Kampf und Überleben

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Eine Stunde später war ich jedenfalls sicher, dass Menschenmusik nicht so wirklich mein Fall war. Oder es lag, wie Yara vermutete, an Mrs Parker.

Der Lehrer für Kampf und Überleben war ein Wolf. Das war das erste, was ich wahrnahm, als sich Mr Brighteye vorstellte.

Dann teilte er uns in Paare ein und zeigte uns einige Übungen in Menschengestalt, die wir nachmachen sollten. Ich durfte mit Yara zusammenarbeiten, aber leider war sie wesentlich besser in menschlicher Selbstverteidigung.

Lächelnd gab ich auf, als sie mir schon wieder die Hand auf den Rücken gedreht hatte. „Mensch Yara, wo hast du das bitte gelernt?"

Yaras Stimmer war direkt neben meinem Ohr: „Wie jeder normale Schüler bin ich seit dem Anfang des Schuljahres hier und wir hatten zufälligerweise schon einige Stunden Unterricht."

Ich wand mich aus ihrem Griff und starrte sie direkt an. „Vielleicht brauche ich einfach viel weniger Zeit, um das alles zu lernen."

„Sieht man ja", gab Yara zurück. Über ihre Schulter konnte ich Joes Blick auf mir spüren. Er schien amüsiert und ich grinste ihn übermütig an. Lächelnd wandte er sich wieder seinem Partner zu.

„Jetzt kämpfen wir in zweiter Gestalt", forderte Mr Brighteye uns auf, „Bitte alle einmal verwandeln. Yara, Aidan, ihr kommt zu mir und kämpft weiter als Menschen."

Dann fuhr er fort und teilte uns in neue Paare ein. Meine Partnerin war Annalena, Anni, das Luchsmädchen. In zweiter Gestalt war sie etwas größer als ich, aber ich hatte auch schon gegen größer Wildkatzen oder einzelnen Wölfe gewonnen.

Vorsichtig umkreisten wir uns und ich achtete genau auf Annis Bewegungen. Sie wirkte weniger vertraut mit ihrer Luchsgestalt, als ich an meine Fuchsgestalt gewöhnt war.

Ich machte einen kleinen Satz nach vorne und sie zuckte zurück. Anni knurrte, aber an ihrer Körperhaltung erkannte ich, dass sie etwas nervös war.

Neben uns kämpfte Mia gegen ein Wolfsmädchen und ich war kurz leicht abgelenkt. Für meinen Geschmack liefen an dieser Schule viel zu viele Wölfe herum.

Anni nutze den Moment und brachte mich mit einem Hieb gegen die Schulter leicht aus dem Gleichgewicht. Sofort fokussierte ich mich wieder auf sie.

Mit eingezogenen Krallen schlug ich nach ihrem Kopf. Als sie sich wegduckte schoss ich vor und rammte sie mit meiner Schulter.

Anni strauchelte und ich versetzte ihr einen weiteren Stoß und noch einen, bis sie schließlich auf dem Boden lag, ohne sich wirklich zu wehren.

Ich zog meine Pfote mit eingezogenen Krallen über ihren Bauch. Wenn ich real gegen sie gekämpft hätte, dann hätte ich ihr jetzt mit den Krallen den Bauch aufgeschlitzt.

Stattdessen öffnete ich mein Maul und umschloss ihre Kehle. In meinen Gedanken blitzte ein Bild auf, wie ich meinen Kiefer schloss und ihr die Kehle rausriss.

Schnell ließ ich von Anni ab, aber da Bild hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Nach und nach veränderte sich das Bild von Anni mit aufgerissener Kehle zu einer Füchsin mit aufgerissener Kehle.

Von der Seite stieg mir Wolfsgeruch in die Nase und ich drehte innerlich durch. Ich würde ihn umbringen. Dafür würde er bezahlen.

Unbewusst knurrte ich und fuhr herum. Meine Augen fixierten den schlanken Wolfskörper und ich spannte meine Muskeln an, als mir klar wurde, dass er nicht hier war.

Der Geruch kam von einer Wölfin neben mir. Vor mir lag keine tote Füchsin, sondern nur Anni, die gerade wieder aufstand und mich vorsichtig anstupste.

Woher kannst du so gut kämpfen, ich hatte ja gar keine Chance. Ich wünschte ich wäre auch so gut. Sagte sie in meinen Gedanken.

Mr Brighteye kam zu uns rüber und nickte. „Das war sehr gut, Linnea, man sieht, dass du auf jeden Fall schon Erfahrung hast."

Ich stimmte ihm zu, aber eigentlich war ich auf keinen Fall ihrer Meinung. Schön, ich konnte gut kämpfen, aber nur, weil ich schon so oft um mein Leben gekämpft hatte. Wenn man kämpfen kann, weil man kämpfen muss, dann ist das Kämpfen selbst nichts Schönes mehr.

Ich war erleichtert, als Mr Brighteye den Unterricht beendete und wir uns zurückverwandeln durften. So schnell es ging zog ich mich wieder an und zog dann Yara am Arm mit nach drinnen.

„Alles in Ordnung? Wo willst du denn hin?", fragte sie leicht irritiert. Ich atmete angespannt aus und merkte, wie sehr ich meine Finger in ihren Arm gekrallt hatte.

„Tut mir leid, alles gut", murmelte ich hektisch. Immer noch flackerte Wut durch meinen Kopf und ich nahm kaum alles in meiner Umgebung wahr.

Yara schüttelte mich an der Schulter. „Linnea, was hast du denn?"

Ich schüttelte den Kopf und atmete tief ein und aus. Nach einigen Minuten spürte ich, wie ich wieder ruhiger wurde. Yara stand immer noch neben mir und schaute mich besorgt an.

„Du hättest auch einfach gehen können", murmelte ich dann. Was war nur heute mit mir los?

Yara schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Hey, ist wirklich alles gut?"

Ich nickte. „Ja, alles gut. Also, ähm, gehen wir dann...", fragte ich, um das Thema zu ändern.

„Wo wolltest du überhaupt in", fragte Yara und grinste vorsichtig. Erleichtert lächelte ich zurück und zuckte die Schultern.

„Na dann, lass uns in den Aufenthaltsbereich gehen."

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Da ist es endlich, das neue Kapitel!!

Wie findet ihr es? Ich ich hoffe, dass die Kampfszene realistisch ist, weil ich sowas zum ersten Mal geschrieben hab...

Übrigens wünsche ich euch schonmal ein schönes Wochendende und einen tollen zweiten Advent!

Woodwalkers, neue GesichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt