6.

1.5K 90 30
                                    

,,Können Sie aufstehen?", die Krankenschwester sieht mich liebevoll, doch gleichzeitig mitleidig an. Die soll sich bloß verziehen. Ich weiß, sie will mir nur helfen, doch auf diesen ständigen Mitleidsblick habe ich sowas von keine Lust.

,,Jaja, alles gut.", antworte ich genervt. Seit ungefähr zwei Wochen arbeiten die Ärzte und ich schon daran, mir das Laufen wieder vertraut zu machen. Mittlerweile kann ich das auch wieder relativ gut. Abgesehen davon, dass ich etwas humple.

,,Du wirst morgen mal in einer Gruppe eine Trainingsstunde kriegen.", lächelt diese Krankenschwester. Auf Dauer nervt dieses Gelächel. Hätte ich genug Kraft, würde ich ihr hochkant eine verpassen. Naja. Ich glaube eher nicht.

Das Leben im Krankenhaus ist eigentlich gar nicht so schlimm. Man sagt ja immer, dass dieser Krankenhausfraß übel sein soll. Doch das stimmt gar nicht! Ich hab hier Grießbrei mit Zimt und Zucker bekommen, was mir Mama sehr, sehr selten gemacht hat.

Mama.. Plötzlich rutsche ich aus und falle mit meinem vernarbten Knie voraus auf den Boden. ,,Au!", schreie ich schmerzvoll auf. Sofort kommt die Krankenschwester auf mich zu, packt und zerrt mich zu meinem Bett.

,,Gehts?", fragt sie besorgt und untersucht mein Knie. Als ob sie richtige Ärztin wäre. Tzz... Ich kann diese 'Miranda', wie es auf ihrem Namensschild steht, nicht leiden. Tut immer so, als ob sie furchtbar nett und talentiert ist, will sich dabei nur einschleimen, um positives Feedback über sie von mir zu erhalten. Und ich muss dann mal wieder sagen, dass sie toll ist und blablabla.

,,Hallo? Saphira?" Ja. Richtig gehört. Sie nennt mich Saphira. Bei den ersten Besuchen hat sie mich noch Frau Stewart genannt, doch hat sich irgendwie selbst erlaubt, mich Saphira zu nennen. Unverschämtes Weib!

,,Jaja. Alles gut.", sage ich abwertend und richte mich wieder auf. ,,Was sagtest du? In der Gruppe trainieren? Welche Gruppe?"

,,Nun. Du und ein paar andere Patienten, es sind glaube ich sechs oder so, werden zusammen zum fit werden trainieren. Fünf Mal pro Woche.", erklärt mir Miranda. ,,Pro Woche?!", schreie ich entsetzt. Noch nie. Wirklich. Noch nie war ich der sportliche Typ. Ich war immer aus Natur dünn und hatte es nie wirklich nötig, zu trainieren. Und jetzt plötzlich fünf Mal pro Woche?! Ich könnte heulen, schreien und jemanden umbringen. Sollte ich vielleicht Miranda in eine bessere Welt bringen? Dann hätte diese Welt sie wenigstens eine dumme Person weniger.

Nein. Das hat sie nicht verdient. Sie sollte wissen, wie schrecklich diese Welt doch ist. Ich weiß, gemein von mir, aber ganz ehrlich? Wenn ich schon am leben sein soll, sollen das gefälligst auch die Anderen!

,,OK..", sage ich im Monoton.

,,Soll ich den Fernseher einschalten?" Argh! Diese Stimme regt mich so auf! ,,Nein, danke. Das kann ich selbst.", antworte ich bissig und schnappe mir die Fernbedinung und schalte den Fernseher an.

,,Du kannst jetzt gehen, Miranda.", sage ich übertrieben freundlich. Soll die mal wissen, wie sehr das einem auf die Nerven geht. Für kurze Zeit verschwindet ihr Lächeln, ehe es wieder auf ihr Gesicht gedruckt ist: ,,Noch einen schönen Tag, Saphira. Ich komme morgen um dieselbe Zeit."

Sie steht auf und läuft auf die Tür zu. Bevor sie die Tür zuwirft, lächelt sie mich noch einmal an. Biest!

Gelangweilt schaue ich auf den Fernseher, wo schon die verschiedensten Bilder gezeigt werden.

,,Letzte Nacht wurde eine Bomben auf Wien in Österreich abgeworfen, auf den Hauptsitz der OSZE 'Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa'. Die Rebellen sollen auch schon überall auf der Welt zugeschlagen haben und eine riesige Demonstration entfacht haben. Oftmals greifen sie zur Gewalt. Viele Regierungssitze drohen zu fallen. Und jetzt zu Herbert Ollrich mit dem Wetter..."

Louisa hat Recht. Die Menschen rasten aus. Nein. Die Regierungssitze drohen nicht zu fallen, sie werden fallen. Das sieht doch jeder schon kommen. Doch.. wenn es keine Regierung mehr gibt, wer kümmert sich denn um die Länder?

Wer sorgt sich um Gesetze? Wenn die Regierung fällt, sind doch Regeln nutzlos und wertlos. Es wird alles eskalieren, ohne das die Menschen das überhaupt merken. Jeder versucht die Anderen davon zu überzeugen, dass er im Recht sind, ohne das sie mitkriegen, dass sie damit niemanden Vorteile sichern können. Ganz im Gegenteil. Jeder wird sterben. Nichts wird übrig bleiben. Okay, gut. Kakerlaken bestimmt.

Aber alle anderen werden sterben. Tiere, Menschen, Pflanzen, alles! Und niemand merkt das. Ist das ernsthaft Gottes Wille? Mich am Leben zu lassen, damit ich das alles mitansehe? Das ist doch grausam. Und wenn mir eines wirklich gelehrt wurde, dass Gott niemals grausam ist. Er vergibt. Er liebt die Menschen. Doch wenn ich an meine Situation denke, glaube ich das Gegenteil ist der Fall. Er will mich leiden sehen. Und ich weiß noch nicht einmal für was.

Es ist einfach nur grausam. Mich einen Flugzeugabsturtz überleben zu lassen, meine Eltern wegzunehmen, nur um mir zu zeigen, wie grausam es mit dieser Welt zu Ende gehen wird. Danke, Gott. Danke.


Regina Bellum - Anfang einer neuen ÄraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt