bestimmt wieder irgendwelchen Krimskrams mit", er deutet auf das Regalbrett neben dem Herd auf welchem sich einige Figuren sammeln.
Ich nicke nur und überlege, ob ich mir was zu Essen nehmen soll. Als ich aufstehe, um nach einem Apfel zu greifen, springt auch Ángel auf und streicht mir um die Beine. Sofort muss ich schmunzeln. Sie ist wirklich zuckersüß. Als ich das Obst in meiner Hand habe und mich zu Paco auf die Küchenbank niederlasse, springt sie auf meinen Schoß und kuschelt sich zusammen.
Während ich den Apfel esse und die Katze streichle, überlege ich, was wir heute noch so machen könnten.
„Ich hätte da eine Idee. Also...nichts Ausgefallenes, nur halt...ein bisschen rumspazieren, wenn das okay ist?", fragt Paco und ich nicke.
„Verrät's du mir wo?", ich sehe ihn gespannt an und er schüttelt den Kopf.
„Och komm' schon", wieder schüttelt Paco den Kopf und ich schnaufe gespielt frustriert, was ihn zum Lachen bringt.
„Lass dich überraschen", er zuckt nur mit den Schultern und steht auf.
„Warte...willst du jetzt losmachen?", frage ich verdattert und er nickt.
Stöhnend stehe ich auf und höre Paco hinter mir lachen, als ich das Zimmer verlasse, um mir was anderes anzuziehen. Dann föhne ich mir nur noch die Haare und nach dem ich meine Schuhe anhabe, machen wir uns auch schon auf den Weg zur U-Bahn Haltestelle.
Während wir so durch den Untergrund der Stadt tuckern, beobachte ich die Menschen, die mit uns im Wagen der Bahn sitzen. Eine Gruppe, ganz in schwarz gehüllte Teenager sieht uns blöd an, also wende ich meinen Blick schnell wieder zu dem älteren Ehepaar. Die Frau ist an der Schulter ihres Mannes eingeschlafen und ich muss lächeln, als ich bemerke, dass er ihr liebevoll die Hand streichelt.
An der nächsten Station, steigen die Jugendlichen aus, dafür betritt eine Gruppe Kinder den Wagen und auf einmal ist es furchtbar laut.
Als Paco bemerkt, wie ich die Kleinen skeptisch betrachte, beginnt er zu lächeln.
„Sind doch bloß Kinder", flüstert er in mein Ohr und ich verdrehe die Augen.
„Trotzdem", ich zucke mit den Schultern und Paco lacht.
„Ich bin sicher, du warst auch mal so."
Dagegen kann ich wirklich nichts erwidern, denn wenn ich den Geschichten meiner Eltern glauben soll, war ich ein wirklicher Wirbelwind und voller Energie. Bei dem Gedanken an die wenigen Erinnerungen, die ich an damals habe, beginne ich zu lächeln.
„Kann schon sein", antworte ich Paco schließlich und er lacht zufrieden.
Aber zum Glück steigt die Gruppe an der nächsten Haltestelle wieder aus und wir haben unsere Ruhe. Ich atme erleichtert aus. Paco greift nach meiner Hand und drückt einfach so einen Kuss auf den Handballen. Als ich ihn lächelnd ansehe, zuckt er nur mit den Schultern.

Irgendwann steigen wir dann endlich aus und ich weiß immer noch nicht, wo wir genau hinwollen. Auf dem Weg nach irgendwo, kommen wir an einem Supermarkt vorbei, auf welchen Paco gerade zu steuert.
„Hast du Hunger?", fragt er als wir durch die Reihen des kleinen Ladens schlendern.
Ich nicke und wir steuern auf eine beleuchtete Theke mit Sandwiches zu. Ich entscheide mich für ein stinknormales mit Schinken, Käse und Salat. Paco greift nach einem mit Hähnchen. Als wir am Obst vorbeikommen, packt er noch zwei Birnen ein und zum Schluss noch zwei Flaschen Wasser. Nach dem wir bezahlt haben, verstaut er das Gekaufte in seinem Rucksack und wir verlassen das Geschäft.
Wir laufen und laufen und laufen. Irgendwann biegen wir um eine Ecke und kommen bei einem Platz an, der an einen Park erinnert. Mit dem Unterschied, dass hier kaum Pflanzen stehen. Nur ein paar Bäume umsäumen die Bänke auf den Steinplatten. An sich ist es hier ganz schön. Ein paar Meter weiter ist ein Spielplatz, wo sich Kinder tummeln und rundherum sitzen die Mütter und unterhalten sich angeregt.
Wir lassen uns auf einer Bank etwas davon entfernt nieder und erst jetzt bemerke ich das riesige Gebäude, auf welches man von hier aus, einen wunderbaren Ausblick hat.
„Torre Agbar", sagt Paco, als er merkt, wie ich den Turm ansehe. Ich kann nur nicken. Dieses Bauwerk hatte ich ja fast schon wieder vergessen. Ich muss lächeln, denn obwohl es mit seiner runden Form heraussticht, passt es irgendwie perfekt hier her. Die Fenster glänzen im Sonnenlicht und ich bemerke Pacos Blick auf mir.
„Perfekt für eine Mittagspause, oder?", fragt er und ich nicke, greife nach dem Sandwich, welches er mir hinhält und beiße rein.
Während wir essen ist es ruhig, jedoch finde ich die Situation, nicht wie sonst, unangenehm, sondern versuche, einfach nur den Moment zu genießen. Über uns ziehen zwar graue Wolken auf, jedoch denke ich nicht, dass es anfängt zu regnen. Dafür ist es viel warm.
Als wir fertig sind, steht Paco auf und sieht fragend zu mir runter.
„Was ist?", frage ich ihn lächelnd doch er schüttelt nur den Kopf. Dann geht er zu einem Mülleimer, um die Verpackungen der Sandwiches wegzuschmeißen. Als er wieder vor mir steht und ich so an ihm hochgucke, bemerke ich mal wieder, wie schön er ist.
Heute hat er, wie fast immer, ein weißes T-Shirt an und schwarze Jeans. Seine Haare streicht Paco sich, als sie ihm in die Stirn fallen, wieder nach hinten. Als er meinen Blick bemerkt, lächelt er mir zu und ich erwidere es schüchtern.
„Kann es weiter gehen?", fragt er und ich nicke und stehe auf. Er greift nach meiner Hand und wir spazieren weiter und während ich Paco bei seinen Erzählungen über die Stadt zuhöre, sehe ich mich fasziniert um. Barcelona ist wirklich eine der schönsten Städte, in denen ich je war.

Wo die Liebe hinfällt... (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt