Warten. Warten. Warten.
Ich war es leid. Daher hatte ich mich bei der Schwester abgemeldet und war ins Foyer hinuntergegangen. Nun stand ich hier, die Glastür im Blick und wartete. Schon wieder.
»Wir sind auf dem Rückweg«, hatte Julian vor gut einer Stunde geschrieben. Mehr nicht. Ich wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Bezog sich das »Wir« nur auf ihn und meine Mutter, oder auch auf die Kinder? Ich hoffte auf letzteres, aber – verdammt nochmal – hätte er nicht wenigstens einen Smiley dazusetzen können? Einen, der mir die Magenschmerzen nimmt, die die Ungewissheit verursachte.
Es war zum Verrücktwerden, insbesondere, da ich bei jedem Öffnen der Glastür hoffnungsvoll aufsah, nur um ein ums andere Mal enttäuscht zu sein.
Und dann endlich waren sie da. Während sich meine Mutter und Julian im Hintergrund hielten, wurde ich förmlich von den Kindern überrannt. Wie schon am Tag zuvor hingen sie wie kleine Äffchen an mir. Mutter ließ mir einige Minuten mit den beiden, bevor sie näher trat, um mich ebenfalls zu umarmen. »Es tut mir leid, wie alles gekommen ist«, murmelte sie zutiefst zerknirscht, statt einer Begrüßung. »Mir wäre nicht mal im Traum eingefallen, dass man etwas so falsch auslegen kann.«
Ich winkte nur ab. »Hauptsache, dass ich meine beiden Mäuse wieder habe.« Was hätte ich auch anderes sagen können? Vorhaltungen wollte ich ihr keine machen. Das schaffte sie allein ganz gut.
»Ich will Kuchen!«, verkündete in dem Moment Julia. »Ich habe Hunger.«
Wenig später saßen wir in der Cafeteria. Wie am Tag zuvor war Julia wieder auf meinen Schoß gekrabbelt, während sich Jakob seinen Stuhl herangezogen und unter meinen Arm gekuschelt hatte. Stumm beobachteten wir Julian und meine Mutter, die an der Kuchentheke standen und sich wohl über das Angebot unterhielten.
»Müssen wir wieder dorthin?« Jakob klang kläglich und ich musste nicht fragen, was oder eher wen er damit meinte. »Es war dort langweilig und wir mussten in einem Bett schlafen.«
»Aber was ist daran so schlimm?«, wollte ich wissen. »Julian hat mir erzählt, dass Julia bei dir einschläft.«
»Das ist was anderes«, murrte Jakob. »Das ist ja dann mein Bett und morgens war sie wieder in ihrem. Außerdem erinnere ich mich kaum noch an sie. Sie sind mir fremd und Julian hatte sich mit ihnen gestritten.«
Julia schnaufte und fuchtelte mit einer kleinen Faust vor meinem Gesicht herum. »So hat Julian gemacht. Er war richtig böööse.«
»Aber Oma auch«, betonte Jakob und ich glaubte, Stolz herauszuhören.
»Na? Was erzählt ihr hier für Schauergeschichten?« Neugierig musterte mich meine Mutter und stellte ein Tablett mit Kuchenteller auf den Tisch. Es war ein Deja Vu.
»Sie haben nur erzählt, wie ihr gekämpft habt«, fasste ich zusammen und zog einen Teller mit einem kunterbunten Donut für Julia und einen weiteren für Jakob heran. Trotzdem entging mir nicht der Blick, den Mutter und Julian miteinander wechselten.
Fragend sah ich die beiden an. »Verschweigt ihr etwas?«
Mutter nahm sich Zeit, Zucker und Sahne in den Kaffee zu rühren, während Julian von seinem Streuselkuchen abbiss. Allein, wie sie versuchten, sich um eine Antwort zu drücken, ließ mich böses ahnen.
»Naja«, begann schließlich meine Mutter. »Klaus war nicht gerade fein in seiner Wortwahl. Oh, mit den Kindern gab es keine Probleme. Kein Wort mehr von wegen Meldung an das Jugendamt oder ähnlichem. Die beiden saßen schon im Auto, als er damit anfing, dass du Janas Andenken beschmutzen würdest.«

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Kirschhelden
RomanceFür Lukas Held bricht die Welt zusammen: Seit Tagen schleppt sich der Witwer mit Schmerzen herum und plötzlich geht nichts mehr. Er muss ins Krankenhaus. Aber was soll mit seinen Kindern geschehen? Weil er sich nicht anders zu helfen weiß, bittet er...