25.

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Das nächste Wochenende kam schneller als gedacht. Leider habe ich Paco seit meiner Geburtstagfeier nicht mehr gesehen, weil er irgendwas zu tun hatte, aber dafür holt er mich jetzt ab und wir machen uns auf den Weg.
„Und...aufgeregt?", fragt er mich, als ich nach seiner Hand greife und wir die Straße runtergehen.
„Naja...geht", sage ich und muss lächeln.
„Ich finde es toll, deine Freunde kennenzulernen." Er nickt nur und sieht kurz auf sein Handy.
Wir laufen quer durch die Stadt und kommen schließlich in einer ruhigen Siedlung an. Hier stehen nur Mehrfamilienhäuser und wir steuern auf das gelbe Haus zu.
Paco nimmt meine Hand und öffnet mit der anderen das Tor und hält es für mich auf.
Wir gehen an dem Haus vorbei und betreten einen Garten. Auf den ersten Blick wirkt es trist und einsam, doch Paco zieht mich durch einen kleinen Spalt in einem Gebüsch durch und vor uns erstreckt sich ein kleiner Platz in dessen Mitte schon ein Lagerfeuer fackelt, um dieses sitzen sechs Jungs. Sie sind in irgendein Gespräch vertieft und bemerken uns zunächst gar nicht, bis einer von ihnen aufblickt und mir direkt ins Gesicht sieht. Dann lächelt er und steht auf, um mir die Hand zu reichen.
Er hat gelocktes, dunkelblondes Haar und ein locker sitzendes Leinenhemd an: „Hey, schön dich kennenzulernen, Belle. Wir haben schon viel über dich gehört. Ich bin Jasper."
Ich nicke ihm freundlich zu. Als nächstes stellt sich ein Typ mit schwarzem Haar und grünem T-Shirt als Antonio vor.
Nach dem die Begrüßungsrunde rum ist und ich neben meinem Freund auf der Bank sitze, gehe ich die Namen nochmal im Kopf durch.
Also...gegenüber von uns sitzen Moritz, der, mit dem Paco damals im Wald spazieren war, und Willy. Heute kommt er mir gar nicht so gruselig vor wie letztens, als er mich in der Wohnung begrapschen wollte. Er reißt immer mal wieder einen Witz und ich ertappe mich dabei, wie ich schmunzeln muss.
Rechts von mir um die Ecke sitzt Christoph, er hat dunkelblondes Haar, ist braungebrannt, trägt ein knallgelbes T-Shirt und könnte glatt als Model durchgehen. Neben ihm sitzt Eddie, dieser ist genauso blond, aber viel kleiner und trägt ein oranges Shirt. Er wirkt etwas hibbelig und erzählt die ganze Zeit von irgendwelchen krassen Aktionen, die er plant.
Er will die Jungs unbedingt zu einer Klettertour im Gebirge überreden und ich sehe in zweifelnde Gesichter.
Die Stimmung lockert sich immer weiter, als Antonio beginnt, von den vergangenen Wochen zu erzählen.
Irgendwann kommen wir zum Thema Urlaub. Ich erzähle begeistert von unserem Aufenthalt in Spanien und die anderen hören zu und alle Blicke sind auf mich gerichtet. Ich hatte zuerst befürchtet, ich würde mich, allein unter Jungs, total eingeschüchtert fühlen, doch die sechs hier sind wirklich klasse. Als Paco irgendwann übernimmt und von dem Club in Barcelona spricht, sehe ich, wie Willy die Augen verdreht.
„Mann ey. Hör auf anzugeben", er grinst und entblößt eine Reihe weißer Zähne.
„Es gibt hier schließlich Leute, die konnten nicht in ein anderes Land fliegen."
Auf einmal richten sich alle Blicke auf ihn und er zieht die Schultern nach oben: „Was denn? Jasper und ich waren nur an der Ostsee."
„Ey...nur an der Ostsee?", fragt Jasper gespielt eingeschnappt und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Das merke ich mir. Nächstes Jahr mache ich das nicht mehr mit!", erklärt er und sieht gekonnt nicht in Willys Richtung. Sein Kumpel schüttelt nur lachend den Kopf und ich muss schmunzeln.
„Siehst du, er ist gar nicht so schlecht", flüstert Paco mir zu und meint damit natürlich seinen Mitbewohner. Ich kann nur nicken, denn Christoph erzählt gerade von seinem Urlaub mit seiner Freundin Nadja. Ihr Vater scheint super reich zu sein und hat den beiden eine Woche in Ägypten spendiert. Er erzählt von dem Hotel und der Umgebung. Und so wie er das alles beschreibt, bin ich froh, nicht dort hin zu wollen. Dort sitzt man ja wirklich nur in der Hitze beziehungsweise ist drinnen im Hotel und macht sein Ding. Ich bin eher so der Typ, der was unternehmen muss und da fand ich Pacos und meine Reise wirklich perfekt.
Meine Gedanken schweifen ab und ich werde etwas sentimental bei dem Gedanken an unsere Ferien.
„Also...ich habe gehört, hier hat jemand Stockbrotteig gemacht?", sagt Moritz auf einmal und alle Blicke richten sich auf mich. Ich lächle die Gruppe an und hole die Schüssel aus meinem Beutel. Wegen des Rezeptes musste ich extra meine Mom anrufen, die sich dann beschwerte, dass ich mich zu selten bei ihr melde.
„Ich hoffe, der ist gelungen. Es war das erste Mal, dass ich das alleine gemacht habe", sage ich und öffne die Schüssel, um sie neben mich auf die Bank zu stellen.
„Wird schon nicht so schlimm sein", zieht Paco mich auf, während Jasper und Antonio hinter einem Gebüsch verschwinden und kurz darauf mit Stöcken in der Hand wiederkommen.
Ich habe noch so ein Teigabtrenn-Ding mitgenommen und jeder macht sich ein Stück von dem Klumpen in der Schüssel ab und wickelt ihn um seinen Stock.
Wow...nach dem jeder sich eine Portion genommen hat, ist fast nichts mehr übrig.
Jedoch reicht es noch für mich und Paco und so trenne ich das letzte Bisschen in zwei Stücke.
Als ich es am Stock habe, halte ich diesen über das Lagerfeuer und muss lächeln.
Das hier ist so ein typisches Sommerabend-Ding. Mit Sissy und Me könnte man sowas nie machen...keine Ahnung wieso.
Auf einmal dringen leise Töne in mein Ohr und als ich nach rechts sehe, bemerke ich, dass Christoph gerade seine Gitarre stimmt. Er spielt Gitarre?!
Kurz darauf spielt er eine Melodie und ich lehne mich an Paco, er legt seinen Arm um meine Schulter und zieht mich noch ein Stück an sich ran.
Als ich aufblicke sehe ich Mo, der unseren Anblick anscheinend furchtbar komisch findet und sich ein lachen nicht verkneifen kann.
„Mann, hör' auf", weist Paco ihn da schon ein und macht keine Anstalten, seinen Arm wieder an sich ranzunehmen, im Gegenteil, er streicht sogar noch mit den Fingern über die Härchen an meinem Unterarm und ich bekomme eine Gänsehaut.
„Lass' mich doch! Ich kann es einfach nicht fassen, dass du eine Freundin hast! Das ist...naja...", beginnt Moritz und Jasper ergänzt: „...ungewohnt!"
Die beiden Lachen und ich verdrehe die Augen, muss aber über die Truppe schmunzeln. Es sind nicht diese typischen Teenager, die unbedingt mit ihren Markenklamotten angeben müssen. Nein...die sechs sind ganz normale Menschen und ich kann verstehen, weshalb Paco mit ihnen so gut befreundet ist.
Irgendwann essen wir schließlich das Stockbrot und ich hole mein Handy raus, um nach neuen Nachrichten zu sehen.
Esmeralda will wissen, ob ich heute noch nach Hause komme. Ich schreibe ihr, dass es schon ziemlich spät ist und ich wahrscheinlich bei Paco übernachten werde. Meine Mom hat auch ein Bild geschickt, welches ich mit einem Smiley kommentiere.
Leider ist auch ein verpasster Anruf von meiner Oma dabei. Ich hätte gerne mal wieder mit ihr geredet, obwohl wir uns ja erst zu meinem Geburtstag gesehen hatten.
Ich schreibe ihr, dass ich mit Freunden unterwegs bin, doch es ist schon fast um zehn und sie wird die Nachricht wahrscheinlich erst morgen lesen.
Dann stecke ich mein Handy wieder zurück und lehne mich wieder an meinen Freund.

Ich höre, wie sich Willy und Jasper über Paco, Mo, Christoph, Eddie und Antonio lustig machen, da die fünf nächste Woche wieder in die Schule müssen.
Oh wow...wir sind dann einfach zwölfte Klasse. Ich will darüber eigentlich gar nicht nachdenken. Schule stresst furchtbar und noch sind ja Ferien.
Also nehme ich nochmal mein Handy, welches zu blinken begonnen hat. Ich entsperre es und öffne Instagram. Ich stocke...Rick hat mir geschrieben.
Schnell schließe ich die App wieder und lege mein Handy beiseite. Verzweifelt versuche ich, nicht durchgehend daran zu denken und konzentriere mich auf das Gespräch der Jungs.

Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich eingeschlafen bin, bis Paco mir leicht eine Strähne aus dem Gesicht streicht und in mein Ohr flüstert, ich solle wieder aufwachen, da wir loswollen.
Verschlafen blinzele ich und sehe, dass das Lagerfeuer schon längst aus ist. Ich muss echt müde sein, wenn ich hier eingeschlafen bin.
„Komm' wir machen los", sagt Paco flüsternd und hilft mir auf. Während er sich noch mit den Jungs unterhält stehen Willy und ich schon am Gartentor. Der blonde Junge neben mir streicht sich das Haar aus der Stirn, ehe sich sein Blick auf mich richtet.
„Du Belle...äh...", beginnt er und ich sehe ihm direkt in die Augen.
„Wegen der Sache von letztens...als ich...äh...in der Nacht ...das war...also...ich hatte zu viel getrunken und war überhaupt nicht richtig anwesend. Als ich am Morgen aufgewacht bin und mir Paco dann davon erzählt hat, konnte ich mich erst gar nicht daran erinnern", er zuckt mit den Schultern, „...auf jeden Fall wollte ich mich entschuldigen. Das war scheiße."
Ich nicke: „Ist okay. Trotzdem bist du mir sympathischer, wenn du nüchtern bist."
Er lächelt mich schüchtern an und ich erwidere es leicht. Dann kommt auch schon Paco, greift nach meiner Hand und wir machen uns auf den Rückweg.

Als mein Freund und ich schließlich im Bett liegen fragt er: „Und...über was haben du und Willy vorhin geredet?"
Ich verdrehe die Augen: „Er hat sich entschuldigt...wegen der Sache von letztens."
Paco nickt und zieht mich näher zu sich ran. Ich trage nur meine Unterhose und ein T-Shirt von ihm und fühle mich pudelwohl.
„Bist du müde?", fragt er und ich nicke.
„Ja, total. Ich frage mich, wie ich es überhaupt bis hierher geschafft habe", ich muss lachen und sehe, im Schein der Nachttischlampe, wie mein Freund auch die Mundwinkel nach oben zieht.
„Okay, dann lass uns schlafen. Gute Nacht", sagt er und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Schlaf gut", sage ich und schließe die Augen.

Wo die Liebe hinfällt... (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt