Ankunft

1.4K 71 15
                                    


Ich verwandelte mich vorsichtig zurück in meine Menschengestalt und sah mich zuallererst um. Als ich sicher war, dass niemand mich beobachtet hatte zog ich aus meinem Versteck in einem Astloch eine Tüte mit Klamotten. Bevor ich sie anzog, inspizierte ich die Sachen kurz.

Ich hatte eine enge schwarze Jeans, ein weißes T-shirt mit einer Katze vorne drauf, das ich nur anzog, weil es das einzige war und weiße ausgelatschte Turnschuhe. Nichts davon hatte ich mir selbst gekauft. Schön blöd, wenn die Leute ihre Sachen nach draußen hängten, wo jeder sich bedienen konnte. Natürlich versuchte ich, mir eher Klamotten aus dem Müll oder aus Altkleidercontainern zu nehmen, aber manchmal fand ich dort einfach nichts.

Langsam lief ich durch den Wald, barfuß, und versuchte mich neben der Straße zu halten, damit auch sicher den richtigen Weg fand. Tief atmete ich den Geruch der Bäume ein.  Es hatte etwas Befreiendes, dass ich endlich wieder ein Ziel hatte, auf das ich mich konzentrieren konnte.

Endlich kam in der Ferne ein Gebäude in Sicht. Mein Herz klopfte vorfreudig und etwas nervös. Die vorderste Fassade sah ehrlich gesagt etwas langweilig aus, mehr wie eine normale Schule, als wie ein sehr besonderes Internat. Dass ich hier richtig war, erkannte ich allerdings schon daran, dass die ganze Luft von unterschiedlichen Tiergerüchen erfüllt war, die ich mit meiner feinen Nase sogar als Mensch riechen konnte.

Als ich um die Schule herumging musste ich tatsächlich lächeln. Die Fassade war alle, was an eine normale Schule erinnerte. Von hinten bestand die Schule auf vielen Granitblöcken, in denen vereinzelte Fenster eingebaut waren. Ganz oben entdeckte ich sogar eine große Glaskuppel. Sofort überkam mich das Gefühl, am liebsten ganz oben zu stehen. Ich atmete tief durch.

Erst dann fiel mir auf, dass ich noch keinen einzigen Schüler gesehen hatte. Ich wunderte mich, bis mir einfiel, dass wohl gerade Unterricht war. Dann musste ich das Sekretariat wohl alleine finden. Unsicher ging ich durch den vorderen Eingang in das Gebäude. Bevor ich mich verlaufen konnte, kam mir zum Glück ein blasses Mädchen mit schwarzen Haaren entgegen.

"Hey, ich kenne dich überhaupt nicht. Bis du neu?", fragte sie freundlich. Ich nickte stumm. Keine Ahnung, was ich sagen sollte. "Soll ich dich zu Miss Clearwater bringen?" Wieder nickte ich. Das Mädchen lächelte leicht und bedeutete mir, ihr zu folgen.

Nachdem wir durch einige weitere Gänge gelaufen waren, blieb das Mädchen vor einem Raum stehen. Dann drehte sie sich zu mir um, da ich einige Schritte hinter ihr geblieben war. „Ich heiße übrigens Wing", sagte sie.

In dem Moment ertönte ein lauter Gong und eine Menge Schüler kam aus dem Raum. Einige von ihnen warfen mir im Vorrübergehen neugierige Blicke zu. Sie sahen aus, als wären sie ein paar Jahre älter als ich, also musste es sich wohl um eine der höheren Klassen handeln.

Nicht, dass ich schon viel über die Schule wusste, auf die zu gehen ich mich entschlossen hatte. Ich hatte bloß mit der Zeit einiges aufgeschnappt, unter anderem, dass es an der Clearwater High drei Jahrgänge gab.

Nachdem die meisten Schüler den Raum verlassen hatte, ging Wing hinein und ich folgte ihr. Neben dem Lehrerpult stand eine große Frau mit weißen Haaren, die sich gerade von einigen Schülern verabschiedete. Dann blickte sie lächelnd auf und winkte mich zu sich heran.

„Hallo, ich heiße Lissa Clearwater. Ich bin die Direktorin der Clearwater High. Wie heißt du?", fragte sie. Ich starrte sie an und versuchte zu erraten, was wohl ihre zweite Gestalt war. Erst einen Moment später fiel mir auf, dass ich wohl auf ihre Frage antworten sollte.

„Linnea Starshine", murmelte ich leise. Meine Stimme klang sehr rau, man hörte, dass ich sie seit einer sehr langen Zeit nicht mehr benutzt hatte. „Willkommen an der Clearwater High, Linnea. Da du hier einfach so auftauchst, nehme ich mal an, dass du hier zur Schule gehen möchtest."

Ich nickte, um ihre Frage zu beantworten und strich mir nervös eine Strähne meiner kastanienbraunen Haare aus dem Gesicht. Von Lissa Clearwaters Antwort hing ab, wie alles Weitere verlaufen würde.

Woodwalkers, neue GesichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt