13. Hoffnungen

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13. Hoffnung

Es war ein gutes Gefühl, sich diesen beschissenen Tag abspülen zu können. Zumindest physisch. Mental hing ich noch immer voll drin. Insbesondere der Schock über Tommys Verrat saß tief. Und ein Verrat war es tatsächlich.

Mein Chef war erstaunlich still gewesen und hatte stumm zugehört, als ich den beiden Polizisten den Tathergang geschildert hatte. Umso lauter wurde er, als sich die Ladentür hinter ihnen schloss. Er hätte nichts dagegen, wenn ich während der Arbeitszeit Besuch bekäme, sagte er. Vorausgesetzt, die Arbeit leidet nicht darunter. Aber über Tage und dann auch noch jemand aus der Konkurrenz ... Er hatte den Satz nicht beendet, dafür jedoch abwertend mit der Zunge geschnalzt. Tommys Abgang nach Italien war Stadtgespräch gewesen, und seine Rückkehr ebenfalls. Dass er sich quasi in meiner Filiale versteckt hatte, war auch nicht unbemerkt geblieben.

»Du weißt, wie die Leute sind«, hatte mein Chef ruhiger gesagt, nachdem seine größte Verärgerung verraucht war. »Sie reden immer und selten kommt dabei etwas Gutes heraus. Vielleicht werden sie darüber spekulieren, ob ihr unter einer Decke steckt und mir gemeinsam das Geld aus den Taschen zieht. Womöglich denken sie auch, dass es gar nicht Tom war.«
Bei solchen Überlegungen war mir ganz flau im Magen geworden. »Ich würde niemals auf eine solche Idee kommen!«, hatte ich heftig widersprochen und auch jetzt wurde mir übel. Welche Auswirkungen es auf meine Zukunft haben könnte, wollte ich mir gar nicht vorstellen, aber im Grunde wäre ich gebrandmarkt. Auf die nächsten Jahre wäre ich der Blumenjunge, der weggeschaut hat, als sein Kumpel in die Kasse griff. Dass mein Chef die Wahrheit wusste, war irrelevant. Die Meinung der Masse zählte. Sie wollte unterhalten sein und auch wenn ich es nicht wollte, ich war in diesem Zirkus gefangen.

Mit einer ruppigen Bewegung drehte ich das Wasser aus und wäre froh, wenn ich meine Überlegungen genauso abstellen könnte. Aber das war unmöglich. Genauso unmöglich, wie sich mit dem weichen Badetuch die Haut runterzurubbeln.

Statt über irgendwelchen Scheiß zu grübeln, sollte ich mich auf den heutigen Abend freuen. Hör endlich auf zu denken!, rief ich mich selbst zur Ordnung. Träume! Hoffe! Leichter gesagt, als getan.

Irgendwie hegte ich noch immer die Hoffnung, dass Tommy seinen Fehler einsehen und das Geld zurückgeben würde. Dann könnte ich die Anzeige zurückziehen und alles wäre wieder Friede-Freude-Eierkuchen. Nun, nicht ganz. Unsere Freundschaft wäre hinüber. Aber das war sie sowieso schon. Zumindest wäre jedoch der finanzielle Schaden abgewendet, was ich meinem Chef wünschte.

Auch wenn ich es nicht wollte, steigerte ich mich schon wieder in saublöde Überlegungen hinein. Genauer gesagt in die Was-wäre-wenns. Es waren Annahmen, wie man selbst an Tommys Stelle agieren würde. Das hieße aber auch für mich, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, jemanden zu bestehlen.

Gerade als ich in die Jeans stieg, läutete es an der Wohnungstür und um ein Haar hätte ich das Hosenbein verfehlt. Sollte das etwa Tommy sein?

Ich Träumer!, schalt ich mich und schüttelte über mich selbst den Kopf, während ich die Hose vollends anzog. Vermutlich sitzt der Kerl in seinem Zimmer und zockt auf seiner nigelnagelneuen Spielkonsole.

»Jahaa!«, rief ich und schlüpfte noch im Flur in ein Shirt, als es auch schon an der Tür klopfte.
»Was magst du für Pizza essen?«, wurde ich von Jakob gefragt, noch ehe ich die Tür ganz geöffnet hatte. Julia war bei ihm und hüpfte mal wieder unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Papa will schon bestellen, damit wir nachher nicht so lange warten müssen, sagt er.«
»Ich nehme Matilda!«, verkündete Julia laut, sodass es im gesamten Treppenhaus schallte. »Ich mag Matilda.«

Ich zog nur eine Augenbraue hoch, ohne sie zu verbessern. »Das klingt lecker«, stimmte ich ihr zu und sah dann zu Jakob. »Aber ich nehme lieber Salami.«

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