Verhalten in besonderen Fällen

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Ein Regentropfen landete auf meiner Nase. Ich spürte das kalte Wasser, merkte, wie der Tropfen langsam auf die Nasenspitze zurollte und schließlich runterfiel. Ein zweiter Tropfen landete auf meinem Rücken, dann wurden es zwei, vier, zehn.

Müde hob ich den Kopf und öffnete die Augen. Gerade brach die Dämmerung an und in dem schwachen Licht konnte ich die dunklen Wolkengebilde sehen. Immer mehr Regentropfen platschten auf die Steine.

Vorsichtig, um meine verletzte Pfote nicht zu sehr zu belasten, kletterte ich wieder nach unten. Leider fand ich mein Zimmer nicht auf Anhieb wieder.

Ich ärgerte mich, über mich selbst, dass ich mir das richtige Fenster nicht genau eingeprägt hatte, aber das konnte ich jetzt auch nicht mehr ändern.

Während ich mein Zimmer sucht, regnete es immer mehr. Zum Glück hatte ich das Fenster kurz darauf endlich gefunden und sprang mit einem Satz nach drinnen. Auch hier auf dem Boden waren schon einige kleine Pfützen.

Nachdem ich mich mit einiger Mühe verwandelt hatte, schloss ich schnell das Fenster. Dann fiel mein Blick auf Mias T-Shirt, das auf dem Boden lag. Auf der Vorderseite hatte es ebenfalls einige Blutflecke.

Ich hob das Shirt auf und schob es unter die Bettdecke, mit dem festen Vorsatz, beides später auszuwaschen. Erst dann merkte ich, dass ich immer noch nichts anhatte. Unsicher warf ich einen Blick auf Mia.

Was wäre, wenn sie jetzt aufwachte? Bei dem Gedanken verspannte ich mich, obwohl ich keine Ahnung hatte, warum mir der Gedanke unangenehm war.

Schnell zog ich meine Sachen vom Vortag an, die einzigen Klamotten, die ich besaß.

Die erste Stunde des Tages war Verhalten in besonderen Fällen, bei James Bridger. Nachdem ich so früh wie möglich, alleine gefrühstückt hatte, war ich bis kurz vor Unterrichtsbeginn draußen gewesen.

Trotzdem war die Klasse noch halb leer, als ich mich wieder auf meinen Platz in der letzten Reihe fallen ließ. Wenig später setzte sich auch Yara neben mich.

Im Gegensatz zu den meisten unserer Klassenkameraden wirkte sie richtig ausgeschlafen, was ich persönlich überhaupt nicht verstehen konnte, schließlich waren Füchse eigentlich nachtaktiv.

Zum Glück war Yara still und versuchte nicht, sich mit mir zu unterhalten, was ich ihr hoch anrechnete. Sie schien zu merken, dass ich nicht reden wollte. Mia hätte allerdings an ihrer Stelle wahrscheinlich trotzdem ein Gespräch angefangen.

James Bridger betrat den Klassenraum gemeinsam mit den letzten Schülern. Natürlich blieb sein Blick an mir hängen und ich sah in seinen Augen, dass er mich erkannt hatte.

Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, aber der Gedanke machte mir Angst. Leider hatte ich auch keinen wirklich guten Plan, wie ich ihm vormachen sollte, dass er mich nicht kannte. Leider war James Bridger nicht dumm.

Er begrüßte uns und begann dann, eine Geschichte zu erzählen. Während er von seiner Ehe mit einer gewissen Menschenfrau redete, hörte ich nicht zu. Warum auch? Ich wusste das meiste davon schließlich selbst.

Doch bei seinen nächsten Worten horchte ich auf. „Eines Tages kam meine Frau nach Hause und erzählte, dass sie im Waisenhaus ein irgendwie merkwürdiges Mädchen aufgegriffen hatten."

Meine Augen weiteten sich und mein Herz schlug schneller. Das würde er nicht tun. Er würde nicht davon erzählen.

Doch James fuhr fort: „Ich fragte, was an dem Mädchen merkwürdig war und meine Frau erzählte es mir. Sie war aus ihrem vorherigen Heim zweimal weggelaufen und war mehrere Tage, beim zweiten Mal sogar über eine Woche weggeblieben."

„Dabei war sie erst fünf." Bei diesem Satz hörte ich mehrere überraschte Geräusche. In meinen Ohren allerdings rauschte es. Was wollte James damit bewirken, dass er diese Geschichte erzählte?

„Was hättet ihr gedacht, wenn ihr das an meiner Stelle gehört hättet?", fragte James dann in die Runde. Es dauerte einen Moment, bis sich jemand meldete, doch was auch immer die Person sagte, es ging im Rauschen meiner Ohren unter.

Es machte mich irgendwie wütend, dass James Bridger meine Geschichte als Anschauungsmaterial für seinen Unterricht benutzte. Ich wollte irgendetwas tun, um zu verhindern, dass er fortfuhr, doch ich hatte keine Ahnung was.

Das einzige, was in meinem Kopf Platz hatte war, dass ich ihn innerlich so laut ich konnte anschrie. ‚Hör einfach auf!'

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Hallooo, da wäre ich dann wieder...

Heute ein bisschen später, weil ich jede Menge für die Schule machen muss. Ja, wir sind erst seit gestern wieder in der Schule. Ja, wir schreiben noch 10 Arbeiten bis Weihnachten. Ich freue mich schon aufs Lernen. Wie viel müsst ihr noch schreiben?

So langsam, erfährt man ja ein bisschen über Linneas Vergangenheit. Was denkt ihr, wie die Geschichte weitergeht? Und wie reagiert Linnea?

Woodwalkers, neue GesichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt