Kapitel 22

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Ungläubig starrte der junge Vampirjäger mich an, ehe er mich in seine Arme schloss.

„Wie kann das sein?", flüsterte er mir ins Ohr. Grinsend erwiderte ich seine Umarmung.

„Wenn ich das wüsste, wäre ich schon einen Schritt weiter. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass dutzende von Holzpfeilen auf mich zu flogen. Danach bin ich in einem Sarg unter der Erde wieder aufgewacht." Die Begegnung mit Jack in der Zwischenwelt verschwieg ich meinem besten Freund lieber. Es erschien mir nicht das Richtige sein, darüber zu sprechen.

„Das... das ist schon über einen Monat her, Sam. Wir haben dich alle beerdigt."

„Ein Monat?", fragte ich verwirrt, „Es kam mir nicht mehr vor wie ein paar Minuten." Jeremy schob mich von sich und schüttelte den Kopf.

„Es tut mir leid."

„Naja.. das war dann wohl meine zweite Beerdigung, auf die ich nicht eingeladen war." Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.

„Wissen es die anderen schon?" Mein Grinsen verschwand.

„Nein", gestand ich, „Ich wollte erst einmal den Dreck von mir waschen. Eigentlich hatte ich gehofft, hier niemanden vorzufinden."

„Ich sollte Elena anrufen", murmelte Jeremy, während er nach seinem Handy griff. Blitzschnell packte ich seine Hand.

„Bitte, Jer. Ich will mich nur frisch machen und vielleicht etwas Neues anziehen. Danach werde ich nach Mystic Falls gehen. Versprochen." Jeremy gab nach, wofür ich mich mit einem Kuss auf die Wange bedankte. Schnell flitzte ich nach oben, schnappte mir ein kurzes, schwarzes Kleid von Elena und schloss mich im Bad ein.

Viel zu schnell klopfte Jeremy wieder an die Tür und zwang mich so, das warme Wasser zu verlassen. Seufzend stieg ich aus der Dusche, trocknete meinen Körper und zog Elenas Kleid an. Jers Schwester war mit Sicherheit größer und schlanker wie ich, doch das Kleid konnte ich tragen. Bei einer Hose wäre das schon schwieriger gewesen.

„Jer, weißt du, was ich jetzt brauche?", rief ich meinem besten Freund entgegen, während ich die Treppe nach unten rannte. Ich fühlte mich so voller Energie. Im letzten Moment sah ich noch, wie Jeremy das Handy in die Hosentasche steckte, ehe er mir die Tasse heiße Schokolade entgegenhielt.

„Du hast es versprochen", seufzte ich, „Du rufst sie nicht an."

„Das habe ich nicht", verteidigte sich der Mensch vor mir, „Elena hat mich angerufen. Aber jetzt ist ihr entweder nur das Handy runtergefallen oder sie ist ohnmächtig geworden." Ich musste lachen bei der Vorstellung, dass die Vampirin bewusstlos am Boden lag, nur will sie meine Stimme gehört hatte. Mit diesem Gedanken schnappte ich mir meine heiße Schokolade und ging nach draußen. Jer folgte mir.

„Wolltest du nicht eigentlich sofort nach Mystic Falls verschwinden?"

„Glaub mir.. wenn Elena es weiß, dann wird Mystic Falls bald hier sein. Und so lange... genieße ich meine Schokolade mit einem Spritzer Blut am See." Lächelnd setzte ich mich am Steg nieder und ließ meine Füße ins kalte Wasser gleiten.

„Warum hast du nie etwas davon erzählt?" Ich wusste sofort, was Jeremy meinte.

„Meine Vergangenheit ist nicht gerade mein Lieblingsthema."

„Aber..."

„Nichts aber, Jer. Ich wollte alles vergessen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie grausam Menschen sein können. Dagegen sind wir Vampire gar nichts."

„Es hilft oft schon, wenn man nur über seine Probleme redet."

„Oder sie tot schweigt. Lass uns lieber über etwas anderes reden. Wie geht es Bonnie?"

„So wie es uns allen nach deinem Tod ging. Die anderen kannten dich noch nicht lange, aber trotzdem haben wir alle um dich getrauert."

„Bist du deshalb hier allein am See?" Jeremy nickte.

„Hätt ich mich nicht ohnmächtig schlagen lassen, wärst du vielleicht nicht gestorben."

„Du spinnst, Jer. Ich war tot, weil ich viel zu lange bei dieser schrecklichen >Familie< geblieben bin. Ich war dumm. Und ich habe den Preis dafür bezahlt."

„Warum hast du das getan, wenn du sie alle gar nicht leiden konntest?"

„Weil Jack dort war. Er hat so viel für mich getan... Da konnte ich ihn nicht verlassen. Nicht einmal, als er mit dieser schrecklichen Person zusammen kam."

„Glaub mir, Kira wird mehr leiden, als ihr lieb ist." Bevor ich den Vampirjäger fragen konnte, was er damit meinte, spürte ich bereits die Anwesenheit von anderen. Grinsend blickte ich hinter mich und sah gerade noch wie die Schatten aus dem Wald heraus kamen. Allen voran Damon. Mein ältester Bruder starrte mich unverwandt an, was mach dazu veranlasste, etwas zu tun, mit dem ich selbst nicht gerechnet hatte. Mein Körper schien sich wie von selbst zu bewegen, als ich mich erhob und einfach auf meinen großen Bruder zustürmte. Ohne Vorwarnung umarmte ich ihn einfach. Es war plötzlich so viel einfacher als vorher. Er wusste alles und ich hatte endlich begriffen, wie naiv ich mich benommen hatte. Ich brauchte nach allem einen Neuanfang. Einen Neuanfang mit Familie und Freunden.

„Sam..." Stefan trat neben uns. Lächelnd umarmte ich auch ihn.

„Es tut mir leid", flüsterte ich, obwohl ich wusste, dass mich sowieso alle hörten.

„Wie kann es sein...?"

„Ich weiß es nicht", erklärte ich ein weiteres Mal, „Ich weiß nur, dass es jetzt nur noch eine Person gibt, die ich jetzt noch unbedingt sehen muss."

„Was das angeht..."

„Caroline!" Bonnie strafte die Blondine mit einem bösen Blick. Bis jetzt hatte ich gar nicht gemerkt, dass Elena und ihre Freundinnen auch hier waren.

„Was?", fragte ich Caroline direkt.

„Klaus ist weg."

„Wie weg?"

„Er ist nach New Orleans."

„Was will er denn da?"

„Zum einen hat er gehört, dass Kira sich dort aufhalten soll. Und dann wäre da noch..."

„Caroline!" Nun war es Stefan, der die Blondine stoppte. Fragend sah ich meinen Bruder an. Bevor irgendjemand noch irgendwas sagen konnte, hielt Damon mir sein Handy entgegen.

„Ruf ihn an." Zögerlich nahm ich das schwarze Etwas in die Hand und flitzte in den Wald. Das hier ging nun wirklich nicht jeden etwas an. Selbst wenn Nik in New Orleans war, war das nichts gegen die Entfernung, die uns schon einmal getrennt hatte. Er war einfach ein Teil, auf den ich in meinem neuen Leben nicht verzichten konnte und wollte. Tief atmete ich ein und wählte seine Nummer. Es dauerte eine Weile, bis jemand abnahm.

„Ja?" Eine Frauenstimme. Unsicherheit machte sich in mir breit.

„Wer ist da?"

„Hier ist Hayley." Hayley? Wieso hatte diese Frau Niks Handy?

„Ist Ni... Klaus da?"

„Nein. Er ist gerade Babysachen kaufen mit Elijah."

„Babysachen?"

„Ja, Babysachen. Für unser Kind. Meins und Klaus'." Mehr hörte ich nicht, denn die Kraft schien mich zu verlassen. Und das Letzte, was ich hörte, war das Aufschlagen von Damons Handy auf dem kalten Erdboden.

Never forget the past... (VampireDiaries - FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt